Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben recht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den LINKEN, die Kinderrechte gehören in das Grundgesetz und Kinderarmut gehört mit der Kindergrundsicherung aus der Welt geschafft. Nicht umsonst findet sich beides im Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Für eine Debatte sind aber beide Themen im Grunde zu groß. Deshalb möchte ich meine weiteren Ausführungen auf die aktuell zugespitzte Diskussion zur Kindergrundsicherung konzentrieren.

Zu den Kindergrundrechten an dieser Stelle so viel: Wir GRÜNE sind sehr froh darüber, dass wir in der vorigen Legislaturperiode die Kindergrundrechte in der Landesverfassung verankert haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Eva von Angern, DIE LINKE)

Wir konnten also im Land schon umsetzen, was im Bund noch aussteht.

Nun also zur Kindergrundsicherung. Der Konflikt um die Kindergrundsicherung entzündet sich auf Bundesebene aktuell insbesondere an der Frage, soll die Kindergrundsicherung lediglich eine Entbürokratisierung sein, indem Leistungen für Kinder und Familien gebündelt und Antragsverfahren vereinfacht werden und damit sichergestellt wird, dass auch wirklich alle Anspruchsberechtigten diese Leistung beziehen, oder wird im Zuge der Kindergrundsicherung auch die Höhe einer existenzsichernden Kindergrundsicherung neu berechnet, schaffen wir mit der Kindergrundsicherung endlich mehr Chancengerechtigkeit für Kinder. So, lieber Herr Pott, steht es eigentlich auch im Koalitionsvertrag, aber ein Partner der Ampelkoalition will davon nichts mehr wissen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Ja! Es geht nur ums Geld!)

Mehr Geld für arme Kinder und ihre Familien, mehr gleiche Chancen für alle, das wollen auf Bundesebene eben nicht alle und auch nicht alle Partner der Ampelkoalition. Sie sagen es dann auch nicht so direkt, sondern bedienen lieber Vorurteile und Klischees gegen Eltern in prekären Lebenslagen und zeichnen das Bild einer Unterschicht, die lieber in Bier und Zigaretten investiert, anstatt an ihre Kinder zu denken. Dabei belegen Studien   Frau von Angern hat es auch schon erwähnt   immer wieder, dass die allermeisten Eltern eher bei sich sparen, als ihren Kindern etwas vorzuenthalten.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Eva von Angern, DIE LINKE - Andreas Silbersack, FDP: Aber es ist Teil der Realität!)

- Ja, in Einzelfällen.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber es sind Ausnahmefälle! Dann dürfen alle mitleiden, weil sich ein paar danebenbenehmen?)

Dann wird die einseitige Mär verbreitet,

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Müssen jetzt alle CDU-Abgeordneten für Maskenhändler büßen? - Guido Kosmehl, FDP: Ach, Striegel!)

nur Bildung helfe gegen Armut. Natürlich ist Bildung der Schlüssel für eine erfolgreiche Erwerbsbiografie. Wer sollte das bezweifeln? Wenn im Regelsatz für Kinder unter sechs Jahren nur etwas mehr als 1 € pro Monat für Bildung vorgesehen ist, dann frage ich mich, woher sollen die Bücher zum Vorlesen, die Buntstifte zum Malen, die Ausflüge in die Natur am Wochenende, der Besuch im Kindertheater herkommen, um Kinder früh zu fördern, um Kindern früh Bildung zukommen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Mehr Bildung heißt eben auch mehr Geld für nichtschulische Bildung. Wer das bestreitet, der hat einfach keine Ahnung von der Realität eines Aufwachsens ohne wohlhabende Eltern, ohne Eigenheim und ohne feststehendes Erbe.

(Guido Kosmehl, FDP: Das hat aber keiner gemacht! - Andreas Silbersack, FDP: Ein feststehendes Erbe hat ja kaum einer!)

Eine armutsfeste Kindergrundsicherung ist die unabdingbare Voraussetzung für Teilhabe aller und für gleiche Bildungschancen. Natürlich gehört bildungspolitisch noch mehr dazu. Interessierte können gern unseren Parteitagsbeschluss zurate ziehen, wessen es aus unserer Sicht im Bereich der Schule noch bedarf, um Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. Schulische und hochschulische Bildung gegen eine grundsätzliche materielle Sicherheit auszuspielen, ist, nett gesagt, verkürzt und, ehrlich gesagt, erbärmlich.

Ich setze darauf, dass dieses zweite sozialpolitische Kernanliegen der Ampelkoalition nach der Einführung des Bürgergeldes wie geplant kommt und dass wir damit Kinderarmut in Form von ungenügender Teilhabe und verwehrten Lebenschancen hinter uns lassen. Wir stimmen der Überweisung also zu. Vielen Dank für diesen Antrag.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Intervention von Herrn Pott. - Herr Pott, Sie haben das Wort.


Konstantin Pott (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegin Sziborra-Seidlitz, ich halte Ihre Ausführungen, dass sich die FDP auf Bundesebene querstellt, mindestens für gewagt,

(Eva von Angern, DIE LINKE, lacht)

ist es doch so, dass die 12 Milliarden €,

(Guido Kosmehl, FDP: Zuhören!)

die zusätzlich gefordert wurden, nicht im Koalitionsvertrag stehen

(Guido Kosmehl, FDP: Ja! - Eva von Angern, DIE LINKE: Die 100 Milliarden € für die Bundeswehr standen auch nicht darin!)

und die grüne Familienministerin zu dem Zeitpunkt, als diese Debatte aufkam, weder irgendein Konzept für die Kindergrundsicherung vorgelegt noch hinterlegt hatte,

(Beifall bei der FDP)

wofür die 12 Milliarden € ausgegeben werden sollen.

Die FDP hat sich immer offen gezeigt auch für Debatten, was am Ende die Mittel angeht. Aber zuerst sollten wir doch über die Konzeption reden und über die Ziele, welche die Kindergrundsicherung inhaltlich haben soll, bevor wir über eine Erhöhung reden, die nicht hinterlegt ist.

Ein letzter Punkt: Wir werden Kinderarmut nachhaltig nur mit einer guten Bildung bekämpfen können. Die Kinder müssen nachhaltig aus der Armut geholt werden. Wir bekommen das nicht nur hin, indem wir mehr Geld in die Kindergrundsicherung geben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Vielen Dank. - Herr Pott, zu Ihrem Punkt 1. Wenn im Ampelkoalitionsvertrag grundsätzlich vereinbart worden ist, dass die Kindergrundsicherung armutsfest sein soll und dass sie Kinder vor Kinderarmut schützen soll, dann ist es möglicherweise ein für Teile der Koalition schwieriger Vorgang, wenn die Familienministerin sagt, dass wir dafür auch mehr Geld brauchen, ohne das konkret und vollständig zu hinterlegen.

(Konstantin Pott, FDP: Wie kommt sie denn dann auf den Betrag?)

Aber dann ist es mindestens genauso schwierig, wenn der Finanzminister auch sofort, ohne es inhaltlich zu begründen, Nein sagt. - Das ist Punkt 1.

(Guido Kosmehl, FDP: Weil Sie die Inhalte nicht vorgelegt haben! - Zuruf von Konstantin Pott, FDP)

Zu Ihrem zweiten Punkt, Herr Pott. Sie haben mir wahrscheinlich schon zugehört; Sie neigen ja dazu, anders als andere Kollegen hier. Selbstverständlich ist Bildung der Schlüssel. Aber zur Bildung gehören eben auch Buntstifte, Bilderbücher, Kindertheater und Ausflüge. Das ist mit weniger als einem Euro pro Monat nicht zu machen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)