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Plenarsitzung

Sachsen-Anhalt steht vor Strukturwandel

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff widmete sich in einer Regierungserklärung den Herausforderungen des Strukturwandels in Sachsen-Anhalt. Im Anschluss hatten die Fraktionen die Möglichkeit, eigene Aspekte in die Diskussion einzubringen. Vor allem der Ausstieg aus der Kohleindustrie wurde vom Ministerpräsidenten und den Abgeordneten thematisiert.

Hohe Identifikation mit Sachsen-Anhalt

In diesem Jahr habe der Sachsen-Anhalt-Monitor eine starke Verbundenheit mit dem Land bei 81 Prozent der Befragten ergeben (1995: 45 Prozent), nur noch 4 Prozent sehen keine Identifikation, konstatierte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU). „Die Menschen haben ihren Platz in Sachsen-Anhalt gefunden, und auch Sachsen-Anhalt hat seinen Platz in Deutschland und Europa gefunden.“ Das Land habe sich 2017 als guter Gastgeber für das Reformationsjubiläum bewiesen. Gleiches soll beim Bauhausjubiläum 2019 wiederholt werden. Im vergangenen Jahr seien acht Millionen Tourist-Übernachtungen verzeichnet worden.

Mit den wirtschaftlichen Erfolgen hätten sich auch die Lebensbedingungen im Land verbessert. Sachsen-Anhalt habe derzeit die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) liege bei 81 Prozent des gesamtdeutschen Wertes, 1991 waren es nur 39 Prozent gewesen. Strukturelle Brüche seien bewältigt worden, die Massenarbeitslosigkeit gehöre der Vergangenheit an. Milliardenbeträge seien beispielsweise in den Straßenbau, in die Hochschulen, in den Altlastenabbau und in den Hochwasserschutz geflossen.

Große Herausforderungen blieben der demographische Wandel und der anstehende Strukturwandel in den Braunkohleregionen. Hier würden massive Investitionen nötig sein. Der Kohleausstieg könne nur gelingen, wenn eine sichere Energie- und Wärmeversorgung gewährleistet sei und neue Arbeitsplätze vor Ort zur Verfügung stünden. „Wir müssen schon jetzt mit dem Einstieg in den Umstieg beginnen“, konstatierte Haseloff. „Der Abschied vom Alten macht nur Sinn, wenn das Neue als Fortschritt wahrgenommen wird.“

„Reagierung statt Regierung“

Seit der Wende habe sich in Sachsen-Anhalt viel getan, räumte Tobias Rausch (AfD) ein, aber eine weitere Verbesserung könne nur das Ziel sein. Sachsen-Anhalt habe sich unterdessen vom Freistaat Sachsen abhängen lassen. Die AfD habe schon eher auf die Unterstützung der Kohlewirtschaft gesetzt, mit seiner Erklärung zeige der Ministerpräsident, dass er einer „Reagierung“ statt einer Regierung vorstehe. Rausch kritisierte eine „Energiewende mit der Brechstange“, und dies bei einer überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote und einem unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum.

Durch das fehlende flächendeckende Internet sei es nicht gelungen, namhafte Firmen für den Wirtschaftsstandort zu gewinnen. Es fehlten zudem gutqualifizierte Arbeitnehmer, auch die Unternehmensnachfolge könne vielerorts nicht sichergestellt werden. Der zunehmende Unterrichtsausfall führe zu einem Qualitätsverlust im Bildungssektor. Auch in der Familienförderung sei der große Wurf bisher ausgeblieben, merkte Rausch an. Kinder dürften nicht zum Armutsrisiko beitragen. Die etablierte Politik setze falsche Prioritäten und fördere die falschen Bevölkerungsgruppen.

Die AfD setze sich für eine attraktive Kohleförderpolitik über das Jahr 2035 hinaus ein. Rausch forderte zudem ein Ende der Sanktionspolitik gegen Russland. Neben der Unterstützung durch das Land bei der Unternehmensnachfolge solle auch die Förderung bei Firmengründungen intensiviert werden. 

„Sachsen-Anhalt ist bereits ein Energieland“

Heute würden die Voraussetzungen für die ökonomischen und technischen Potenziale für die Zukunft geschaffen, sagte Dr. Katja Pähle (SPD). Den Herausforderungen müsse ins Auge geblickt werden. Wer – wie die AfD – vor dem wissenschaftlich belegten Klimawandel die Augen verschließe, der könne keinen Grundstein für den Wohlstand von morgen legen, so Pähle. „Wir brauchen eine neue Energie – Sachsen-Anhalt hat hier bereits einen weit überdurchschnittlichen Beitrag geleistet.“ Sachsen-Anhalt sei und bleibe ein Energieland. Die Energiewende präge schon heute das Land, sie sei ein Antriebsmotor für Innovationen. Die Stärkung des ländlichen Raums sei ein wichtiger Punkt auf der Agenda des Landes.

