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Plenarsitzung

Gesundheitskonferenzen in Sachsen-Anhalt

15. Jul. 2020

Eine Enquete-Kommission im Landtag soll Maßnahmen erarbeiten, um die Gesundheitsvorsorge und Pflege in Sachsen-Anhalt nachhaltig abzusichern. Gesundheitskonferenzen und -regionen standen am Mittwoch, 15. Juli 2020, auf der Agenda einer Anhörung.

Die Leistungserbringung im Gesundheitssektor sei in Deutschland stark fragmentiert und nur unzureichend strukturiert, zitierte Kommissionsvorsitzender Swen Knöchel zur Einführung in die Anhörung aus einer Studie der OECD. Viele Informationen gingen verloren, weil es keine einheitlichen digitalen Patienteninformationen gebe, die Zusammenarbeit der einzelnen Stellen sei schwach, so die Einschätzung der OECD. Informationen zur medizinischen Notfallversorgung, zur Stärkung der Gesundheitsberufe, zur telemedizinischen Gesundheitsversorgung und zu Konsequenzen in der Behandlung waren von den Angehörten erbeten worden.

Die Anhörung der Enquete-Kommission fand im Plenarsaal des Landtags statt. Foto: Stefan Müller

Wortmeldungen aus der Anhörung

In Sachsen-Anhalt gebe es bereits eine Gesundheitskonferenz, lobte Gaby Schütte von den Fachgruppen Gesundheits- und Pflegekonferenzen im Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. In NRW gebe es diese nicht nur auf Landes-, sondern auch auf kommunaler Ebene. So sollen die Kommunen vor Ort im Sinne der Gesundheitsförderung gestärkt werden. Die Landesgesundheitskonferenz tage in der Regel einmal im Jahr, hier seien auch kommunale Vertreter beteiligt. Es gehe darum, Kooperationsstrukturen zu schaffen und die vielen unterschiedlichen Institutionen und Patienten an Entscheidungen zu beteiligen. Die Konferenzen widmen sich allen Themen aus dem Gesundheitsbereich, Schwerpunkte seien beispielsweise „Gesundheit im Alter“, „Prävention“ und „Versorgung von Geflüchteten“ gewesen. Die Geschäftsstellen befäinden sich nach zwanzig Jahren derzeit in einem Generationswechsel, so Schütte, die Strukturen hätten sich allerdings bewährt. Den Kommunen eine solche Konferenz zu gewähren, sei zu begrüßen.

Dezernentin Kathrin Rösel aus dem Altmarkkreis Salzwedel berichtete von einem Gesundheitsfachtag im November 2019. Ausgangspunkt des Fachtags sei gewesen, dass im Altmarkkreis Salzwedel fünfzehn Hausarztstellen unbesetzt gewesen seien. Dies bedeutete, dass schätzungsweise 24 000 Menschen nicht hausärztlich versorgt gewesen seien, also etwa ein Viertel der Bevölkerung. Ziel sei gewesen, mit einem Maßnahmenkatalog aus diesem Fachtag herauszukommen, der anschließend auch umgesetzt werden sollte, so Rösel. Nach drei Impulsvorträgen sei man in Beratungen in drei Arbeitsgruppen eingestiegen und habe tatsächlich zahlreiche Maßnahmen entwickelt. Darunter ein Stipendienprogramm, um junge Menschen, die Medizin studieren und sich verpflichten, anschließend zurückzukehren, finanziell zu unterstützen. Auch die Mediziner selbst verpflichteten sich, ein Mentorenprogramm einzuführen, um junge Menschen als Nachfolger im Beruf zu gewinnen. Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung soll ebenfalls vorangebracht werden. „Es klappt nur, wenn man wirklich zusammenarbeitet“, betonte Rösel abschließend.

Grundsätzlich gebe es einen guten Zugang zur Gesundheitsversorgung, sagte Dr. Patricia Ex, Geschäftsführerin des Bundesverbands Managed Care e. V. Das System als solches falle in der Bewertung dagegen nicht so gut aus. Hier stehe Wirtschaftlichkeit versus Qualität. Es gebe wenig Transparenz und Monopole in der Versorgung. Das System sein enorm reformbedürftig, sagte Ex. Man müsse sich um die Unterversorgung, die schwindenden Versorgungsstrukturen, die sich wandelnden Qualitäten des Gesundheitspersonals und die geringe Kooperation zwischen den verschiedenen Fachbereichen kümmern. In einer Hausarztpraxis würden täglich im Schnitt 52 Patienten versorgt, neben echten medizinischen Entscheidungen würden auch Aufklärung, Information und persönlicher Austausch geleistet. Hier könnten allerdings auch nichtärztliche Gesundheitskräfte zum Einsatz kommen. Theoretisch gebe es genügend Pflegekräfte, doch „die Arbeitsbedingungen scheuchen die Menschen aus ihrem Beruf in der Pflege“, sagte die Geschäftsführerin von Managed Care. Es gehe also nicht unbedingt um den Gewinn neuer Kräfte, sondern es müsse mehr dafür getan werden, die ausgebildeten Kräfte im Beruf zu halten bzw. ausgestiegene Fachkräfte zurückzugewinnen – auch durch angemessene Löhne. Das System könne nur funktionieren, wenn die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes berücksichtigt würden, so Patricia Ex.

