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Plenarsitzung

Keine Einigkeit beim Thema Windenergie

22. Nov. 2019

Mit der Ankündigung der Enercon GmbH, in Magdeburg mindestens 1 500 Stellen im Stammbetrieb und bei den Tochterfirmen abzubauen, erlebe Sachsen-Anhalt zum zweiten Mal den Abbau einer Zukunftstechnologie. Um über die Folgen für die betroffenen Familien und die Region Magdeburg als Wirtschaftsstandort für Windkrafttechnologie zu sprechen, hatte die SPD-Fraktion eine Aktuelle Debatte beantragt.

Die angekündigten Massenentlassungen beim Windenergieanlagenhersteller Enercon seien ein Desaster für die Betroffenen und die Region, befindet die Fraktion DIE LINKE. Der Landtag solle sich solidarisch an deren Seite stellen. Dieser neuerliche Vorgang des Abbaus von Arbeitsplätzen nach der Inanspruchnahme von Wirtschaftsförderung solle zum Anlass genommen werden, die Ausreichung von Fördermitteln deutlich effektiver an den Erhalt von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung im Land Sachsen-Anhalt zu knüpfen, heißt es in einem Antrag der Fraktion, der parallel zur Aktuellen Debatte beraten wurde.

Wie geht es weiter mit dem Unternehmen Enercon, einem der wichtigsten deutschen Windkraftanlagenhersteller? Darüber diskutierten die Landtagsabgeordneten im Novemberplenum. Foto: Windstrom Vindvet

Vielfältige Gründe für Enercon-Krise

Es sei ein „bitterer Befund“, dass vor 30 Jahren Manager aus dem Westen die Firmen in Sachsen-Anhalt abgewickelt hätten und heute Firmen im Osten wegen der Untätigkeit einiger Landespolitiker im Westen abgewickelt würden, konstatierte Dr. Falko Grube (SPD). Denn die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg hielten sich beim Ausbau der Windenergie weiterhin vornehm zurück, sie wollten zwar Strom, aber keine Windräder und auch keine Leitungen. „Es ist eine Fehlleistung der Bundesrepublik im Klimapaket, dass das weiter möglich ist!“, so der SPD-Abgeordnete. 

Aber auch in Sachsen-Anhalt selbst hätte man seine Hausaufgaben nicht gemacht und sei beim „Repowering“ nicht ausreichend vorangekommen. Zudem kritisierte Grube die AfD-Fraktion: Sie hätte mit ihrer ständigen Kritik an der Windkraft und dem Leugnen des Klimawandels eine Mitschuld am Wegfallen der Windenergie-Arbeitsplätze bei Enercon. In bestimmten Kreisen stünde die Abkürzung AfD deshalb schon für „Arbeitslosigkeit für Deutschland“.

In der jetzigen Situation habe die SPD-Fraktion drei Forderungen, sagte Grube. Zum Ersten soll die Landesregierung die Angestellten von Enercon unterstützen, einen neuen Job zu finden. Zum Zweiten soll Enercon seine Verantwortung für all seine Angestellten (auch die Zulieferer) übernehmen. Zum Dritten müsse die Bundesregierung den Angestellten von Enercon genauso unter die Arme greifen wie den Menschen im Braunkohlegebiet.

Krise in Windenergie muss überwunden werden

Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erklärte in Vertretung von Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann: „Die Ankündigung von Enercon ist ein schwerer Schlag für Magdeburg und das gesamte Land.“ Die Krise sei zudem ein Alarmsignal für alle, die sich um die Klimawende bemühten, denn es gehe letztendlich auch um die Energiesicherheit. Gleichzeitig kritisierte sie die Firmenstruktur von Enercon, die ein Beispiel dafür sei, wie versucht werde, die Mitbestimmung von Angestellten zu verhindern.

Immerhin habe Enercon nun zugesichert, ihre Partnerbetriebe für entgangene Aufträge ausreichend zu entschädigen, damit diese ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Beschäftigten (Sozialpläne) nachkommen könnten. Um die Krise in der Windenergie zu überwinden, sei eine Bund-Länder-Strategie nötig, in der verlässliche Flächen ausgewiesen würden. Außerdem brauche es die Flexibilisierung der Abstandsregelungen und neue Genehmigungsverfahren für das „Repowering“. Die Ministerin verwies zudem darauf, dass die naturschutzrechtlichen Vorgaben standardisiert werden müssten.

Rückschlag für Maschinenbautradition

„Es ist ein Rückschlag für die Tradition des Maschinenbaus in der Stadt Magdeburg“, stellte Thomas Lippmann (DIE LINKE) fest. Enercon übernehme weder eine soziale Verantwortung gegenüber seinen Beschäftigten noch gegenüber der Stadt Magdeburg oder dem Land. Lippmann erinnerte daran, dass Enercon schon öfter im Landtag kritisiert wurde: Für seine enorme Zahl an Leiharbeitern, für die Behinderung von Betriebsräten, für seine Lohnpolitik und für die Auslagerung seiner Produktion in Tochterunternehmen. Seiner Ansicht nach sollten solche Unternehmen zukünftig nicht mehr vom Land gefördert werden.

