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Plenarsitzung

Das Für und Wider der „Kleinen Bauvorlage“

Der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr hatte sich in einer seiner vorangegangenen Sitzungen darauf verständigt eine Anhörung zum Thema „Kleine Bauvorlageberechtigung für Meister und Techniker“ durchzuführen. Diese fand am Donnerstag, 14. März 2019, statt. Dem war ein vom Plenum im September 2018 in den Ausschuss überwiesener Antrag der AfD-Fraktion vorausgegangen, der zur Stärkung des Handwerks in Sachsen-Anhalt beitragen soll.

Durch den Antrag soll die Landesregierung aufgefordert werden, eine Änderung der Bauordnung des Landes zu erarbeiten, um Meistern des Maurer-, Beton- und Zimmererhandwerks sowie staatlich geprüften Technikern der Fachrichtung Bautechnik nach einer nachgewiesenen baufachlichen Weiterbildungsmaßnahme eine eingeschränkte Bauvorlageberechtigung zu gestatten. Diese angestrebte Berechtigung ermöglichte es den genannten Meistern und Technikern, Bauvorlagen für einen eingeschränkten Katalog kleinerer Baumaßnahmen zu erstellen – wie beispielsweise für Ein- und Zweifamilienhäuser oder eingeschossige Gewerbebauten –, ohne einen Architekten hinzuziehen zu müssen.

Aus den Wortmeldungen der Angehörten

Der verfassungsrechtliche Rahmen bei der Ausgestaltung der Bauvorlageberechtigung sei relativ weit gefasst, erklärte Stefan Kraus vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowie der ARGEBAU-Fachkommission Bauaufsicht. In Sachsen-Anhalt sei die Bauvorlage aber bisher Architekten und Bauingenieuren vorbehalten. Das Recht der sogenannten „Kleinen Bauvorlageberechtigung“ gebe es – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – in Sachsen-Anhalt nicht. Dafür sei, beispielsweise in Bayern, eine Zusatzqualifikation/Prüfung abzulegen. Erweitere man die Berechtigung für eine neue Gruppe, könne das freilich Auswirkungen auf Auftragslage bei den bisherigen Berechtigten haben, legte Kraus dar. Zu einer Häufung von Bauschäden (nach mangelhaften Vorlagen) sei es in der Folge aber bisher nicht gekommen.

Peter Schühly vom Verein der Techniker e. V. kritisierte die „Diskriminierung der Meister“ in Deutschland, insbesondere in jenen Bundesländern, in denen es die nun angestrebte Berechtigung nicht gebe. Kirchen, die vor tausend Jahren gebaut worden seien, „stehen auch heute noch – auch ohne Architekten“, betonte Schühly. Es sei nicht notwendig, dass bei jedem kleinen Umbau – beispielsweise an einer Scheune im ländlichen Raum – ein kosten- und zeitintensiver Plan vom Architekten eingeholt werden müsse.

Es gebe im Baurecht in Sachsen-Anhalt eine Ermächtigungsregelung, durch die Bauordnungsämter in Einzelfällen beispielsweise auch Handwerksmeistern eine Bauvorlageberechtigung einräumen dürften, stellte Dipl.-Ing. Eckhard Lambrecht, Vorsitzender des Landesverbands beratender Ingenieure Sachsen-Anhalt, klar. Aus dieser Sicht sei eine Änderung des Gesetzes in Sachsen-Anhalt nicht notwendig. Durch eine ausgeweitete Freigabe der Bauvorlageberechtigung könnte es zur Aushöhlung des Grundsatzes der Trennung von Planung und Ausführung eines Bauvorhabens kommen, gab Lambrecht zu bedenken. Zu klären wäre auch die Frage der Versicherung: „Wer haftet wofür?“ Aus Sicht der Versicherungswirtschaft sei eine Doppelversicherung für Planung und Ausführung aus einer Hand nicht möglich, so Lambrecht.

Es gebe keinen Handlungsbedarf, die Rechtsgrundlage zu ändern, erklärte Peter Weiß vom Landkreistag sowie für den Städte- und Gemeindebund. Vor einer gesetzlichen Veränderung solle genau geprüft werden, an welche Voraussetzungen die kleine Bauvorlageberechtigung geknüpft werden solle (Größe der Bauten, Arbeitsschutz). Die kommunalen Spitzenverbände trügen Sorge, dass die Qualität der Bauvorlagen schwächer würde und Mängel zu noch längeren Genehmigungsverfahren führen könnten.

„Sachsen-Anhalt verfüge über eine moderne Bauordnung, es bedarf also keiner gesetzlichen Veränderung“, erklärte Dipl.-Ingenieur Jörg Herrmann, Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt. Bisher seien studierte und berufserfahrene Architekten und Ingenieure bauvorlageberechtigt, hinzu kämen Einzellfallentscheidungen. Die Ingenieur- und Architektenkammern sprechen sich einheitlich für die Beibehaltung der Regelungen auf Basis der Musterbauordnung aus, so Herrmann. Die Einführung der kleinen Bauvorlage wäre dagegen ein Schritt zurück und führte zu einer weiteren Zersplitterung des Bauordnungsrechts in der Bundesrepublik. Es würde kein höheres Bauvolumen akquiriert, stattdessen werde der Wettbewerbsdruck auf hiesige Betriebe noch erhöht, weil beispielsweise auch vergleichbare Unternehmen EU-weit zu berücksichtigen wären.

