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Plenarsitzung

Lehrermangel erneut Thema im Landtag

Erst im Februar dieses Jahres hatte Bildungsminister Marco Tullner eine Regierungserklärung zum Zustand der Bildung im Land abgegeben. Als Hauptproblem im Schulbereich konstatierte er den Unterrichtsausfall und erläuterte verschiedene Maßnahmen, wie dieser zukünftig reduziert werden soll. Nur drei Monate später haben sich die Landtagsabgeordneten in einer von der SPD-Fraktion beantragten Aktuellen Debatte erneut intensiv mit dem Thema beschäftigt.

Parallel dazu wurde ein Antrag der Fraktion DIE LINKE im Plenum behandelt. Ihrer Ansicht nach würden sich die erforderlichen Ausschreibungen für Lehrer gegenüber den Planungen des Ministeriums verzögern. Zudem müssten mindestens 600 Stellen unverzüglich ausgeschrieben werden, um das derzeitige Niveau der Unterrichtsversorgung nicht noch weiter zu verschlechtern und gravierendste Mangelsituationen zu beseitigen. Das Bildungsministerium geht unterdessen nur von 500 neuen Lehrerstellen aus.

Experten gehen davon aus, dass in Sachsen-Anhalt derzeit etwa 500 Lehrer fehlen. Grafik: Landtag

Referendare halten, Quereinsteiger nutzen

In den letzten Wochen würden dramatische Nachrichten aus den Schulen zunehmen. Gerade an den Grundschulen sei oft nur noch eine Betreuung möglich, konstatierte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). Im Koalitionsvertrag habe man versprochen, die Situation zu verbessern. Dafür sei es zwingend nötig, mehr Lehrkräfte einzustellen. Die aktuelle Situation sei ernüchternd, die Quote von 103 Prozent sei noch lange nicht erreicht.

Alle Vorschläge zur Verbesserung der Personalausstattung müssten auf den Tisch, um zu sehen, was den Schulen vor Ort tatsächlich helfe. So sei es beispielsweise im März nur gelungen, ein Drittel der ausgebildeten Referendare in Sachsen-Anhalt einzustellen. Mehrarbeit für Kollegen sollte sich lohnen, zum Beispiel über einen späteren Freizeitausgleich, auch über die Einstellung von Sprachlehrern sollte noch einmal nachgedacht werden. Zudem brauche man attraktive Möglichkeiten für Quereinsteiger. Auch mehr Beteiligungsrechte für Schulen bei der Einstellung von Lehrern wären sinnvoll, so Kolb-Janssen.

Neueinstellung, Entlastung, Effizienzsteigerung

Bildungsminister Marco Tullner dankte eingangs allen Lehrern und Pädagogen im Land für ihre Arbeit. Denn der Beruf des  Lehrers sei nicht nur irgendein Job, sondern Leidenschaft und Passion. Der Eindruck, der in letzten Wochen vermittelt worden sei, wäre falsch, denn nicht alle Lehrer seien dauererkrankt, überfordert oder ihres Berufes überdrüssig. Bei der Planung des neuen Schuljahres habe sein Ministerium drei Schwerpunkte: erstens Neueinstellungen, zweitens interne schulische Entlastungen (Referendare übernehmen früher eigenen Unterricht, Bürokratie wird abgebaut) und drittens effizienzsteigernde Maßnahmen.

Dabei gehe es beispielsweise um die Klassengröße in Grundschulen, die nicht immer  die geplante Größe von 22 Schülern erreiche. Bis Ende Mai werden dazu individuelle Gespräche mit jeder einzelnen Schule geführt. Am Ende des Partizipationsprozesses könnte natürlich über die Ergebnisse diskutiert werden. Die unter der Woche gestartete Volksinitiative begrüßte der Minister ausdrücklich, weil dieser Diskurs nötig sei. Gleichzeitig betonte er, dass er an den Haushalt und den Koalitionsvertrag gebunden sei.

Geplante Neueinstellungen reichen nicht aus

„Die Unterrichtsversorgung für das kommende Schuljahr ist nicht gesichert. Davon müssen wir mit Sicherheit ausgehen“,  kritisierte Thomas Lippmann (DIE LINKE). Zwar wurden seit dem letzten Sommer fast 300 Lehrkräfte eingestellt und etwa 200 sind in den Schuldienst zurückgekehrt, trotzdem sei das Personaldefizit angewachsen. Denn etwa 750 Lehrkräfte seien im gleichen Zeitraum in den Ruhe- oder längeren Krankenstand gegangen.