Die Lebensleistung der Beschäftigten in der Kohleindustrie könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, so Pähle. Ein Wiederaufbau nach 1945 sei ohne die Kumpel in den Revieren nicht möglich gewesen. Das Ende des Bergbaus und der angeschlossenen Industrie hätte eine starke emotionale Bedeutung für die Regionen. Die Politik müsse das klare Signal senden, dass es keinen zweiten Strukturbruch wie 1990 geben werde. Dazu gehöre der Aufbau neuer Erwerbsperspektiven vor Ort, durch die gutes Geld verdient werden könne.

Kohleausstieg muss sozial gestaltet werden

Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit hätten dem Land nach der Wende ihren Stempel aufgedrückt, konstatierte Andreas Höppner (DIE LINKE). Heute sei eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und eine Ausdünnung der sozialen Infrastruktur zu beobachten.

Der Kohleausstieg sei ein notwendiger Schritt, aber dieser müsse sozial erfolgen, mahnte Höppner an. Es müssten langfristige (berufliche) Perspektiven jenseits der Kohlegruben und Schaufelradbagger geschaffen werden, um den tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel zu meistern. Höppner forderte breite Investitionen in die Infrastruktur der betroffenen Regionen, die Förderlandschaft müsse effektiv aufgestellt werden.

Politik mit Mut im Herzen

Sachsen-Anhalt sei 1990 aus Mut geboren worden, unterstrich Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der Braunkohleausstieg müsse gemeistert werden, er sei ein Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. „Sachsen-Anhalt soll ein Musterland für erneuerbare Energien werden“, sagte Lüddemann. Neue und zukunftsfähige Jobs seien dafür notwendig. Schnelles Internet, E-Government, die Stärkung des öffentlichen Verkehrs und mehr Mut zum Ausprobieren forderte die Grünen-Abgeordnete.

Sie sehe für Sachsen-Anhalt einen modernen Wissenscampus in Mitteldeutschland, moderne Batteriefabriken, Netzdienstleister, Renaturierungskompetenzzentren und nachhaltigen Tourismus. Lüddemann wolle eine Politik mit Mut im Herzen und Klugheit im Kopf gestalten, die auf Wissenschaft und Solidarität setze.

Kohleausstieg im Jahr 2030 überprüfen

Es sei dringend notwendig, über den Kohleausstieg zu reden, sagte Lars-Jörn Zimmer (CDU). Es gebe einen grundsätzlichen Bereich, in dem es um die Sicherstellung einer unabhängigen Energieversorgung gehe, und eine strukturelle Diskussion um die Zukunft der betroffenen Regionen. Es werde über das Aus von Atom- und Kohleenergie gesprochen, dabei sei Deutschland noch nicht einmal in der Lage, Stromtrassen vom Norden in den Süden zu bauen. Dabei hänge der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands von einer sicheren, preisstabilen und unabhängigen Stromversorgung ab. In den aktuellen Kohleanlagen steckten 100 Jahre ingenieurtechnische Entwicklung mit hohem Wirkungsgrad, sagte Zimmer, der vor einem zu schnellen Ausstieg aus der Branche warnte.

Der Ausstieg aus der Kernenergie sei vorschnell gewesen, legte sich Zimmer fest. Damit habe man Forschung und Entwicklung aufgegeben. Gut 140 Kernkraftwerke seien weltweit geplant, aber ohne deutsche Technik. Der deutsche Ausstieg habe auch nicht zu einer weltweiten Reduzierung der Kernenergie geführt. Ähnliches sei beim Ausstieg aus der Kohle zu erwarten. Zimmer forderte für 2030 eine Novellierung des Gedankens des Kohleausstiegs am dann aktuellen Stand der Technik. Nötigenfalls müsse der Ausstieg verschoben werden, wenn die hiesige Energiegewinnung den Ausfall der Kohle nicht ausgleichen könne.

Die CDU-Fraktion setze sich für einen geordneten strukturellen Wandel ein. Die Regionen sollen gestärkt aus dem Strukturwandel hervorgehen, so Zimmer. Die Wertschöpfung müsse in den betroffenen Regionen aufrechterhalten und die Abwanderung aus den ländlichen Regionen vermindert werden.

Am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten wurden keine Beschlüsse gefasst.