Eine gleichwertige sei nicht zwangsläufig auch eine gleichartige Ausbildung, die Breite der Kompetenzen von Bachelor-Architekten und Handwerksmeistern seien nicht vergleichbar, erklärte Prof. Axel Teichert, Präsident der Architektenkammer Sachsen-Anhalt. Auch seien das Baugewerbe von früher  (große Kirchenbauten) und heute (hochmoderne Bauten) in Sachen Baumaterial und gesetzlicher Regelungen nicht vergleichbar. Bei einer Trennung von Planung und Ausführung seien die Verbraucher rechtlich bessergestellt, betonte Teichert. Der Verzicht auf einen unabhängigen Planer führe mitnichten zu einer Herabsenkung der Baukosten. Das qualitätssichernde Sechs-Augen-Prinzip solle aufrechterhalten und die geltende Bauordnung nicht geändert werden.

Das berufliche Risiko und dessen Absicherung veränderte sich signifikant, wenn Handwerksmeister und Techniker (aber auch Architekten) zugleich planen und ausführen dürften, erklärte Dr. Sarah Meckling-Geis vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Für den Planungsteil eines Bauvorhabens bestünde keine ausreichende Haftungsversicherung mehr. Planung und Ausführung müssten für eine entsprechende Versicherung weiterhin voneinander getrennt bleiben, betonte Meckling-Geis. Auch die „Planung ohne Ausführung“ sei problematisch, wenn die Planungsarbeiten außerhalb der üblichen Betriebshaftpflicht liegen (Beispiel: Installateur plant gleich noch die Fliesenarbeiten).

Zwar könne ein Handwerksmeister für mehrere Hunderttausend Euro ein Mehrfamilienhaus sanieren, wenn man aber ein kleines Gartenhäuschen für Möbel und einen Pkw-Stellplatz bauen wolle, müsse es einen Architekten und Baugenehmigungen geben, kritisierte Thomas Keindorf, Präsident der Handwerkskammer Halle (Saale). Dies sei eine Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber, insbesondere, da es in anderen Bundesländern Lösungen dafür gebe, so Keindorf. Die Handwerkskammer Halle (Saale) spreche sich für die Einführung der kleinen Bauvorlageberechtigung aus.

„Die Einführung der kleinen Bauvorlagenberechtigung wäre kein Schritt zurück, sondern nach vorn zu einer einheitlichen Bauordnung“, betonte Romy Meseberg, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer Magdeburg. Es sei in Sachsen-Anhalt an der Zeit, den hiesigen Meistern die gleichen Kompetenzen zuzusprechen wie den westdeutschen Handwerksmeistern. Es seien keine Fälle bekannt, in denen Handwerksmeister Vorlagen eingereicht hätten und nach deren Umsetzung Mängel festzustellen gewesen wären. Die Musterbauordnung sei nicht in Stein gemeißelt, sie könne an neue Bedingungen angepasst werden. Der Bauberuf müsse attraktiver gestaltet werden, um dem Fachkräftebedarf langfristig gerecht zu werden. Meseberg nahm die Befürchtung, auch EU-Fachkräfte würden in den Wettbewerb einstellen: Nur der deutsche Handwerksmeister sei ausbildungstechnisch in der Lage, die kleine Bauvorlage einzureichen.

„Wir wollen die beste Qualität zu einem fairen Preis, da ist es egal, wer für die Planungsarbeiten verantwortlich ist“, erklärte Ronald Meißner vom Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt e. V. hinsichtlich der Vergabe von Bauaufträgen. Grundsätzliche wolle man Erleichterungen für den Markt unterstützen, aber: „Was will man denn eigentlich mit der kleinen Vorlage?“, fragte Meißner. „Welche Qualitäten müssen sichergestellt werden?“ Aus der Anhörung nehme er mit, zukünftig immer darauf zu achten, die Planung immer von der Ausführung eines Bauvorhabens zu trennen.

Dieter Lehmann (Dieter Lehmann Architekturbüro), selbst seit 37 Jahren als freischaffender Architekt tätig, trat in der Anhörung für die Zunft der Handwerksmeister ein. Bis heute sei es leider nicht gelungen, das Baurecht in Deutschland zu vereinheitlichen. In der Handwerksausbildung und im Meisterlehrgang werde sehr ausführlich auf die Bauplanung und die nötigen Bauvorlagen eingegangen, betonte Lehmann. Für geringfügige oder technisch einfache Bauvorhaben (Wohngebäude oder gewerbliche Gebäude sowie Garagen und landwirtschaftliche Gebäude unter 200 Quadratmetern) bedürfe es laut Musterbauordnung keines Architekten; diese Formulierung gebe es in der Bauordnung Sachsen-Anhalts allerdings nicht. Hier gebe es lediglich die Einzelfallprüfung.

„Durch Prüfungen und Weiterbildungen sind wir zur Bauvorlageberechtigung befähigt, wir dürfen sie nur nicht vorlegen“, sagte Christian Lellau, Handwerksmeister und Inhaber eines Baudenkmalpflege-Unternehmens. Eine Lehre im Bauhandwerk sei nicht attraktiv, solange man am Ende im Grunde nur dazu berechtigt sei, eine Mülltonnenumfassung zu errichten, obwohl die Fähigkeiten sehr viel umfänglicher seien, monierte Lellau. Bereits in der Lehre erführen die Schülerinnen und Schüler des dualen Bildungssystems (bestehend aus den drei Säulen Berufsschule, überbetriebliche Ausbildung und Betrieb), wie ein Haus gebaut werde. Lellau kritisierte die bestehende gesetzliche Regelung, die das Monopol der Architekten festige. Die Handwerksbetriebe dagegen würden ausgebremst – „das kann nicht modern sein“. Im niedersächsischen Gesetz werde die berufliche Ausbildung im Handwerk anders bewertet, dies sollte auch in Sachsen-Anhalt so sein.

Der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr wird sich in einer der kommenden Sitzungen noch einmal detailliert mit den Ergebnissen der Anhörung auseinandersetzen. Ziel ist die Erstellung einer Beschlussempfehlung, die dann dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt werden soll.