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Plenarsitzung

Konsens: Mehr Lehrer braucht das Land

26. Okt. 2017

Das Bündnis „Den Mangel beenden! – Unseren Kindern Zukunft geben!“ setzt sich mit einer Volksinitiative für mehr Lehrkräfte in den Schulen des Landes ein. Es übergab Mitte September 96 550 Unterschriften an Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch. Nun wurde – so wie es das Volksabstimmungsgesetz vorsieht – die Initiative Thema im Plenum, da sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllte. Eine der Vertrauenspersonen erhielt Rederecht im Parlament, um das Anliegen vorzutragen, anschließend kam es zur Aussprache zwischen den Fraktionen.

Ein unüberhörbares Zeichen setzen

Für die Volksinitiative ergriff Vertrauensperson Thomas Jäger das Wort: „Die Schule muss es ermöglichen, die Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.“ Gute und verantwortungsvolle Bildung der nachfolgenden Generationen sei die Herausforderung der Gesellschaft. Hier komme der Schule – hinsichtlich der Erwerbung vielfältiger Kompetenzen – eine wichtige Rolle zu.

Verlässliche Unterrichtszeiten seien an vielen Schulen allerdings nicht mehr sichergestellt. Seit Jahren gebe es zu wenige Neueinstellungen von Lehrern, dagegen stiege die Schülerzahl kontinuierlich an. Schulpflicht dürfe jedoch nicht einseitig bestehen, betonte Jäger. Das Land sei bei der Erteilung des Unterrichts und der Betreuung der Schüler in der Pflicht. Weitere Kürzungen bei Mitteln für Kinder mit Förderbedarf drohten. Die Volksinitiative fordert neben wenigen weiteren Details „lediglich die Umsetzung des Koalitionsvertrags“, sagte Jäger.

Fast 100 000 Wahlberechtigte im Land hatten sich für die Ziele der Volksinitiative mit ihrer Unterschrift ausgesprochen. Unter anderem wird gefordert, dass 1 000 Lehrerinnen und Lehrer und 400 pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich zu den aktuellen Planungen eingestellt und der fachspezifische Personalbedarf an Förderschulen abgesichert werden. Dies würde auch bei der Überlastung der Lehrerschaft Abhilfe schaffen.

Die Volksinitiative wolle die Abgeordneten unüberhörbar auffordern, umgehend eine radikale Umorientierung bei der Personalpolitik in den Schulen herbeizuführen. „Entweder der Landtag schafft es, das Problem zu lösen, oder er wird in dieser sensiblen Problematik das Vertrauen in die Demokratie gefährden“, erklärte Jäger.

Forderungen ein Stück weit unrealistisch

Beste Bildung für unsere Kinder, dies sei das Ziel aller Akteure auf dem Bildungssektor, versicherte Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Der in den Doppelhaushalt eingestellte Rahmen an neuen Lehrerstellen werde ausgeschöpft, es werde daran gearbeitet, eine zügige Ausschreibung freier Stellen und eine flexiblere Einstellung sicherzustellen. Auch die Kapazität der Erstsemester im Lehramt sei erhöht worden.

Eine sofortige Einstellung von Lehrern und pädagogischen Mitarbeitern in der von der Volksinitiative geforderten Höhe sei aber ein Stück weit unrealistisch, weil der Stellenmarkt diese Kräfte gar nicht vorhalte. Die Trendwende, um die Probleme anzupacken und zu lösen, habe die Kenia-Koalition mit dem Doppelhaushalt gestartet, sagte Tullner.

Volksinitiative nur „linker Populismus“

Die Ziele der Volksinitiative klängen zunächst nach einer guten Sache, sie seien allerdings nur „linker Populismus“. Fakt sei laut AfD: die zusätzlichen 1 000 Lehrer seien auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden, erklärte Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD). Auch mit den vielbeschworenen Quereinsteigern sei dies nicht zu schaffen. Quereinstieg dürfe nicht dazu führen, dass jeder mit einem Studienabschluss an eine Schule gerufen werde. Es sei hier viel stärker auf die Qualität zu achten. Dies gelte im Übrigen auch für Lehramtsabsolventen. Tillschneider machte die – so von ihm genannten – „Wohlstandsmigranten“ und die von der AfD erkannte „Masseneinwanderung“ für den Mangel auch im Schulbetrieb verantwortlich. „Lassen Sie sich nicht von der verdorbenen Politik der Linken missbrauchen“, forderte Tillschneider von den Eltern im Land.

Der AfD-Politiker sprach sich für eine neue Hochschulpolitik, eine bessere Bezahlung der Lehrer, die Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs und den Stopp des „Experiments Inklusion“ sowie für das Schließen der Grenzen aus – nur so könnten die Probleme im Bildungssektor gelöst werden.

