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Plenarsitzung

Urteile als „Ehrentitel“ aus der Welt schaffen

25. Okt. 2018

Die Fraktion DIE LINKE setzt sich mit einem Antrag für die Streichung des Verbots der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) ein. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, die bestehende Bundesratsinitiative der Länder Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen zur Streichung von § 219a Strafgesetzbuch zu unterstützen.

Bislang seien zwei Ärzte in Deutschland auf Basis des § 219a StGB verurteilt worden. Zuletzt hatte eine Ärztin auf ihrer Internetseite darüber informiert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehme. Für diese Werbung war sie verurteilt worden.

  • § 219a StGB – „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“

    (1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise

    1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
    2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    (2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.

Linke: „Paragraph ist verfassungswidrig“

Zufrieden habe sich der Richter über das – bis dato noch notwendige – Urteil nicht gezeigt. Er bestärkte im Gegenteil die Verurteilte in dem Vorhaben, eine Änderung des Paragraphen herbeizuführen. Auch die Fraktion DIE LINKE setze sich für eine Streichung des Paragraphen ein, erklärte Eva von Angern (DIE LINKE). Er sei verfassungsanachronistisch und verfassungswidrig. Er bedeute einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten und stelle sich gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Patientinnen.

Vielzahl juristischer und ethischer Bewertungen

Man befinde sich in einem dogmatisch höchstkomplizierten Bereich, konstatierte Justiz- und Gleichstellungsministerin Anne-Marie Keding (CDU). Eine Vielzahl juristischer und ethischer Bewertungen liege zum Thema vor. Der Schutz des ungeborenen Lebens müsse gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau abgewogen werden.

Es handle sich auch laut Bundesverfassungsgericht um „keinen alltäglichen Vorgang“. Die Schwangerschaftskonfliktberatung sei offen zu führen, erinnerte Keding, sie sei erst die Voraussetzung für einen möglichen Schwangerschaftsabbruch. Die Ministerin forderte „Gründlichkeit, nicht Schnelligkeit sollte die Maxime sein“ und empfahl die Überweisung des Antrags in den Rechtsausschuss.

SPD: „§ 219a StGB endlich streichen“

Wenn selbst der zuständige Richter die Verurteilte aufrufe, ihr Urteil wie einen „Ehrentitel“ zu tragen, sei die Politik gefordert, endlich den § 219a StGB zu streichen, erklärte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Es handle sich dabei um „eine aus der Zeit gefallene Norm“, die verfassungsrechtlich zumindest bedenklich sei.

Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass Ärzte auch über Dienste informieren dürfen müssen, wenn diese ohnehin vom Gesetz gedeckt seien. „Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, müssen straffrei darüber informieren dürfen“, legte sich Kolb-Janssen fest. Nur so könnten Frauen zu einer objektiven, ausgewogenen Entscheidung gelangen.

AfD: „Froh, dass es diese Regelung gibt“

Den Schutz des ungeborenen Lebens regle § 218 StGB, den Schutz der Frau in einer Ausnahmesituation der § 218a StGB, konstatierte Lydia Funke (AfD). Die Menschenwürde komme auch dem ungeborenen Kind zu, und eine Beratung zum Schwangerschaftsabbruch solle das Ziel haben, dass die Frauen das Kind doch austrügen.

Es gebe ausreichend Informationen zum Schwangerschaftsabbruch im Internet, so Funke: „Da wird einem anders! Lieber sollte das aufgezeigt werden, als Chantal zu erklären, warum sie zwei Väter hat.“ Sie forderte eine Verbesserung der Familienpolitik, „ohne Surrogate aus dem Ausland“. Der Antrag der Linken sei reine Polemik. Funke zeigte sich darüber froh, dass der Gesetzgeber die Regelung (§ 219a StGB) geschaffen habe.

Grüne: „Mein Körper, meine Entscheidung“

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verwehrte sich dagegen, dass Ärztinnen und Ärzte für Schwangerschaftsabbrüche werben würden, einzig um ihre Umsätze zu steigern. Sie zeigte Unverständnis, dass allein die Information über die Leistung des Abbruchs nach § 219a StGB geahndet werden könne.

Selbsternannte Kindsschützer und Abtreibungsgegner kriminalisierten Ärzte und veröffentlichten im Internet Listen mit deren Namen und Adressen, um andere Abtreibungsgegner aufzustacheln, empörte sich die Grünen-Politikerin, zeigte sich aber sicher darüber: „Die Zeit des § 219a StGB ist abgelaufen.“

Anhörung zum Thema durchführen

Christen kann weder die Notlage von Frauen noch das Recht des ungeborenen Kinds kaltlassen, man stecke in einem Dilemma, erklärte Jens Kolze (CDU). Das Für und Wider einer möglichen Abschaffung des § 219a StGB werde von beteiligten beziehungsweise zuständigen Institutionen sehr unterschiedlich geführt. Frauen in einer ausweglosen Situation müsse geholfen werden, so Kolze, er spreche sich aber gegen die Abschaffung des Paragraphen aus, räumte er ein. Er regte die Durchführung einer Anhörung im Ausschuss an.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE mit den Stimmen der Koalition und der Linken in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung (federführend) und in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (mitberatend) überwiesen. Die AfD-Fraktion lehnte den Antrag ab.

Antrag der Fraktion DIE LINKE (PDF)