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Plenarsitzung

Viele Fragen im Fall Oury Jalloh ungeklärt

Der Asylbewerber Oury Jalloh fand vor zwölfeinhalb Jahren, am 7. Januar 2005, in einer Zelle im Polizeirevier Dessau den Tod. Noch immer ist unklar, wie er in einer Polizeizelle mit gefesselten Händen auf einer feuerfesten Matratze verbrennen konnte. Die Fraktion DIE LINKE fordert in einem Antrag, die Aufklärung im Todesermittlungsverfahren Oury Jalloh voranzutreiben.

Unter anderem soll sich der Landtag den Forderungen des Londoner Brandsachverständigen Iain Peck anschließen, der betonte: „Grundsätzlich sollte der Staat für die Familie arbeiten und deshalb offene und ehrliche Untersuchungen aller in diesem Fall bekannten Fakten und Hypothesen darüber, wie das Feuer zustande kam, aufführen und vollständig untersuchen, damit von der Familie und Freunden so gut wie möglich nachvollzogen werden kann, wie der Verstorbene ums Leben kam.“ Zudem soll laut Antrag das Vorhaben unterstützt werden, eine unabhängige internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen im Fall Oury Jalloh einzurichten, um dessen Todesumstände lückenlos, objektiv und unvoreingenommen aufzuklären.

„Ein Mensch ist in staatlicher Obhut gestorben“

Henriette Quade (DIE LINKE) erhebt – wie die Nebenklage und die „Initiative Oury Jalloh“ – deutliche Kritik an den Behörden: „Warum sind am Feuerzeug keine Faserspuren von Oury Jalloh gefunden worden? Warum hat er kaum Rauch eingeatmet? Wie kann eine feuerfeste Matratze Feuer fangen? Warum ist das Trommelfell gerissen? Warum war sein Nasenbein gebrochen?“ Dies seien nur einige der Fragen, die bisher unbeantwortet geblieben seien. „Das ist skandalös“, betonte Quade. Sie warf den Behörden große Versäumnisse bei der Beweisaufnahme und -auswertung vor und rief das Justizministerium zur Aufklärung des Todesfalls auf. „Ein Mensch ist in staatlicher Obhut gestorben und diese staatlichen Stellen haben bis dato dafür gesorgt, dass eine Aufklärung des Falles unmöglich gemacht worden ist.“

Es gehe um die ganz grundsätzliche Frage des Rechtsstaates: Der Fall zeuge von Rassismus und Verstößen gegen geltendes Recht – beides sei nicht geahndet worden, so Quade. Dies müsse geschehen, auch wenn bitterste Wahrheiten aufzuarbeiten seien. „Wie sicher kann sich jeder Mensch in Deutschland in den Händen der Sicherheitsbehörden fühlen?“, fragte Quade. Vor diesem Hintergrund seien die Fragen und Antworten im Fall von Oury Jalloh zugleich konkret und symbolhaft.

„Egal, was jemand getan hat, niemand hat in staatlicher Obhut zu sterben. Und tut er es doch, erfordert das Untersuchung und Aufklärung.“ Der vorsitzende Richter habe am Ende des ersten, 20 Monate dauernden Prozesses gesagt, er habe nicht die Chance gehabt, ein rechtsstaatliches Verfahren durchzuführen. Es habe lediglich ein Ende aus formalen Gründen gegeben, rekapitulierte Quade.

Keine Aufklärung trotz genauer Regeln

Es versteht sich von selbst, dass die rückhaltlose Aufklärung des Falles von Beginn an sein musste, sagte Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU). Die Regeln der Aufklärung seien im Rechtsstaat vorgeschrieben, dies regle die Strafprozessordnung. Die Staatsanwaltschaft Dessau habe die Instrumentarien zur Aufklärung wiederholt angewendet, dennoch habe sich bisher kein klares Bild dessen ergeben, wie Oury Jalloh zu Tode gekommen sei, räumte Keding ein. Dem Vorhaben, eine unabhängige internationale Untersuchungskommission mit dem Fall zu betrauen, erteilte Keding eine Absage. Dieser stünden keine anderen Ermittlungsinstrumente zur Verfügung als den hiesigen Justizbehörden.

Engültige Bewertung durch Staatsanwaltschaft abwarten

„Wir werden uns im Landtag auch weiterhin mit dem Fall Oury Jalloh beschäftigen, die Aufklärung seines Todes muss weiter vorangetrieben werden“, betonte Silke Schindler (SPD). Es dürfe jedoch nicht zu einer Vorverurteilung kommen. Im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung soll die Gelegenheit genutzt werden, den Antrag der Linken zu beraten. Seit April 2017 lägen neue Erkenntnisse vor, sagte Schindler, der Staatsanwaltschaft komme aber zunächst die endgültige Bewertung zu. Diese stünde noch aus.

Tod „des Afrikaners“ Grund für „Dauerhetze“

Oury Jalloh sei betrunken aufgegriffen worden, habe Frauen belästigt und habe sich seinen Aufenthalt in Deutschland erschwindelt – für seinen Tod seien die Justizbehörden nicht verantwortlich, betonte Mario Lehmann (AfD): Deutschland habe sich nur darin schuldig gemacht, dass „der Afrikaner“ aufgrund von Laschheit bei der Abschiebung überhaupt noch in Deutschland gewesen sei. Der Antrag der Linken sei lediglich „antipolizeiliche Dauerhetze“.

Himmelschreiendes Versagen einzelner Ermittler

„Herr Lehmann, immer wenn Sie reden, bin ich froh, dass Sie nicht mehr als Polizist auf der Straße unterwegs sind“, sagte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in Richtung des AfD-Abgeordneten nach dessen Äußerungen. „Mehr als zwölf Jahre sind vergangen und noch immer ist der Tod von Oury Jalloh nicht aufgeklärt“, ergänzte Striegel. Dies zeuge von einem himmelschreienden Versagen einzelner Ermittler in Polizei und Justiz.

Noch mehr als sein Tod habe der Mangel an Rechtsstaatlichkeit Schaden im Land angerichtet, betonte Striegel. Oury Jallohs Tod habe zu den Akten gelegt werden sollen, nur der „Initiative Oury Jalloh“ sei es zu verdanken, dass dies nicht geschehen sei. Der Grünen-Abgeordnete erinnerte an die von seiner Fraktion initiierte Selbstbefassung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung mit dem Fall Oury Jalloh, durch die auf eine Aufklärung unter Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz hingearbeitet werden soll.

„Union vertraut auf die Justiz“

Es dürfe im Polizeigewahrsam und in deutschen Gefängnissen niemand zu Tode kommen, erklärte Jens Kolze (CDU). Dennoch habe die Union tiefstes Vertrauen in die Justiz und die Ermittlungsbehörden. Die Aufklärung des Falls Oury Jalloh sei der Familie geschuldet. Aber es gelte im deutschen Recht das Prinzip der Unschuldsvermutung, eine Vorverurteilung der in jener Nacht diensttuenden Polizeibeamten sei nicht hinzunehmen.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen. Die AfD-Fraktion lehnte dies als einzige ab.

Antrag der Fraktion DIE LINKE (PDF)