Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

Bürgerschaftliches Engagement stärken

26. Sep. 2019

Wie sind die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement? Wie viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich und in welchen Bereichen? Wie kann freiwilliges Engagement noch besser unterstützt werden? Diese und viele andere Fragen stellte die SPD-Fraktion in einer Großen Anfrage. Die Antworten der Landesregierung werden nun im Plenum diskutiert. Die Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Landesregierung per Antrag bitten lassen, die interministerielle Arbeitsgruppe „Bürgerschaftliches Engagement“ mit der Erarbeitung einer Engagementstrategie für das Land zu beauftragen.

Etwa jeder Dritte Bürger in Sachsen-Anhalt engagiert sich ehrenamtlich. Die Engagementfelder sind vielseitig von Sportvereinen über Kommunalpolitik bis hin zu Seniorenarbeit. Foto: fotolia.com

Engagement ist wichtige Säule der Demokratie

„Bürgerschaftliches Engagement trägt zentral zur Stärkung unseres Gemeinwesens bei“, betonte Dr. Katja Pähle (SPD). Gemeinwohlorientiertes freiwilliges Engagement sei eine „wesentliche Säule unseres Zusammenlebens und unserer Demokratie“. Zudem biete Engagement die Möglichkeit, Polarisierung zu vermeiden und Entfremdungstendenzen umzukehren. Die Formen des Engagements seien dabei sehr vielseitig. Dennoch dürfe man nicht vergessen: „Ehrenamt braucht Hauptamt, damit es funktionieren kann“.

In den vergangenen Jahren sei Sachsen-Anhalt in einigen Bereichen des Ehrenamtes durchaus vorangekommen, erläuterte Pähle weiter, zum Beispiel beim Versicherungsschutz, Freistellungen oder in puncto Mobilität. Die Landesregierung hätte erkannt, dass Engagementförderung eine zentrale Querschnittsaufgabe sei, allerdings fehle noch eine Engagementstrategie, die Ziele und Prioritäten formuliere. Verantwortlich dafür soll die interministerielle Arbeitsgruppe „Bürgerschaftliches Engagement“ sein.

Die Strategie sollte nicht von oben nach unten sondern auf Augenhöhe mit den Beteiligten entwickelt werden, so die SPD-Abgeordnete. Bei den Maßnahmen zur Stärkung und Aktivierung von Engagement sollten die Faktoren Alter, Geschlecht, Behinderung, Wohnort, Herkunft und Zeitsouveränität besondere Beachtung finden. Die Förderung des Engagements müsste auf breitere und verlässlichere Strukturen gestellt werden.

Ministerin begrüßt Engagementstrategie

Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) freute sich, dass die Bereitschaft sich zu engagieren in den vergangenen Jahren grundsätzlich gestiegen sei. Außerdem stellte sie fest: „Freiwilliges Engagement dient nicht allein dem Wohl der Gesellschaft, sondern tut auch den engagierten Menschen selbst gut.“ Denn Menschen, die sich freiwillig engagierten, seien über gemeinschaftliche Tätigkeiten in die Gesellschaft eingebunden. Sie würden andere Freiwillige kennen lernen und sich im Rahmen ihres Engagements weiterbilden. 

Allerdings werde auch deutlich, dass Engagement von Ressourcen wie Geld, Bildung und Zeit abhängig sei, so Grimm-Benne. Deshalb sei eine bessere Abstimmung nötig, um zukünftig auch Menschen zu erreichen, die sich bisher nicht angesprochen fühlten (zum Beispiel Ältere, Arbeitslose, Migranten). Den Antrag der Koalitionsfraktionen begrüßte sie daher außerordentlich. Sie freue sich darauf, diese Engagementstrategie zu erarbeiten, natürlich nicht „im stillen Kämmerlein“, sondern mit vielen Engagierten aus der Praxis. 

  • Wie viele Menschen engagieren sich, wie oft und warum?

    • 37,1 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt engagieren sich freiwillig.
    • Zwischen 2009 und 2014 ist der Anteil der engagierten Menschen um 10 Prozent gestiegen, allerdings investieren sie weniger Zeit in ihr Engagement, konkret weniger als zwei Stunden pro Woche.
    • Etwa 25 Prozent der Engagierten üben ihre freiwillige Tätigkeit täglich oder mehrmals pro Woche aus.
    • Häufige Begründung für ehrenamtliches Engagement: „Tätigkeit macht Spaß“ ; „um mit anderen Menschen zusammen zukommen“;  „um die Gesellschaft mitzugestalten“.
    • Seltener (außer bei Schülern) ist das Engagement motiviert durch den Wunsch, Qualifikationen zu erwerben.

    Quelle: Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Engagement und Demokratieförderung" Drs. 7/4371

  • Wer engagiert sich wie und in welchem Alter?

