Cookies helfen uns bei der Weiterentwicklung und Bereitstellung der Webseite. Durch die Bestätigung erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies gesetzt werden.

Plenarsitzung

„Brexit“-Folgen für Sachsen-Anhalt klären

Welche Auswirkungen hat der „Brexit“ auf Sachsen-Anhalt?, fragten sich die Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und brachten daher einen Antrag ein, durch den die Landesregierung in den Landtagsausschüssen über die Folgen einer stagnierenden britischen Wirtschaft auf den heimischen Export, über die Strategie, die Folgen des Brexits für hiesige Unternehmen abzumildern, und über mögliche Währungsturbulenzen für den Warenverkehr informieren soll.

Zugleich wurde ein Gesetzentwurf der Landesregierung diskutiert, der sich ebenfalls mit dem geplanten „Brexit“ auseinandersetzt. Der Brexit sieht einen anschließenden Übergangszeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. Dezember 2020 vor, in dem das Unionsrecht grundsätzlich weiter bezüglich Großbritannien anzuwenden ist. Hauptziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung sei es, für den Übergangszeitraum einschließlich dessen möglicher einmaliger Verlängerung Rechtsklarheit bezüglich jener Bestimmungen im Landesrecht herzustellen, die auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union Bezug nehmen.

Im Vereinigten Königreichen und in der Europäischen Union wird sich seit fast zwei Jahren auf den sogenannten Brexit vorbereitet. Foto: fotolia.com

Antrag: „Wirtschaftsbeziehungen erhalten“

„Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union soll am 29. März 2019 rechtskräftig werden“, erinnerte Ulrich Thomas (CDU) bei der Einbringung des Antrags der Koalition. „Ich bedaure dies zutiefst“, seien die Briten doch immer Motor eines geeinten Europas gewesen. Der geplante Brexit führe schon jetzt zu einer politischen und gesellschaftlichen Spaltung im Königreich. Es herrsche allerdings auch eine große Unsicherheit auf Seiten der EU, gleichwohl es Hinweise auf eine aufrechtzuerhaltende Freihandelszone, Vereinbarungen zum Luftverkehr, zur Strafverfolgung oder zur Fischerei gebe.

Zwischenzeitlich aber stünden auch wieder ein „Exit vom Brexit“ oder gar ein „harter Brexit“ auf der Agenda. Durch Letzteren würden alle Beziehungen aus 45 Jahren EU obsolet. Großbritannien sei der fünftgrößte Exportmarkt für Deutschland, sagte Thomas. Der Brexit habe bereits wirtschaftliche Auswirkungen auf den Außenhandel. „Die Koalitionsfraktionen sind sich einig, dass Sachsen-Anhalt seine guten Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien weiterpflegen und ausbauen soll. Der beste Brexit ist ein ‚No Brexit‘“, betonte Thomas.

Gesetzentwurf: „Wir sind vorbereitet.“

Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Austritts Großbritanniens aus der EU habe die Landesregierung die Auswirkungen auf das Land Sachsen-Anhalt untersucht. 70 Staatsverträge und Gesetze seien begutachtet worden, sagte Staats- und Kulturminister Rainer Robra (CDU) bei der Einbringung des Gesetzentwurfs der Landesregierung. Neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gebe es auch Auswirkungen beispielsweise in den Bereichen Bildung, Kreditinstitute und Polizei. „Wir sind vorbereitet, auch wenn die Auswirkungen gravierend sind“, so Robra.

Informationsveranstaltungen für Unternehmen

Zum jetzigen Zeitpunkt sei völlig ungewiss, wie der Brexit tatsächlich vonstattengehen werde, prognostizierte Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD). Er gab einige Beispiele, welche Auswirkungen der Brexit mit sich bringen würde: Mit dem Wegfall der Zollunion würden Prüfverfahren und Zölle enorm zunehmen. Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis (Wissenschaft und Wirtschaft) von Briten in Deutschland bzw. Deutschen in Großbritannien wären neu zu bewerten. Für die Unternehmen im Land würden zahlreiche Informationsveranstaltungen angeboten, versicherte Willingmann und fügte an: „Ich wünsche mir, dass der Brexit in letzter Sekunde doch noch abgewendet wird.“

