Tobias Krull (CDU):

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir diskutieren heute unter anderem über die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz. Auf die juristischen Hintergründe sind meine Vorrednerinnen bereits sehr umfänglich eingegangen. Als CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt haben wir uns bereits bei der Änderung der Landesverfassung hier aktiv eingebracht.

In Artikel 11 finden Sie die Kinderrechte wieder, ohne dass dabei die Erstverantwortung der Eltern infrage gestellt wird. In Artikel 11 Abs. 1 heißt es:

„Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung seiner Würde als eigenständige Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und auf den besonderen Schutz der Gemeinschaft vor Gewalt sowie körperlicher und seelischer Misshandlung und Vernachlässigung.“

Zweiter Absatz:

„Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

Dritter Absatz:

„Jedes Kind hat nach Maßgabe des Gesetzes einen Anspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in einer Tageseinrichtung.“

Absatz 4:

„Kinderarbeit ist verboten.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder ist für uns ein wichtiger Grundsatz. Das ist die Verantwortungsübernahme zwischen den Generationen. Aber dort, wo die Rechte der Kinder oder gar das Kindeswohl gefährdet sind, müssen staatliche Institutionen selbstverständlich im Sinne der Jüngsten eingreifen.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU)

Die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz war auch in den Koalitionsverträgen der von uns geführten Bundesregierungen festgehalten worden. Entsprechende Vorschläge zur Ergänzung des Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes lagen bereits vor. Der folgende Kompromissvorschlag wurde erarbeitet: Die verfassungsgemäßen Rechte der Kinder einschließlich eines Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.

Leider hat diese Formulierung nicht den Weg in das Grundgesetz gefunden. Ich halte sie aber weiterhin für gelungen. Sie ist ein Kompromiss im Dreiecksverhältnis zwischen Kindern, Eltern und Staat. Die Lufthoheit über die Kinderbetten in unserem Land gehört den Eltern und nicht, wie es der damalige Generalsekretär der SPD und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz formulierte, seiner Partei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Teil des Antrags beschäftigt sich mit der geplanten Einführung einer Kindergrundsicherung in unserem Land. Hinsichtlich des Ziels, dass die unterschiedlichen Leistungen für Kinder besser koordiniert werden sollen und müssen, besteht denke ich, Konsens. Der fast einstimmig gefasste Beschluss, auf den bereit eingegangen worden ist, macht dies noch einmal deutlich.

Es würde den Familien schon sehr helfen, wenn die ihnen zustehenden staatlichen Leistungen entsprechend zeitnah gewährt werden. In meinem persönlichen Bekanntenkreis erlebe ich gerade den Fall, dass man fast den ersten Geburtstag eines Kindes feiern kann, ohne dass Kindergeld gezahlt worden ist, auch weil immer wieder Unterlagen nachgeführt werden müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir den Bereich der Digitalisierung bei der Gewährung staatlicher Leistungen ernst nehmen und wir einen Datenschutz haben, der schützt und nicht behindert, dann würde den Betroffenen sehr viel geholfen sein.

Allgemein muss es gelingen, die vorhandenen Leistungen tatsächlich öffentlich bekannt zu machen, damit diese auch genutzt werden. Ich meine z. B. die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes.

Auch muss gefragt werden, wie die Finanzierung der Kindergrundsicherung erfolgen soll. Durch das Wegfallen und die Reduzierung von Freibeträgen, die insbesondere Familien und Alleinerziehenden helfen? - Das wäre der falsche Schritt.

Die gestiegene Quote der armutsgefährdeten Kinder und Jugendlichen in unserem Land kann natürlich niemanden unberührt lassen, aber auch hierzu gibt es offensichtlich in unterschiedlichen Landesteilen unterschiedliche Zahlen. Wirtschaftlich starke Landkreise wie der Bördekreis stehen ganz anders da als z. B. die Großstädte.

Als CDU-Landtagsfraktion wollen wir das Thema in der Komplexität bearbeiten, die es hat. Auch deshalb gehören wir wie viele andere Institutionen dem Netzwerk gegen Kinderarmut in unserem Land an.

Für uns als Fraktion ist Kinderarmut, wobei man über die Definition von Armut durchaus streiten kann, auch immer Familienarmut. Deshalb ist für uns eine erfolgreiche Ansiedlungs- und Wirtschaftspolitik ein wichtiger Faktor, um die Armut zu reduzieren. Das Ziel muss es doch sein, dass sich Menschen und ihre Familien aus eigenem Einkommen ein freies und selbstbestimmtes Leben ermöglichen können.

Wir stehen als Union für eine Chancengesellschaft, in der sich jede Person entsprechend ihren eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Potenzialen entwickeln kann. Als Staat ist es unsere Aufgabe, hierfür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Gleichzeitig müssen wir selbstkritisch fragen, ob die Mittel, die wir im Sozialbereich verwenden, optimal eingesetzt werden. So werden allein vom Land nach dem Kinderförderungsgesetz mehr als 400 Millionen € aufgewendet.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang das Thema Kinderschutz. Als Koalition werden wir hier durch eigene Anträge in Kürze Verbesserungsvorschläge vortragen. Für mich persönlich ist klar, Datenschutz muss immer hinter dem Kinderschutz stehen.

Zur weiteren Beratung bitten wir um die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sowie an die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz sowie für Finanzen zur Mitberatung.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. Noch einmal: Sozialausschuss federführend?


Tobias Krull (CDU):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Mitberatend Recht und Finanzen?


Tobias Krull (CDU):

Ja.