Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Debatte zum Bauerntag, zur Situation der Landwirtschaft in Europa, Deutschland und Sachsen-Anhalt legt zu recht den Fokus auf jene, nämlich auf die Landwirtinnen und Landwirte, die unsere täglichen Lebensmittel produzieren.

Ohne sie würde unser Leben komplett anders aussehen, wenn wir uns nämlich täglich selbst darum kümmern müssten, was auf unseren Tellern liegt. Deshalb verdient ihre Arbeit, und zwar egal ob ökologisch oder konventionell betrieben, in Familie, als Genossenschaft oder als Unternehmen strukturiert, und zugleich über Europa hinaus unsere hohe Wertschätzung.

Die Landwirtschaft steht aber vor immensen Herausforderungen. Das ist niemandem, so glaube ich, verborgen geblieben. Angesichts einer stetig wachsenden Weltbevölkerung und der Auswirkungen des Klimawandels, die auch die Landwirtschaft in Europa mit Dürren, Wassermangel und Extremwetterereignissen in bisher nicht gekanntem Maß konfrontiert, angesichts von Kriegen auch in Europa muss es gelingen, die Menschen zu ernähren. Wie schwierig das ist, zeigen die weltweit fast eine Milliarde Menschen, die von Hunger betroffen sind.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Die Auswirkungen des Klimawandels sind sehr deutlich spürbar. Vegetationszeiten verschieben und verlängern sich, Bestäuber bleiben aus, Niederschläge fehlen oder kommen nicht zum günstigen Zeitpunkt für das Pflanzenwachstum. Dürren treten nicht mehr nur alle zehn bis 15 Jahre auf; sie werden inzwischen zum Dauerereignis.

Das wiederum beeinträchtigt natürlich auch die Möglichkeiten zur Bewässerung, die ohnehin nicht überall leistbar ist. Durch sinkende Grundwasserstände wird die Konkurrenz um Wasser immer größer. Das hätten sich viele auch in Sachsen-Anhalt wohl niemals vorstellen können. Deshalb müssen aus der Sicht der LINKEN die Prioritäten der Wassernutzung in Sachsen-Anhalt wirklich dringend verbindlich geregelt werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Versorgung mit Trinkwasser und die Erzeugung von Lebensmitteln müssen dabei Vorrang haben. Nichtsdestotrotz müssen wir uns aber auch bewusst machen, wie kostbar dieses Gut ist und wir müssen damit auch entsprechend sorgsam umgehen.

Eine gute Ernte ist in Anbetracht dieser angespannten Situationen schon lange nicht mehr selbstverständlich. Die Landwirtschaft kämpft aber auch mit neuen Schädlingen und Krankheiten bei Nutztieren und Pflanzen.

Hinzu kommt, dass Agrarflächen schrumpfen. Das hat sehr viele Ursachen; Infrastruktur-, Industrie- und Siedlungsprojekte führen zum unwiederbringlichen Verlust von Flächen für die Landwirtschaft. Aber auch Erosion, Abtragung, Verschmutzung und Versalzung führen dazu, dass Boden verlorengeht und er damit seine Ökosystemdienstleistungen, also den allgemeinen Nutzen, den wir als Menschen davon haben, nicht mehr erfüllen kann.

Dabei muss uns klar werden - das möchte ich hier verdeutlichen  : Boden ist endlich. Deshalb müssen wir alle sehr schonend und sorgfältig damit umgehen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dazu gehört als ein Baustein auch, dass Landwirtschaft selbst mit Bodenbearbeitungs- und Anbauverfahren zum Erhalt und zur Verbesserung des Bodens beiträgt. Das liegt - das wissen sie - in ihrem eigenen Interesse und ist erforderlich für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und der Wasserspeicherung, aber auch der Biodiversität. Die Biodiversität ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, längst kein Modewort, sondern sie ist auch für die Landwirtschaft elementar.

Flächen, wie Blühwiesen, Feldsäume oder auch Grünland nehmen zwar vermeintlich ein Stück Acker weg, aber sie sind eben kein Verlust für die Landwirtschaft, sondern mit ihren Ökosystemleistungen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, als Puffer zum Schutz der Gewässer, als Hilfe bei der Eindämmung von Schädlingsbefall, als Landschaftsgestalter sowie zur Bodenbildung und Aufrechterhaltung von Stoffkreisläufen ein wichtiger Gewinn. Das ist Teil der ökologischen Nachhaltigkeit.

Aber die Landwirtschaft kämpft seit Langem auch damit, dass immer weniger junge Menschen bereit sind, in die Landwirtschaft zu gehen und die Betriebe ihrer Eltern zu übernehmen. Die Attraktivität ist durch geringes Einkommen und die Arbeitszeiten nicht wirklich hoch. Was in einem größeren Betrieb vielleicht noch irgendwie von anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern organisiert und verteilt werden kann, bleibt im Familienbetrieb mit Arbeitszeiten rund um die Uhr direkt an den Landwirten hängen. Meistens sucht sich zumindest ein Partner andere Arbeit, um finanziell irgendwie über die Runden zu kommen. Deshalb finden wir immer weniger Familienbetriebe und vieles geht auch in den Nebenerwerb.