Der Bildungsminister sollte sich darum kümmern, die Absolventen der Lehrerseminare durch Vorverträge für den Schuldienst in Sachsen-Anhalt zu gewinnen und die letzten Sprachlehrkräfte im Land zu halten. Das schwerste Versagen des Bildungsministers sieht Lippmann jedoch in der Einschätzung der Studienkapazitäten. So sei an der Martin-Luther-Universität Halle beschlossen worden, wieder lediglich 550 Erstsemester anzunehmen. Aus dieser Kapazität könnten nicht einmal 400 Absolventen gewonnen werden. Dem stünde ein Einstellungsbedarf von jährlich 1000 Lehrkräften entgegen, betonte Lippmann.

„Das wird am Ende unserem Schulsystem das Genick brechen“. Diese krasse Fehlentscheidung bei den Studienkapazitäten werde sich bitter rächen und man werde nicht vergessen, wer dafür verantwortlich sei. Abschließend konstatierte er noch einmal: Hauptproblem seien vor allem die Vollzeitäquivalente – Lehrer die nur auf dem Papier aber nicht vor der Klasse stehen.

Unterrichtsversorgung zur Chefsache erklären

Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zeigte sich ernüchtert von der aktuellen Situation. Er habe den Eindruck, dass nach jeder Debatte zum Thema immer wieder neue Probleme auftauchten. Niemand hindere den Minister daran, endlich zu handeln und bildlich gesprochen, „den Elfmeter vor dem leeren Tor zu verwandeln“. Die Gründung der Volksinitiative sei ein einmaliger Vorgang in Sachsen-Anhalt und spreche Bände.

An die Landesregierung gerichtet, sagte der Grünen-Abgeordnete, man habe Themen wie Wölfe und Seilbahn in Schierke auf die höchste politische Ebene gehoben, sei aber nicht in der Lage das Unterrichtsproblem zu lösen. Daher forderte er, die Unterrichtsversorgung zur Chefsache zu erklären und das Problem endlich zu lösen. Wenn es gelänge, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele zu erreichen, hätte man mehr geschafft als in den letzten fünf Jahren. „Wir wollen nicht mehr, aber auch nicht weniger als im Koalitionsvertrag steht!“

Erneute Debatte über Bildungspolitik bringt nichts Neues

Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD) erklärte, wenn die Krise in den Schulen wirklich überwunden werden soll, dann sollten pensionierte Lehrer reaktiviert, der „Inklusionsblödsinn“ beendet, Flüchtlingskinder aus Regelklassen genommen,der Lehrerberuf entbürokratisiert und ein Lehramtsstudium in Magdeburg und Halle zugelassen werden. Die Schulen des Landes steckten seiner Ansicht nach in der größten Krise der letzten Jahrzehnte. Dem würde nichts Essentielles entgegengesetzt, so der AfD-Abgeordnete. Teile des  Antrags der Linken bezeichnete er als „technokratische Korinthenkackerei“.

Zudem sieht Tillschneider nicht, was sich seit der Grundsatzdebatte zur Bildungspolitik, die der Landtag im Februar geführt hat, geändert habe. An die SPD gerichtet sagte er, am Ende wüsste jeder, dass das Abitur in CDU regierten Ländern noch immer  mehr Wert sei als in SPD-Hochburgen. Daher sei die SPD-Fraktion nicht die Richtige, um die Situation an den Schulen zu verbessern. Seiner Ansicht nach müsste „das Bildungswesen entsozialdemokratisiert werden“. Daneben verwies er auf seine Forderungen und Vorschläge aus der Debatte im Februar-Plenum.

Bessere Kommunikation mit den Schulen

Angela Gorr (CDU) sagte, dass wir überhaupt an dieser Stelle so intensiv über Neueinstellungen von Lehrern reden können, sei ein deutliches Zeichen dafür, dass es ein Umdenken gegeben habe. Die Gründung der Volksinitiative zeige, welche Bedeutung die Unterrichtsversorgung für die Bürger habe.

Niemand im Hohen Hause wolle etwas verniedlichen, aber man könne auch keine Wunder vollbringen. Gleichzeitig sei es jedoch Aufgabe der Landespolitiker dafür zu sorgen, dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht immer mehr verunsichert würden. Lehrer dürften nicht nur als Stellen betrachtet werden, die man hin- und herschieben könnte. Die CDU-Abgeordnete erwartet zukünftig eine klare Kommunikation mit den Schulen – nicht nur vom Bildungsminister Tullner.

Am Ende der Aktuellen Debatte wurde der Antrag der Fraktion DIE LINKE abgelehnt.