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Plenarsitzung

Teilhabegesetz schnell mit Leben füllen

21. Jun. 2017

Die Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachten einen Antrag zur gezielten „Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den kommunalen Verwaltungen Sachsen-Anhalts“ in den Landtag ein. Demnach soll die Landesregierung gebeten werden, die kommunalen Sozialämter bei der Einführung der neuen Planungsinstrumente in der Eingliederungshilfe zu unterstützen, zu schulen und zu begleiten. Daneben soll darauf hingewirkt werden, das Modellvorhaben zur Stärkung der Rehabilitation von der Bundesregierung angemessen zu fördern. Die Fraktion DIE LINKE brachte dazu einen Änderungsantrag ein, durch den Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen stärker in das Geschehen einbezogen werden sollten.

Fakten und Zahlen zum Thema Inklusion. Foto: Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

Paradigmenwechsel muss vor Ort ankommen

Durch deren Weiterentwicklung soll die bisherige Eingliederungshilfe in ein modernes Teilhabegesetz umgewandelt werden, erinnerte Dr. Verena Späthe (SPD). Wurden Menschen mit Behinderungen früher regelrecht versteckt, haben Betroffene jetzt selbst die Möglichkeit, für ihre Rechte einzutreten. 1994 sei ins Grundgesetz aufgenommen worden, dass es keine Benachteiligung wegen einer Behinderung geben dürfe. „Nichts über uns ohne uns“ sei heute das Credo der Menschen mit Behinderung. Über 90 Prozent der Behinderungen zögen sich die Betroffenen erst während des Lebensalltags zu.

Anlass des aktuellen Antrags sei der Paradigmenwechsel in der Leistungsvergabe und der Leistungsbewilligung ab dem 1. Januar 2018: „Dieser Wechsel muss vor Ort in den Behörden ankommen und umgesetzt werden“, forderte Späthe. Der individuelle Bedarf jedes Einzelnen müsse dann festgestellt und passende Lösungen gefunden werden. Die kommunalen Sozialämter sollen bei der Einführung der neuen Planungsinstrumente in der Eingliederungshilfe unterstützt werden.

Beim Aufbau der durch die Bundesregierung geförderten unabhängigen Beratungsstellen müsse darauf geachtet werden, dass der sogenannten Peer-to-Peer-Beratung ein besonderer Stellenwert zugemessen wird. „Diese Förderung sollte auch nach Ablauf der vorgesehenen Befristung über das Jahr 2022 hinaus fortgesetzt werden“, empfahl Späthe.

Modellvorhaben soll umfänglich umgesetzt werden

Die Eingliederungshilfe leiste frühzeitige Unterstützung bei der Eingliederung in den Alltag und den Arbeitsplatz, erklärte Wirtschaftsminister Prof. Armin Willingmann (SPD) in Vertretung für Sozialministerin Petra Grimm-Benne. Er lobte das Mehr an individueller Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung, da die Eingliederungshilfe mit der Novellierung Ende 2016 aus der Sozialhilfe herausgelöst wurde. Das Sozialministerium werde sich dafür starkmachen, das Modellvorhaben der sogenannten Peer-to-Peer-Beratung umfänglich in Sachsen-Anhalt umzusetzen. Für die Umsetzung der Vorhaben arbeite das Sozialministerium derzeit gemeinsam mit der Sozialagentur und den Sozialämtern der Kommunen an einer Konzeption.

Pläne schnellstmöglich umsetzen

Ein leistungsfähiges Rehabilitations- und Teilhaberecht und die Verbesserung der Lebenssitutation von Menschen mit Behinderung sei zu begrüßen, sagte Oliver Kirchner (AfD). Die Landesregierung sollte die Bundesregierung auffordern, Modellvorhaben in Sachsen-Anhalt zur Rehabilitation ins Arbeitsleben vollumfänglich zu fördern. Er warb dafür, die Peer-to-Peer-Beratung schnellstmöglich umzusetzen, da sie Kosten spare und Bürokratie vermeide. Die AfD begrüße den Antrag und werde ihm auch zustimmen. „Behinderungen müssen keine Verhinderungen sein“, schloss Kirchner seinen Redebeitrag.

Unabhängige Beratung ermöglichen

Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung werde durch das Bundesteilhabegesetz auf eine verlässlichere Grundlage gestellt, erklärte Angela Gorr (CDU). Die Umsetzung auf Landesebene werde ein schwieriger Prozess werden, denn alle Beteiligten seien vor große Herausforderungen gestellt. Dies betreffe unter anderem den Wunsch auf Unterbringung in einer selbstgewählten Umgebung. Die Peer-to-Peer-Beratung könne eine echte unabhängige Beratung bieten und sollte daher besonders unterstützt werden.

Defizite noch nicht behoben

DIE LINKE habe auf Landes- und Bundesebene Defizite des Teilhabegesetzes benannt und Änderungsvorschläge eingebracht, jedoch keine Mehrheiten gefunden, rekapitulierte Dagmar Zoschke (DIE LINKE). Nun gelte es, die kommunalen Sozialämter so zu stärken, dass sie die vorgesehenen Planungsinstrumente auch umsetzen könnten. In diesem Zuge müsse geschaut werden, wie es gelingen könne, Modellvorhaben zu verstätigen, wenn sie funktionieren.

DIE LINKE sprach sich in ihrem Änderungsantrag dafür aus, dass im November 2017 im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration umfänglich über den Inhalt und Erarbeitungsstand der notwendigen Regelungen/Richtlinien/Verordnungen zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes auf kommunaler Ebene berichtet wird.

„Betroffene als Experten“

Man sei es den örtlichen Trägern schuldig, vor Ort in den Ämtern schnell handlungsfähig zu sein, sagte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Hilfe zur Selbsthilfe – Betroffene als Experten – sei zu begrüßen. Einen Sachstandsbericht im Sozialausschuss stellte auch Cornelia Lüddemann in Aussicht.

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE konnte keine Mehrheit finden. Der unveränderte Ursprungsantrag der Koalition fand – unter Enthaltung der Linken – eine deutliche Mehrheit und wurde damit beschlossen.