Dabei ist auch aus unserer Sicht eine Vielfalt an landwirtschaftlichen Strukturen wichtig, die gerade den ländlichen Raum prägen und von denen letztendlich auch die regionale Wertschöpfung profitieren soll. Die regionale Wertschöpfung leidet allerdings weiter darunter, dass Landwirtinnen und Landwirte stark von der Marktmacht Einzelner, und zwar der Verarbeitungs- und Handelsriesen, abhängig sind, die eben nicht bereit sind, Erzeugerpreise zu bezahlen und damit die Kosten für die Erzeugung der Lebensmittel, aber eben auch für ein Einkommen der Landwirte abzudecken. An dieser Stelle müssen wir eben auch endlich eine soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit erreichen, meine sehr geehrten Damen und Herren; hierfür kann Politik vieles leisten.

Das sind viele grundsätzliche Fragen. Wir müssen also ressourcenschonend handeln. Die Landwirtschaft muss nachhaltiger werden; das weiß sie selbst. Dazu gehört auch, dass die Treibhausgasemissionen reduziert werden. Die Verunreinigungen von Gemeingütern, wie Wasser, Boden und Luft, müssen ebenfalls reduziert und beendet werden.

Wir brauchen eine Agrarwende unter agrarökologischen und damit auch Klimaaspekten zum Schutz von Mensch und Natur. Wir müssen weg von der strategischen Ausrichtung auf möglichst billige Rohstofflieferungen für den globalisierten Weltagrarmarkt.

Die Zeche für diese falsche Agrarstrategie zahlen doch am Ende die erzeugenden Agrarbetriebe selbst. Denn sie erarbeiten die Profite der international agierenden Konzerne im vor- und nachgelagerten Bereich, aber auch landwirtschaftsfremder Investoren, die dann ihren Reichtum auf unser aller Kosten vermehren. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, regelt der Markt nicht. An dieser Stelle müssen wir politisch eingreifen.

DIE LINKE will Landwirtschaft daher auch gemeinsam neu denken. Die zukünftige Ladwirtschaft wird sich deutlich von der aktuellen unterscheiden. Eines wird aber bleiben: Wir brauchen eine am gemeinwohlorientierte Landwirtschaft; diese muss eben auch Ernährungssouveränität sichern sowie Natur und Klima vor der Haustür und weltweit schützen. Aber wir brauchen auch eine Landwirtschaft, bei der die dort Tätigen endlich von ihrer Arbeit tatsächlich gut leben können und deren Produkte für Menschen bezahlbar bleiben.

Um das zu leisten, brauchen die Betriebe verlässliche Rahmenbedingungen, höhere Standards, mehr Biodiversität. Gewässer-, Natur- und Tierschutz sollen erreicht werden; das muss leistbar sein. Dazu sind auch wir in der Pflicht.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Wir brauchen für dieses neue Denken der Landwirtschaft gerade die Agrarbetriebe als Verbündete. Wir denken, Agrarpolitik, Landwirtschaft und Gesellschaft müssen in einen offenen Dialog treten. Dieser muss auf Augenhöhe geführt werden, um zu klären, welche Ziele, Aufgaben, Probleme und Lösungen die Landwirtschaft erfüllen soll. Der Dialog muss die erforderlichen Rahmenbedingungen zur Stärkung der ortsansässigen und nachhaltig wirtschaftenden Agrarbetriebe schaffen. Nur das kann irgendwie Vertrauen schaffen. Das sind wir vor allem den Beschäftigten in der Landwirtschaft schuldig.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Die Kosten für die Lösung der Probleme dürfen nicht allein bei den Agrarbetrieben abgeladen werden, sondern müssen fair in der gesamten Wertschöpfungskette verteilt werden. Statt des Verdrängungswettbewerbs durch Ausbeutung von Mensch und Natur fordern wir ein kooperatives Wirtschaftssystem im Interesse der gesamten Gesellschaft.

Wir als Gesellschaft brauchen Landwirtinnen und Landwirte unausweichlich. Sie erzeugen qualitativ hochwertige Lebensmittel, wie Getreide, Milch, Fleisch, Gemüse und Obst. Inzwischen tragen sie auch viel zur Erzeugung von Energie bei. Sie versorgen die Bevölkerung mit Lebensmitteln und sie tragen mit einem breiten Angebot an Dienstleistungen zum Erhalt des ländlichen Raumes bei.

Und ja, sie brauchen dabei unsere Unterstützung, nicht nur in einer Aktuellen Debatte wie heute. Sie brauchen Respekt und Anerkennung für ihre Arbeit. Als LINKE reichen wir dazu der Landwirtschaft die Hand. Ich sage auch im Namen der LINKEN noch einmal Danke für ihre Arbeit.

(Beifall bei der LINKEN)