Allerdings trage das Unternehmen nicht die alleinige Schuld, denn natürlich spielten auch die schlechten politischen Rahmenbedingungen für die Windenergie eine große Rolle. Es gebe Lösungen für die Probleme beim Ausbau der Windenergie, „man muss nur anpacken wollen“, betonte der Fraktionsvorsitzende der Linken. Er forderte ein Maßnahmenpaket von der Landesregierung und verwies auf den eingebrachten Antrag seiner Fraktion.

Aus der Aktuellen Debatte um die Firma Enercon im Landtag von Sachsen-Anhalt wurde eine Grundsatzdebatte zur Klimawende. Foto:

Kritik an Firmenpolitik von Enercon

Ulrich Thomas (CDU) wies darauf hin, dass Enercon in den 1990er Jahren „so etwas wie ein Glücksfall für die Landeshauptstadt Magdeburg“ gewesen sei. Das schnelle Wachstum des Unternehmens sei jedoch von enormen Fördermitteln der damals rot-grünen Bundesregierung begünstigt worden. Allein die Sperrigkeit der Windräder habe die Industrie lange Zeit vor ausländischer Konkurrenz geschützt, sonst hätte es vermutlich schon früher Probleme gegeben, erläuterte der CDU-Abgeordnete. In dieser Phase hätten Enercon und die gesamte Windenergiebranche zu lange verharrt und sich nicht um Neuerungen bemüht.

Seine Fraktion habe immer vor dieser Entwicklung gewarnt, insbesondere bei den gleichzeitig stetig steigenden Energiepreisen. Diese seien nicht nur für die Bürger problematisch, sondern auch für Unternehmen. Damit der Anstieg gestoppt werden könne, müssten die regenerativen Energien ins Gesamtsystem integriert werden. Des Weiteren kritisierte Thomas die Firmenpolitik von Enercon. Das Unternehmen habe zwar die Fördermittel und Infrastrukturmaßnahmen gerne angenommen, aber die Steuergelder seien immer in den Firmensitz nach Ostfriesland geflossen.

Arbeitsplatzverlust möglich in Marktwirtschaft

Eine Industrie müsse aus eigener Kraft zukunftsfähig und dürfe nicht von Fördermitteln abhängig sein, die Windenergie gehöre nicht dazu, erklärte Oliver Kirchner (AfD). Beim Thema Enercon ginge es SPD, Linken und Grünen vermutlich nicht wirklich um die Angestellten, sondern um die grundsätzliche Energiewende. Er könne die Forderung nach vereinfachten Regelungen zum Aufstellen von Windenergierädern nicht verstehen, denn es gebe mehr als 1 000 Bürgerinitiativen gegen diese Industrie.

Enercon sei es nicht gelungen, die Produktion auf den Export auszurichten, obwohl früh klar gewesen sei, dass der Bedarf in Deutschland nicht endlos sei, beklagte der AfD-Fraktionsvorsitzende. Die Forderung der Linken nach einer anderen Förderpolitik in Sachsen-Anhalt könne die AfD-Fraktion durchaus mittragen, eine grundsätzliche klimapolitische Wende lehnte Kirchner jedoch ab. Außerdem, ergänzte er, lebe man in einer Marktwirtschaft und da gehöre es leider dazu, dass ab und zu Arbeitsplätze wegfielen und an anderer Stelle wieder geschaffen würden. Die Arbeitsagentur Magdeburg sehe relativ gute Jobmöglichkeiten für die Enercon-Angestellten, natürlich müssten sie bei der Neuorientierung unterstützt werden.

Katastrophale Rahmenbedingungen sind schuld

Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unterstrich, dass die Energieversorgung der Menschheit in 50 Jahren ganz anders aussehen werde als heute. Deshalb sei es wichtig, Zukunftstechnologien nicht zu ignorieren, sondern möglichst bei sich vor Ort zu haben. Die Kritik an den hohen Subventionen für die Windenergie sei nicht berechtigt, erklärte Meister. Stattdessen sei die „katastrophale Rahmensetzung der derzeitigen Bundesregierung“ schuld an der Situation: Einerseits den Ausstieg aus der Braunkohle zu beschließen und andererseits den Ausbau der regenerativen Energie zu erschweren, gefährde den Wirtschaftsstandort erheblich, so Meister.

Seine Fraktionskollegin Dorothea Frederking sprach von einer „Katastrophe mit Ansage“. Dieses Jahr produziere Deutschland etwa 1 000 Megawatt Windenergieleistung On-Shore; 4 700 Megawatt wären jedoch erforderlich, um die Klimaziele der Bundesregierung bis zum Jahr 2030 zu erreichen, und sogar 8 000 Megawatt für die Pariser Klimavereinbarungen. Diese Zahlen bewiesen deutlich, dass ein Ausbremsen der Windenergie „unverantwortlich“ sei. Die Grünen-Abgeordnete erklärte weiter: „Mehr Windenergie erfordert mehr Fläche, das gilt für alle Bundesländer!“ Man könne den Aufbruch nicht fordern und ihn selber nicht vollziehen, dies gelte insbesondere für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

Ergebnisse der Debatte

Am Ende einer Aktuellen Debatte werden naturgemäß keine Beschlüsse zu Sache gefasst. Der parallel beratene Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung (federführend) sowie in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (mitberatend) überwiesen.