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Plenarsitzung

Wie umgehen mit Corona-Demos?

20. Nov. 2020

Natürlich müsse in einer demokratischen Gesellschaft offen darüber diskutiert werden, wie wir mit den großen Veränderungen durch die Corona-Pandemie umgehen, erklärte Henriette Quade (DIE LINKE), eingangs der von ihrer Fraktion initiierten Aktuellen Debatte. Allerdings hätten gezielt gestreute Falschinformationen, Lügen und das Verbreiten von Verschwörungstheorien nicht das Ziel, die Debatte voranzubringen sich auszutauschen, sondern die Debatte zu manipulieren oder gänzlich zu zerstören. Genau dies wolle die extreme Rechte, betonte Quade. Deren langfristiges Ziel sei es, die Demokratie zu zerstören und ihr eigenes Herrschaftssystem einzusetzen. Das politische System solle mit diesen Demonstrationen bewusst destabilisiert werden, vermutet die Linken-Abgeordnete. 

Anti-Corona-Demonstration in Berlin. Von Mund-Nasen-Schutz und Mindestabstand war da wenig zu sehen. Foto: AdobeStock

„Zuschauen und Hoffen hilft nicht"

Bezüglich der massiven Zunahme von Mobilisierung gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen sagte Quade, dass das Versagen der Sicherheitsbehörden mit den Corona-Leugner-Demos extreme Folgen habe. Die Proteste seien „keine Versammlungen verwirrter Spinner sondern die größten rechtextremen Versammlungen in diesem Land seit Jahren“. Deshalb müsste darauf reagiert werden: „Zuschauen und Hoffen, haben schon bei den rechtextremen Mobilisierungen 2015 nicht geholfen“.

Versammlungsfreiheit ja, aber...

Justizministerin Anne-Marie Keding zeigte Verständnis für die Menschen, die aus Sorge vor Arbeitsplatzverlust rund um die Corona-Pandemie  demonstrieren wollten. Sie habe jedoch kein Verständnis für Menschen, die Ideen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen zwar nicht teilten, aber gemeinsam mit ihnen  demonstrierten.  Außerdem hätten sich egal bei welchen Demonstrationen alle Menschen an die Corona-Sicherheitsmaßnahmen (Abstand, Mund-Nase-Maske) zu halten.

Die meisten Bürger/-innen hätten auch Verständnis für die Infektionsschutzmaßnahmen und hielten sich daran. Diese Menschen erwarteten zu Recht, dass vorsätzliche Verstöße unterbunden und geahndet würden, unterstrich die Justizministerin. „Auch das hohe Gut der Versammlungsfreiheit gebe Niemandem das Recht, das Leben anderer zu gefährden“.

„Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!“

Die rechtsextreme Szene treibe unter dem Logo der Anti-Corona-Querdenker-Proteste ihre eigenen Ideen und Ziele voran. Sie wollten zunächst das „verhasste Merkel-Regime stürzen“ und dann am besten das gesamte parlamentarische System, erklärte Rüdiger Erben (SPD). Viele Querdenker aus dem bürgerlichen Lager hätten sich mittlerweile radikalisiert. Demokratie werde als ein Zustand den es zu überwinden gelte, missachtet und Gewalt werde geduldet. Selbstverständlich hätten unsere demokratischen Grundrechte auch während der Pandemie bestand, so Erben. Aber die Querdenker-Proteste zögen unser parlamentarisches System in Zweifel, konstatierte der SPD-Abgeordnete und forderte: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!“

„Lockdown für Kenia-Koalition“

In Wirklichkeit wollten DIE LINKEN das Ministerium für Staatssicherheit wieder eröffnen, meinte Oliver Kirchner (AfD) eingangs seines Debattenbeitrags. Die Grundrechte würden derzeit massiv beschnitten und dies sei unrecht. Für die Linken gebe es offenbar gute und schlechte Demonstrationen, kritisierte Kirchner und verwies auf die Unterstützung für die „fridays-for-future-Proteste“. Würde es den Linken wirklich um die Sorgen und Nöte der Menschen gehen, hätten sie auch Verständnis für die Anti-Corona-Proteste.