SPD fordert Runden Tisch „Schulpolitik“

Es bestehe eine angespannte Stimmung in den Schulen, räumte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD) ein. Die Volksinitiative habe dem Protest eine konstruktive Richtung gegeben. Bei der Personalentwicklung, also dem kostenbedingten Abbau von Beschäftigten des Landes, sei man in den letzten Jahren über das Ziel hinausgeschossen, räumte Kolb-Janssen ein.

Der überzogene Spardruck in den Schulen und bei der Lehrerausbildung zeige nun seine negativen Folgen. Es werde offensichtlich, dass man Schulpersonal nicht allein an Kennziffern orientieren dürfe, sondern stärker an den Bedürfnissen in den Schulen. Die Konkurrenz um gute Lehrerkräfte sei hart, aber andere Länder hätten größere Erfolge bei der Anwerbung von Lehrerinnen und Lehrern. Hier müsse man nachsetzen, so die SPD-Politikerin.

Kolb-Janssen sprach sich für die Schaffung eines Runden Tisches „Schulpolitik“ aus. Vor dem Hintergrund der Volksinitiative sollen konkrete Verbesserungen für die Schulen entwickelt werden. Es gelte, Seiten- und Quereinsteiger zu gewinnen und Richtungsentscheidungen auch in der Haushaltspolitik zu treffen. Auch die Kooperation von Bund und Ländern müsse auf dem Bildungssektor verbessert werden.

Ziele der Volksinitiative unterstützen

Alle Elternproteste, Massenpetitionen und Anträge im Landtag hätten nicht zu einer Veränderung der Personalpolitik der Landesregierung für die Schulen geführt, erklärte Thomas Lippmann (DIE LINKE) die Unterstützung der Volksinitiative durch seine Fraktion.

Beim Redebeitrag des AfD-Abgeordneten Tillschneider handle es sich um eine „Diffamierung der 15 beteiligten Organisation und der 100 000 Menschen, die die Volksinitiative unterstützt“ hätten, sagte Lippmann. „Wenn es mal konkret wird, dann schmeißen sie mit Dreck – und das ist schäbig“, sagte er in Richtung AfD. Offensichtlich habe Tillschneider keinerlei Ahnung von der Stimmung und der Situation in den Schulen und bei den Eltern.

Die Wende sei eingeleitet, mehr gebe der Lehrermarkt nicht her – so die dauerhaften, unbefriedigenden Erklärungen seitens der Landesregierung. Doch sowohl Geld als auch Lehrkräfte seien im Grunde vorhanden, kritisierte Lippmann, die nötigen Instrumente müssten nur zum Einsatz kommen. Lippmann forderte die Landesregierung auf, sich die Ziele der Volksinitiative vollständig zu eigen zu machen.

Auch an Weiterqualifizierung denken

Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lobte das überragende Engagement der Beteiligten der Volksinitiative; dies zeige, dass direkte Demokratie durchaus möglich sei, auch wenn die Hürden mitunter nach Ansicht der Grünen zu hoch seien. Der Forderung nach mehr Lehrkräften komme die Landesregierung zuvor: Bis zum Ende der Legislaturperiode wolle die Landesregierung 3 500 bis 4 000 neue Lehrkräfte in allgemein- und berufsbildenden Schulen einstellen. Der Bildungsminister müsse dafür den tatsächlichen Bedarf im Haushalt angeben.

Neben den Neueinstellungen müsse auch die Weiterqualifizierung vorhandener Lehrkräfte vorangebracht werden, so Aldag. Ziel der Politik müsse die Schaffung von bestmöglichen Bildungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für alle Kinder sein. Die Volksinitiative habe diesem Bestreben einen enormen Bedeutungszuwachs beschert.

Fehleinschätzungen aktiv begegnen

„Dem Parlament ist die Zukunft der Kinder sehr wichtig“, versicherte Angela Gorr (CDU). Der Koalitionsvertrag verspreche eine deutliche Verbesserung der Unterrichtsversorgung. Es müsse dafür Sorge getragen werden, dass die Kinder keine Nachteile durch Unterrichtsversäumnisse hätten.

Der Lehrerüberhang gegenüber einem Rückgang der Schülerzahlen liege noch nicht weit zurück, erinnerte Gorr. Daraus habe sich seinerzeit ein Personalentwicklungskonzept ergeben, dass zum Abbau von Landespersonal geführt habe. Nun müsse diesen Fehleinschätzungen begegnet werden. Ausschreibungen außerhalb der Reihe hätten bereits zu Neueinstellungen geführt, weitere 300 Lehrer könnten – sofern der Markt es hergebe – noch eingestellt werden. Mit dem Koalitionsvertrag aber habe man sich Ziele für die gesamte Legislaturperiode gesetzt, diese seien nicht kurzfristig umzusetzen.

Nach Abschluss der Aussprache zur Volksinitiative gilt diese als in den Petitionsausschuss überwiesen. Zudem wurde die Volksinitiative in die Ausschüsse für Finanzen und für Bildung und Kultur überwiesen.