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Plenarsitzung

Ausführlicher Bericht zum zentralen Krebsregister

Die drei Krebsregister in Sachsen-Anhalt sollen bis Ende des Jahres in ein zentrales klinisches Krebsregister überführt werden. Träger wird die Ärztekammer Sachsen-Anhalt sein. Das sieht ein aktueller Gesetzentwurf der Landesregierung vor (Krebsregistergesetz – KRG LSA). Mit dem Krebsregister werden Daten von betroffenen Patienten erfasst und ausgewertet. Langfristiges Ziel ist es, die Qualität bei der Versorgung von Krebspatienten durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verbessern, da zukünftig Daten über den gesamten Behandlungsverlauf bereitgestellt werden könnten, so Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne.

Nach der ersten Beratung im Februar-Plenum wurde der Gesetzentwurf federführend in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration überwiesen. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung hatten Experten aus dem Bereich des Gesundheitswesens und der Landesdatenschutzbeauftragte am Mittwoch, 22. März 2017, die Möglichkeit, Stellung zu dem Gesetzentwurf zu nehmen.

Die Meinungen der Anzuhörenden im Einzelnen

Die onkologische Behandlung dehne sich auf viele Fachrichtungen aus, bei der diverse Akteure zusammenarbeiten müssen. Daher spiele die Qualitätssicherung eine besonders große Rolle, um langfristig die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, betonte Prof. i.R. Dr. Johannes Haerting von der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Prinzipiell werde die Einrichtung eines einheitlichen klinischen Krebsregisters im Land von den Ärzten und Kliniken begrüßt, Probleme bereiteten lediglich die Detailplanungen, so Prof. Dr. Haerting.

Seiner Ansicht nach sei für die Qualitätssicherung eine Meldefrist von vier Wochen deutlich zu kurz. Daher schlage die MLU Halle-Wittenberg vor, diese auf acht Wochen zu erweitern. Außerdem sei entscheidend, dass die Geldgeber nicht aus der Verantwortung genommen werden könnten, zu zahlen, wenn die Meldefrist überschritten werde. Darüber hinaus stehe in § 17 des Gesetzentwurfs eine Aufforderung, dass alle Mitarbeiter melden müssten, wenn etwas bei der Registrierung schief laufe. Prof. Haerting lehnte dies strikt ab, weil es komplett der Absicht einer gedeihlichen Zusammenarbeit zwischen onkologischer Versorgung und Register zum Zweck der Qualitätssicherung entgegen wirke.

Wie soll Fachaufsicht aussehen?

Die Präsidentin der Ärztekammer Sachsen-Anhalt,  Dr. Simone Heinemann-Meerz, kritisierte, dass das Klinische Krebsregister der Fach- und Rechtsaufsicht des für das Krebsregister zuständigen Ministeriums unterliegen soll.  Zwar sei es sinnvoll, die Aufgabe an eine Einrichtung mit entsprechendem Sachverstand zu übertragen und nicht innerhalb der Landesverwaltung anzusiedeln.  Warum unter dieser Prämisse an der Fachaufsicht festgehalten werde, sei für Heinemann-Meerz nicht nachvollziehbar.

Außerdem verwies die Präsidentin der Ärztekammer darauf, dass die Fachaufsicht im Widerspruch zu den Kriterien zur Förderung klinischer Krebsregister stehe. Ihrer Ansicht nach könnte es auf keinen Fall eine „Generalvollmacht“ geben. Während die Kostenübernahme für den laufenden Betrieb des Krebsregisters eindeutig geklärt sei, gebe es immer noch Unklarheiten darüber, wer die Kosten für die Errichtung des Registers übernimmt, beanstandete Heinemann-Meerz und forderte mehr Rechtssicherheit im finanziellen Bereich.

Ärztekammer gegen Pseudonymisierung

Ein weiterer Änderungsvorschlag der Ärztekammer betraf §13 Absatz 4 des Gesetzentwurfs, der eine Pseudonymisierung der ldentitätsdaten und der meldungsbezogenen Daten unmittelbar nach Feststellung des Todes des Patienten vorsieht. Damit würden jedoch wesentliche Aufgaben nach Maßgabe des Gesetzes nicht erfüllbar sein und die eigentliche Aufgabe der Krebsregistrierung ad absurdum geführt würde, so die Kritik der Ärztekammer.

Zum einen sei die Recherche zu sogenannten DCN-Fällen ((Fälle, die dem Register über die Todesbescheinigung bekannt werden) nur über personenbezogene Daten möglich,  zum anderen würde auch bei kritischen Fallbesprechungen in Morbiditätskonferenzen mit personenbezogenen Daten gearbeitet. Daher empfiehlt sie gänzlich auf die Pseudonymisierung zu verzichten.

Prof. Dr. Dr. Bernarding von der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erklärte, er stimme den Ausführungen der  Landesärztekammer und der MLU Halle zu. Er unterstrich, wie wesentlich, gerade die langfristige Datensammlung sei, beispielsweise wenn Krebserkrankungen erblich bedingt sind. Prof. Bernarding erläuterte zudem, wie wichtig eine sorgfältige Arbeit in diesem Bereich sei und dass die Nutzung von Klarnamen im Vergleich zu verschlüsselten Zahlen die praktische Arbeit mit den Daten erleichtere.

Ministerium sichert umfängliche Finanzierung zu

Staatssekretärin Beate Bröcker bekräftigte auf Nachfrage, das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration werde die nötigen finanziellen Mittel zur Gründung der Klinischen Krebsregister Sachsen-Anhalt GmbH bereitstellen. Dazu sei bereits eine Verwaltungsvereinbarung mit der Landesärztekammer getroffen worden. Falls es hier Konkretisierungsbedarf gebe, könnte darüber gesprochen werden.

