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Plenarsitzung

Jugend-Demos Thema einer „Klima-Debatte“

Auf Antrag der Fraktion DIE LINKE sollte der Landtag das Anliegen der „Fridays for Future“-Demonstrationen unterstützen und seine Wertschätzung für das staatsbürgerliche Engagement der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausdrücken. Der Landtag soll sich von denjenigen distanzieren, die den vom Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Zudem seien Sanktionen wegen der Verletzung der Schulpflicht ungeeignet, um mit dem Anliegen der Schülerinnen und Schüler verantwortungsvoll umzugehen, sie sollten daher unterbleiben.

Seit Monaten demonstrieren junge Menschen rund um den Globus für die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Klimawandel; so auch hier in Kassel am 1. Februar 2019. Foto: C. Suthorn

Demonstrierende sind keine Schulschwänzer

Die von der jungen Schwedin Greta Thunberg ins Leben gerufene Aktion „Fridays for Future“ fordere mittlerweile weltweit Rechenschaft von uns allen, konstatierte Thomas Lippmann (DIE LINKE). Die Demonstranten forderten die Einhaltung des Pariser Klimaschutzvertrags, die Bundesregierung tue jedoch zu wenig, um diese Ziele zu erreichen, so Lippmann. Die „Fridays for Future“-Demonstrationen setzten zudem ein Zeichen gegen Nationalismus und Abschottungspolitik – deshalb würden sie, gerade von rechts, so sehr attackiert.

„Die Kinder und Jugendlichen üben unerschrocken und unnachgiebig Kritik an der Gefälligkeitspolitik gegenüber den Energiekonzernen. Sie wollen gehört und ernst genommen werden, und sie wollen, dass sich etwas ändert“, lobte Lippmann. Statt konkrete Gesprächsangebote zum Klimaschutz anzubieten, würden Kritiker lieber abwertend „Schulschwänzer!“ rufen. Aber für den – durch fehlende Lehrkräfte – nicht erteilten Regelunterricht in Sachsen-Anhalt könnten jeden Freitag problemlos 60 000 Schüler den ganzen Tag demonstrieren.

Die Jugendlichen hielten einen Spiegel vor, in den die Regierenden nicht schauen wollten. „Die jungen Leute, die an den Protesten teilnehmen, sind keine Schulschwänzer, auch für sie gilt das im Grundgesetz versicherte Demonstrationsrecht“, betonte Lippmann. Der Fraktionsvorsitzende der Linken forderte die Mitglieder der Landesregierung auf, den Demonstrierenden eine ernsthafte Debatte über den Struktur- und Klimawandel anzubieten.

Jetzt mit Demonstranten ins Gespräch kommen

Er sei mit seinen Bildungsminister-Kollegen einig, dass Schulpflicht Schulpflicht sei – „und die sollten wir auch einhalten“, betonte Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Schule solle sich relevanten Themen widmen, „wir sollten einmal reflektieren, mit welchen sich im Unterricht schon beschäftigt wird“. Die öffentliche Aufmerksamkeit sei durch die Klimademonstranten nun erzielt – jetzt solle man ressortübergreifend ins gemeinsame Reden kommen, empfahl der Minister.

Technologie „made in Germany“ soll Weg ebnen

Die „Fridays for Future“-Demonstrationen zeigten, dass die Jugendlichen sich um ihre Zukunft sorgten, sie zeigten sich als kritische Jugend, so Dr. Falko Grube (SPD). Das Thema Schulschwänzen sei in Bezug auf die Demonstrationen deutlich überdimensioniert, denn das Anliegen der Schülerinnen und Schüler sei berechtigt. Die Jugendlichen nutzten sehr geschickt die Aufmerksamkeitsmechanismen der heutigen Mediengesellschaft – denn welche Medien interessierten sich dafür, wenn die Demonstrationen nicht unter den gegebenen Bedingungen stattfänden?, fragte Grube.