    • Unter den 14- bis 29-Jährigen und den 30- bis 49-Jährigen liegen die Anteile freiwillig Engagierter mit 45 bzw. 42 Prozent am höchsten.
    • Den geringsten Anteil weisen mit nur 25 Prozent die Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren auf.
    • Männer (40 Prozente) engagieren sich häufiger als Frauen (34 Prozent), Männer häufig im Bereich Sport, Frauen vor allem in Schule, Kindergarten im Sozialen. 
    • Viele Menschen nennen berufliche Gründe, warum sie sich noch nie engagiert haben (47,2 Prozent der Frauen und 56,1 Prozent der Männer) 
    • Nur 23,5 Prozent der Menschen ohne Berufsausbildung engagieren sich, dagegen 54 Prozent mit  abgeschlossenem Fachhochschul- oder Universitätsstudium.
    • Personen, die ihre finanzielle Lage als sehr gut einschätzen, engagieren sich mit 50 Prozent zu einem fast doppelt so hohen Anteil wie Personen, die ihre finanzielle Lage als sehr schlecht einschätzen (26,9 Prozent).

    Quelle: Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage „Engagement und Demokratieförderung" Drs. 7/4371

Große Anfrage ziele nicht wirklich auf Engagierte

Oliver Kirchner (AfD) zeigte sich überzeugt, es ginge mit der Großen Anfrage gar nicht um die tatsächlich ehrenamtlich Engagierten, sondern die so oft beschworene „Zivilgesellschaft gegen Rechts“. Dies belege bereits der Eingangstext zur Großen Anfrage. Daher wundere es nicht, dass sie vollgestopft sei mit Gefälligkeitsfragen und Phrasen, um zu verschleiern, worum es wirklich ginge, führte Kirchner weiter aus. Auf dem Rücken der Engagierten würden die Antragsteller versuchen, ihr „linksliberales Klientel an- und durchzufüttern“.

Wie er aus der Großen Anfrage erfahren habe, plane der Bund gerade eine Engagementstiftung. Kirchner fragte: Welchen Sinn mach es daher, eine interministerielle Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Strategie zu beauftragten, wenn das zuständige Ministerium bereits mit dem Thema befasst sei und derzeit von eigenen Initiativen auf Landesebene absieht, wie die Antwort auf Frage 44 belege. Die AfD-Fraktion unterstütze das Anliegen des Sozialministeriums daher gerne, lehne den Antrag allerdings ab.

Rahmenbedingungen verbessern

„Ehrenamtliches Engagement ist unverzichtbar und unbezahlbar“, brachte es Tobias Krull (CDU) auf den Punkt. In Sachsen-Anhalt würde sich derzeit jeder Dritte Bürger ehrenamtlich engagieren, leider belege das Land damit nur den vorletzten Platz im bundesweiten Vergleich, so der CDU-Abgeordnete. Daher müsse man sich überlegen, wie man das Engagement vielleicht noch steigern könnte. Bereits jetzt sei das Ehrenamt sehr vielseitig, egal ob Sport, Feuerwehr oder Seniorenbetreuung. Krull erinnerte explizit auch an die umfangreiche ehrenamtliche Arbeit in den Orts- und Kreisräten – „die Herzkammern der Demokratie“.

Der CDU-Abgeordnete fragte: Welche Rahmenbedingungen müssen wir als Politik bieten, damit Menschen sich für ehrenamtliches Engagement begeistern? Als Stichworte nannte er gute Ausstattung der Feuerwehren, einen guten Zustand der Sportstätten und die Anhebung der Ehrenamtspauschalen. Außerdem sei es wichtig, jedes Ehrenamt entsprechend zu würdigen. Er sprach sich ebenfalls für die Erarbeitung einer ganzheitlichen Strategie aus, bei der Vertreter der Zivilgesellschaft, der kommunalen Spitzenverbände und Unternehmen eingebunden werden sollten.

Staat muss seinen Beitrag leisten

Doreen Hildebrandt (DIE LINKE) sagte:„Ein zentrales Merkmal von Zivilgesellschaft ist Solidarität.“ Bürgerschaftliches Engagement baue auf mündige Bürger, die sich kritisch und gestaltend in die Gesellschaft einbringen würden. Ihre Fraktion verstehe bürgerschaftliches Engagement als Form der politischen Teilhabe, die neben dem Staat agiert. „Es ist aber kein Vehikel für die Theorie der Umsetzung eines schlanken Staates.“, unterstrich Hildebrandt.

Die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge dürften nicht aus der staatlichen Verantwortung herausgerissen und ausschließlich in private Hände gelegt werden. Genau dies geschehe jedoch seit Jahren, Beispiele seien Dorfbibliotheken, Schwimmbäder oder Bürgerbusse. Vor diesem Hintergrund müsste bürgerschaftliches Engagement unbedingt gestärkt werden und deshalb unterstütze ihre Fraktion den eingebrachten Antrag.

Land auf engagierte Bürger angewiesen

„Ein zukunftsfestes Sachsen-Anhalt ist auf engagierte Bürger angewiesen“, stellte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fest. Man könne sich nicht weiter auf einzelne Maßnahmen beschränken, sondern müsste „Engagementpolitik aus einem Guss“ entwickeln. Sie betonte: „Nur wenn Menschen mitmachen und mitdenken […] und das Allgemeinwohl in den Blick nehmen, erst dann beginnt sich eine politische, eine demokratische Gemeinschaft zu formen.“

Am Ende der Debatte wurde der Antrag der Koalitionsfraktion von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.