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Plenarsitzung

SED-Opfer: Beratung und Rehabilitierung

Der Aufgabenbereich der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen wurde durch einen Gesetzesbeschluss erweitert, der am 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist. Nunmehr kümmern sich die Landesbeauftragte Birgit Neumann-Becker und ihr Team nicht mehr nur um mit Stasi-Unterlagen zusammenhängende Belange, sondern um die Aufarbeitung des politischen Unrechts, das in der Zeit der SBZ und der SED auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt begangen worden sind.

Trotz der Neustrukturierung ihrer Aufgaben legte die Landesbeauftragte am Dienstag, 28. März 2017, ihren 23. Tätigkeitsbericht vor, der sich auf die Aufarbeitung im vergangenen Jahr bezieht. Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch nahm den Tätigkeitsbericht entgegen – ein Zeichen dafür, dass ihm ein hoher Stellenwert im Landtag eingeräumt wird. Die kompakte Zusammenfassung der Tätigkeiten ermögliche einen Einblick in die Vielfältigkeit der Aufgaben und biete Raum, sich mit der Vergangenheit und ihren Folgen auseinanderzusetzen, erklärte Brakebusch.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch (l.) nahm den 23. Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, entgegen. Foto: Stefan Müller

Gesamtsystem der politischen Verfolgung

Dass auch Sachsen-Anhalt an der Position der Landesbeauftragten festhält, sei wichtig, denn, so Neumann-Becker: „Die Notwendigkeit zur Aufarbeitung des Gesamtsystems der politischen Verfolgung besteht, solange so viele Menschen aufgrund ihrer politischen oder politisch motivierten Verfolgung mit ihrem Schicksal nicht versöhnt sind und angemessene Anerkennung nicht erfahren.“ Aus diesem Grund spricht sie sich auch für eine Entfristung der Überprüfungsmöglichkeiten aus, denn „die Nachwirkungen der Diktatur [sind] vielfältiger und langfristiger Natur“. Dies gelte auch für Opfer, die ihr Recht auf Wiedergutmachung in Anspruch nehmen wollen.

Schwerpunkte der Arbeit in 2016

Im Mittelpunkt der Arbeit stand auch im Jahr 2016 die Beratung von SED-Verfolgten und Opfern der SED-Diktatur. Seit 1992 wurden 398 195 Anträge auf Akteneinsicht in Sachsen-Anhalt gestellt; im vergangenen Jahr waren es in den Außenstellen Magdeburg und Halle 6 672. Insgesamt fanden 43 Beratungstage der Behörde im Land statt, die von 1 209 Menschen genutzt wurden. Dabei war auffällig, dass die Zahl der Rehabilitierungsanliegen von 15 auf circa 25 bis 30 Prozent gestiegen ist.

Die Rehabilitierung und Anerkennung für SED-Verfolgte sei zu verbessern, so Neumann-Becker, denn von den gut 13 000 in Sachsen-Anhalt strafrechtlich rehabilitierten SED-Verfolgten erhielten nur 0,5 Prozent eine rentenfähige Anerkennung ihrer durch die Haft erlittenen gesundheitlichen Folgeschädigung. Hier müsse die Gutachterpraxis verbessert und in Einklang mit den Opferverbänden gebracht werden.

Weitere Schwerpunkte sind Verbesserungen bei der strafrechtlichen Rehabilitierung von Frauen, die in geschlossene venerologische Stationen zwangseingewiesen wurden, und von ehemaligen Heimkindern, insbesondere der Jugendwerkhöfe. Die Unterstützung von Forschungsprojekten und Publikationen, die politische Bildungsarbeit und die Überprüfung auf eine eventuelle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR flankieren die Aufgaben der Aufarbeitungsbehörde.

Neue Aufgaben kommen hinzu

Zu den Projekten, mit denen sich die Landesbeauftragte und ihre Behörde in nächster Zeit intensiver widmen wollen, gehören die lokale Aufarbeitung der DDR-Heimerziehung, die Zwangsarbeit politscher Gefangener, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt, das systematische Doping von Kindern und Jugendlichen im DDR-Leistungssport und das Grenzregime inklusive Zwangsumsiedlungen und Opfer am Eisernen Vorhang und an der innerdeutschen Grenze.

„Erinnerung braucht konkrete Orte, die Namen der Grenzopfer dürfen nicht vergessen werden“, betonte Birgit Neumann-Becker. Daher regt sie an, die Namen der Toten beispielsweise in einem Gedenkstein festzuhalten, der an einer Gedenkstätte errichtet werden soll. Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch brachte die Gedenkstätte Marienborn in die Diskussion ein. Berücksichtigt werden sollen in diesem Fall Opfer aus Sachsen-Anhalt an der innerdeutschen Grenze (auch in Berlin) und am Eisernen Vorhang (beispielsweise in Ungarn), aber auch die Opfer aus dem In- und Ausland, die am sachsen-anhaltischen Grenzstreifen zu Tode gekommen sind.