Die AfD-Fraktion werde die friedlichen und friedfertigen Proteste derjenigen weiter unterstützen, die sich gegen die „wahnsinnigen Regierungsmaßnahmen“ richteten. Anders als behauptet, sie die Anti-Corona-Bewegung mittlerweile sehr heterogen und deshalb für die Kenia-Koalition nicht zu kontrollieren. „Wir brauchen keinen Corona-Lockdown sondern einen Lockdown für die Kenia-Koalition und die Schein-Opposition im Parlament, um unser Land wieder auf ein ordentliches  Fundament zu stellen“, so der AfD-Abgeordnete abschließend.

Keine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch

„Alle 16 Sekunden stirbt jemand in Europa an dem Corona-Virus und seinen Folgen. Ich sehe deshalb alle und die Behörden in der Pflicht, weiteren Schaden von der Bevölkerung abzuwenden, betonte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Dafür seien weitereichende Maßnahmen nötig. Über diese dürfe und müsse gestritten werden. Ohne Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sei eine moderne Demokratie nicht denkbar, dennoch müsse jede/r verantwortungsvoll demonstrieren. Eine Meinungsfreiheit ohne Widerspruch gebe es jedoch nicht: „Solange beim Querdenken nur Quark herauskommt, muss mit energischer Widerrede gerechnet werden!“

Immerhin seien 75 Prozent der Bürger/-innen der Meinung, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie angemessen seien.  Es mögen zwar Tausende bei den Querdenker-Demos gewesen sein, aber es gebe Millionen in Deutschland, die einen anderen Kurs wollten. Noch habe die Vernunft die Mehrheit im Land,  sie scheint jedoch etwas „debattenmüde“. Die Grundsätze müssten jederzeit klar sein, so Striegel: „Wissenschaft geht vor Esoterik und Verschwörungstheorie“.

Antrag der Linken sei „unsachliche Katastrophe“

Der Antrag auf die Aktuelle Debatte der Fraktion DIE LINKE sei eine „unsachliche Katastrophe“ und voll von Übertreibungen, kritisierte André Poggenburg (fraktionslos). Dies beginne schon beim Titel, denn es ginge – anders als suggeriert – nicht darum, Corona zu leugnen, sondern den Umgang mit dem Virus zu kritisieren. Außerdem gehe es nicht um „Aufmärsche“, sondern friedliche Proteste und auch nicht um Antisemitismus. Poggenburg meinte der Antrag propagiere „Hass und Hetze“. Die Corona-Kritiker würden jedoch keinen Hass schüren und Menschen verachten, das sei völliger Quatsch. Stattdessen sei es umgekehrt, dass diejenigen, die sich nicht an die „überzogenen Corona-Maßnahmen hielten“, angepöbelt würden. Nach Ansicht von Poggenburg sollte die Polizei bei diesen  Gegendemonstrationen konsequent durchgreifen.

Bürger die nicht demonstrieren, nicht gefährden

„Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut“, das gelte auch in Zeiten von Corona, erklärte Chris Schulenburg (CDU). Die Bewertungen des Demonstrationsgeschehens in Leipzig  gingen weit auseinander und man sollte dies lieber den Kollegen in Sachsen überlassen. Dennoch könne er die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen nicht nachvollziehen. Seiner Ansicht nach hätte die Polizei in Leipzig von Anfang an keine Chance gehabt, die Corona-Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Alle Bürger/-innen, die nicht an so einer Demonstration teilnehmen, hätten allerdings ein Recht darauf, dass sie nicht durch diese Demonstrationsteilnehmer gefährdet würden.

Am Ende der Aktuellen Debatte wurden keine Beschlüsse gefasst.