Jörg Heinrich vom LandespflegeratSachsen-Anhalt widmete sich in seinen Ausführungen den beiden Bereichen Personal und Struktur im Gesundheitsbereich. „Wir brauchen eine verbindliche Personalregelung“, forderte Heinrich, die Personaluntergrenzenverordnung führe bisweilen zu einem Betreuungsdilemma und reiche als Regelung nicht aus. Bei der Gewinnung von qualifizierten ausländischen Pflegekräften würden den Einrichtungen unnötige Hürden in den Weg gelegt, die nicht mehr zeitgemäß seien. Wenn die Bewerber zum Teil einen Bachelor- oder Masterabschluss (aus der heimischen Universität) im Pflegebereich vorwiesen, reiche das, um auch Patienten in Deutschland zu behandeln, versicherte Heinrich. Gelobt wurde die generalistische Ausbildung in der Pflege. In der Qualifizierung der Fachkräfte müssten noch breitere Wege gegangen werden. Dies betreffe unter anderem die Themen künstliche Intelligenz und Robotik – hier gebe es noch viel Berührungsangst, das Thema gehöre bereits in die Ausbildung hinein, so Heinrich. Er warb dafür, die Digitalisierung und die Tarifbindung aller Pflegekräfte voranzutreiben. Natürlich seien bei der Digitalisierung entsprechende Investitionen in Hardware und Software notwendig. Wünschenswert sei auch, Fachkräfte einzustellen, die die Mitarbeiter/innen für neue digitale Möglichkeiten fitmachten. Für die bessere Organisiertheit des Sektors empfehle sich die Gründung einer Pflegekammer mit Qualitätssicherungsaufgaben und Interessenvertretung der Beschäftigten für Sachsen-Anhalt.

Es sei wünschenswert, auch den Menschen im ländlichen Raum eine gleichartige und gleichwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten, erklärte Dr. Olaf Müller, Geschäftsführer der Carus Consilium Sachsen GmbH. Man kämpfe gegen eine abnehmende Strukturqualität der medizinischen Versorgung, darunter auch viele geschlossene Apotheken. Schnelle Lösungen werde es nicht geben, so Müller, aber man probiere neue Möglichkeiten aus, so auch neue Formen der ärztlichen Versorgung. Einer der Schwerpunkte sei die digitale telemedizinische und telenotärztliche Versorgung. Die Menschen – sowohl die Patienten als auch die Mediziner – müssten an die technologischen Neuheiten herangeführt werden. Die Rahmenbedingungen seien eigentlich gegeben, man müsse es nur wagen, sie auch auszufüllen. Telemedizin berge viele Vorteile, sagte Müller.

Vernetzung sei ein wichtiges Stichwort für die Gesundheitsversorgung im Land, betonte Steffi Suchant von der Techniker Krankenkasse (Landesvertretung Sachsen-Anhalt). Allein deren Ausbreitung lasse zu wünschen übrig. Zwei Hürden seien zu nehmen: Die Vergütungssysteme im ambulanten und stationären Bereich müssten angepasst werden; Vergütung hänge bisweilen nicht von der Qualität, sondern vom Ort der Leistungserbringung ab. Es müsse darüber hinaus gelingen, die Kommunikation der verschiedenen Institutionen digital auf Augenhöhe zu betreiben, darunter fielen nicht nur Ärzte und Krankenhäuser, sondern auch Einrichtungen der Pflege, der Rehabilitation und der Heilberufe.

Die Durchführung von Gesundheitskonferenzen gehöre nicht unbedingt zu den kommunalen Aufgaben, sagte Michael Struckmeier, stellvertretender Geschäftsführer des Landkreistags Sachsen-Anhalt, es fehlten die finanziellen, rechtlichen und gestalterischen Mittel, um Wünschenswertes im Gesundheitssektor auch durchzusetzen. Hier müssten die politischen Akteure mit Entscheidungsgewalt ins Boot geholt werden, diese seien am ehestens im Bund zu finden, weniger im Land, aber nicht in den Landkreisen oder Kommunen. Gesundheitskonferenzen könnten Versorgungsprobleme im Gesundheitssektor zwar darstellen, aber heilen könnten sie sie nicht, die Kommunen wären hierzu rechtlich und finanziell schlichtweg nicht in der Lage, erklärte Struckmeier.

Die Enquete-Kommission wird sich in der noch vor ihr liegenden Arbeit weiter mit dem ihr gestellten Ziel beschäftigen. Weitere aktuelle Informationen und Termine erhalten Sie auf der Internetseite des Landtags.