Außerdem sei bereits besprochen worden, dass das Ministerium – trotz formaler Fachaufsicht – nicht in medizinisch-fachliche Belange eingreifen wolle. Jedoch seien mit der Krebsregistrierung Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung der Bürger verbunden und allein deshalb könne eine Fachaufsicht nicht gänzlich ausbleiben, argumentierte Bröcker. So würde es übrigens auch in allen anderen Bundesländern gehandhabt, in denen das Krebsregister nicht beim Land angesiedelt ist.

Bestandsschutz für regionale Registerstellen?

PD Dr. Dr. Reinhard Schück vom Tumorzentrum Anhalt des Städtischen Klinikums Dessau sieht das größte Problem darin, dass den Verantwortlichen die Zeit davon laufe. Bis Ende des Jahres 2017 müsste das Krebsregister etabliert sein. Außerdem kritisierte er die „Überreglementierung im Gesetzentwurf“. Seine Empfehlung wäre es, die bereits vorhandenen Strukturen an den drei Standorten Magdeburg, Halle, Dessau-Roßlau besser zu nutzen und die Einführung des Registers grundsätzlich pragmatischer, schneller und praxisorientierter anzugehen.

Von Bedeutung sei seiner Meinung nach auch eine Art „Bestandsschutz“ für die bisherigen regionalen Stellen, weil Mitarbeiter sonst aus Sorge um ihren Arbeitsplatz vorzeitig kündigen könnten. In §2 Abs.2 des Gesetzentwurfs sei zwar von einer Koordinierungsstelle die Rede und einer oder mehreren Registerstellen, allerdings würden keine konkreten Orte genannt.

Der Leiter des Verbands der Ersatzkassen Sachsen-Anhalt, Dr. Klaus Holst, stimmte den Ausführungen der Ärztekammer-Präsidentin grundsätzlich zu. Es sei zwingend erforderlich zu wissen, was konkret mit Errichtungskosten gemeint sei, hier müsste es Nachbesserung geben. Noch offene Punkte könnten langfristig zu Querelen führen, warnte Dr. Holst, beispielsweise die Aufteilung der Kosten für das Krebsregister zwischen den Kassen und dem Land. Roland Ziemann vom BKK Landesverband Mitte schloss sich dieser Meinung an. Außerdem sollte die  Fachaufsicht auf ein gewisses Maß beschränkt werden, damit die GmbH relativ selbständig arbeiten kann.

Krankenkassen mahnen: Förderkriterien einhalten

Ralf Dralle, Vorstand der AOK Sachsen-Anhalt fügte hinzu, dass spezifiziert werden müsste, was mit der Fachaufsicht konkret gemeint sei. Für das Land sei sicherlich in erster Linie von Bedeutung, dass die Förderkriterien eingehalten würden, da es sonst zu Ausfallzahlungen kommen könnte. Dralle erklärte, die Krankenkassen fördern zwar die Aufgaben des Krebsregisters, allerdings nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.

Bei Nichteinhaltung der Kriterien würden 90 Prozent des Fördervolumens entfallen, mahnte Dralle. Die Kassen rechnen derzeit damit, dass etwa 1,5 bis 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Daher sollte man sich jetzt – im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit – auf die schnelle operative und konsequente Umsetzung und Einführung des Krebsregisters konzentrieren.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, Dr. Harald von Bose erklärte noch einmal deutlich, die Aufgaben des Krebsregisters nehme nicht die Ärztekammer war, sondern die zu gründende „Klinische Krebsregister Sachsen-Anhalt GmbH“. Daher sei die Überlegung nach einer Fachaufsicht durchaus zulässig, zumal es im Hinblick auf das Datenschutzkonzept eine besondere Verantwortung des Landes gebe. Als Beispiel für den gelungenen Beratungsprozess mit dem Ministerium nannte er das in § 8 Abs. 4 bestehende Auskunftsrecht des Patienten. Ebenfalls zufrieden zeigte sich der oberste Datenschützer Sachsen-Anhalts mit den Regelungen zur Pseudonymisierung in §13 Abs.4.

Widerspruchsrecht größtes Problem

Bedenken äußerte von Bose dagegen zum Widerspruchsrecht in § 10. So könnten die Patienten der Speicherung ihrer Daten für das gemeinsame epidemiologische Krebsregister der Länder nicht widersprechen. Außerdem müsste es möglich sein, seinen Widerspruch auch gegenüber dem Arzt direkt zu äußern und nicht nur gegenüber der Koordinierungsstelle. Dadurch werde die Geltendmachung der Rechte durch die Betroffenen in einer für sie durch die Erkenntnis der Krebserkrankung sehr leidigen Situation gezielt erschwert, argumentierte von Bose. In anderen Bundesländern sei ein Widerspruch gegenüber dem Arzt durchaus möglich.

Problematisch sieht er auch die Übertragung der Altdaten der regionalen Stellen in das neue zentrale klinische Krebsregister. Die im Gesetzentwurf ausgeführte Begründung halte er im Hinblick auf Patientenrechte und ihre informationelle Selbstbestimmung für etwas dünn. Die Patienten hätten zwar damals ihre Einwilligung zur Speicherung der Daten gegeben, jedoch unter ganz anderen Voraussetzungen. Daher plädiert von Bose dafür, dass zumindest eine Aufklärung darüber in der Öffentlichkeit stattfinden sollte.

Ein Beschluss wurde am Ende der Anhörung nicht gefasst. Der Ausschuss wird sich in einer seiner nächsten Sitzungen erneut mit dem Thema beschäftigen.