Er sprach sich für einen Dialog mit den jungen Menschen auf Augenhöhe auch im Parlament aus. Man müsse einen gesamtgesellschaftlichen Weg finden, die ökologisch notwendigen Maßnahmen in eine soziale Balance zu bringen. Deutschland könne sich beim Thema Klimaschutz als Maßstab für die Menschen in der Welt präsentieren. Man könnte zeigen, wie Wohlstand auf einem Weg zu erhalten sei, bei dem die Welt nicht vor die Hunde gehe. Technologie „made in Germany“ solle diesen Weg ebnen, so Grube.

Lieber mehr in Bildung investieren

Das schwedische Mädchen Greta Thunberg würde von ihren Eltern instrumentalisiert, vermarktet und ausgenutzt, meinte Lydia Funke (AfD). Dafür die Schulpflicht in Frage zu stellen, das könne nicht im Sinne unserer Gesellschaft sein und widerspreche auch der Verfassung. Es wäre sinnvoller, gegen Lehrermangel und Unterrichtsausfall auf die Straße zu gehen.

Die „Fridays for Future“-Demonstrationen seien mittlerweile von linksextremistischen Strömungen unterwandert, sagte Funke. Viele der jüngeren Schüler wüssten nicht einmal, was der Begriff Kohleausstieg überhaupt bedeute – ein Zeichen dafür, mehr in Bildung zu investieren.

Konzepte gegen die Klimakatastrophe

Die Jugendlichen hätten es geschafft, dass die zentrale Frage des 21. Jahrhunderts, der Klimaschutz, in aller Munde sei, lobte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Deutschland sei die viertreichste Industrienation der Welt, daraus erwüchsen Pflicht und Schuldigkeit, Vorreiter im Klimaschutz zu sein. Die Grünen arbeiteten seit über 30 Jahren an Konzepten gegen die Klimakatastrophe, angefangen bei neuen Verkehrskonzepten und alternativen Antrieben.

Die Klimafrage sei auch die soziale Frage des 21. Jahrhunderts: Man müsse jetzt endlich etwas tun, sonst würden sich die kommenden Generationen nicht mehr nur fragen, wie man gut leben könne, sondern wie man überhaupt noch leben könne. Stahlarbeiter, Gewerkschaftler und viele andere gingen doch auch nicht am Wochenende auf die Straße, warum sollten es also die Schülerinnen und Schüler tun?, fragte Lüddemann. „Das ist doch Quatsch!“ Wenn die Verantwortlichen wirklich etwas täten, dann bräuchten die jungen Leute auch nicht mehr auf die Straße zu gehen.

Verletzung der Schulpflicht muss aufhören

Zunächst sei der politische Dialog über wichtige Inhalte immer positiv zu sehen, weswegen ihre Fraktion für eine Überweisung in den Ausschuss plädiere, betonte Angela Gorr (CDU). Das Klima habe sich schon immer gewandelt, der Anteil der Industrie sei ungleich höher als der der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund müssten die zivilisatorischen Errungenschaften gegebenenfalls auf den Prüfstand gestellt werden.

Die Demonstrantinnen und Demonstranten verstießen gegen die Schulpflicht, so Gorr, es sei daher gut, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit diesem Faktum auseinandersetzten. Der moralische Appell sei gerechtfertigt, die dauerhafte Verletzung der Schulpflicht müsse aber eingestellt werden, so Gorr.

Schmierenkomödie, Affentheater

Der Fraktionsvorsitzende der Linken habe zum „kollektiven Rechtsbruch“ aufgerufen, „das ist verantwortungslos“, erklärte André Poggenburg (fraktionslos). Man müsse über den Klimawandel sprechen, das Thema sei für die Schmierenkomödie, das Affentheater jeden Freitag aber zu wichtig, eine echte Diskussion werde dadurch abgewürgt. Wie würde man reagieren, wenn die Jugendlichen jeden Montag gegen „Multikulti und Messermigration“ demonstrieren wollten?, fragte sich der fraktionslose Abgeordnete.

Ergebnis

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse für Bildung und Kultur (federführend) sowie für Umwelt und Energie (mitberatend) überwiesen.