AfD: „Dexit mit Handelsunion“

Der Brexit werde Auswirkungen auf die Wirtschaft Sachsen-Anhalts haben, schließlich würden die Exportgüter ins Vereinigte Königreich an zweiter Stelle im Ranking unseres Landes liegen, sagte Tobias Rausch (AfD). Der „abgehobenen Politikerriege in Brüssel“ sei es geschuldet, dass Großbritannien in seinen Brexit-Verhandlungen nicht vorankomme. Das Land solle nicht in harte Brexit-Verhandlungen getrieben werden.

„Man muss den Willen des britischen Volks akzeptieren“, so Rausch. Es liege kein Widerspruch darin, dass Großbritannien aus der EU austrete, aber dennoch in der Wertegemeinschaft verbleibe. In diesem Sinne wünsche sich die AfD auch einen „Dexit mit Handelsunion“, so Rausch abschließend.

EU: Freier Personen-, Waren- und Kapitalverkehr

„Die AfD will die EU abschaffen, aber die restlichen Fraktionen wollen die EU bessermachen“, erklärte Holger Hövelmann (SPD). Die EU stehe für einen freien Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. „Es kann und wird aber nicht so gehen, dass ein Partner zwar all diese Freiheiten genießt, aber alle anderen die Rechnung bezahlen“, so Hövelmann zu den Brexit-Vorstellungen der AfD. Selbstverständlich sei es sinnvoll, den Ausstieg geregelt anzugehen und die negativen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft so gering wie möglich zu halten.

Hövelmann wünschte sich eine Rückbesinnung darauf, „was wir gemeinsam an der Europäischen Union haben“: Dass sich junge Britinnen und Briten ganz selbstverständlich als Europäerinnen und Europäer sähen. Der jungen Generation gingen durch den Brexit viele Zukunftschancen verloren. Es gelte, das Band zwischen Großbritannien und Europa innerhalb der Europäischen Union zu erneuern, so der SPD-Abgeordnete.

Auseinanderdriften in der EU vermeiden

„Am Ende dieses Prozesses werden alle Beteiligten Verlierer sein“, bedauerte Wulf Gallert (DIE LINKE). Alle müssten daran arbeiten, dass die Europäische Union weiterhin eine Perspektive habe, dass der Kontinent nicht politisch auseinanderfalle, forderte Gallert. Man müsse zu dem Zeitpunkt zurückkehren, als die Briten die Europäische Union nicht mehr als Bereicherung, sondern als Bedrohung wahrgenommen hätten und sich gegen sie entschieden hätten.

Je prekärer die Arbeitsverhältnisse, je abgehängter die Region, desto höher der Stimmenanteil für den Ausstieg, so Gallerts Abstimmungsfazit. Die Brexit-Unterstützer hätten sich als Opfer eines unbarmherzigen Konkurrenzkampfes gesehen. „Wie kann so ein Auseinanderdriften in der EU zukünftig vermieden werden?“, fragte Gallert. Der Antrag der Koalition frage zwar viel nach der Wirtschaft, aber für die betroffenen Menschen interessiere er sich nicht, kritisierte Gallert: „Hier wird eines der Kernprobleme der Sichtweise auf die Europäische Union deutlich.“

„Rosinenpickerei kann es nicht geben“

Die Staaten der EU hätten sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die Herrschaft des Rechts statt der Herrschaft des Stärkeren entschieden, konstatierte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Wirtschafts- und Finanzströme seien in Europa in extremer Weise miteinander verflochten, Gleiches gelte unter anderem für die Digitalisierung und die Klimapolitik. Deswegen sei ein EU-Austritt wie der Großbritanniens ein echter Anachronismus. Eine Rosinenpickerei – Austritt, aber einzelne Werte in Anspruch nehmen – könne es aber nicht geben. Meister hoffe ebenfalls noch auf den „Exit vom Brexit“.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Koalition mit deren Stimmen angenommen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde einstimmig in die Ausschüsse für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sowie für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien überwiesen.