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Plenarsitzung

Jedes vierte Kind von Armut betroffen

21. Jun. 2017

Etwa ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt sind von Armut betroffen oder armutsgefährdet, konstatiert die Fraktion DIE LINKE. Armut habe viele Auswirkungen und der Landtag müsse alles tun, um diese zu beseitigen, so der Antrag der Fraktion. Mit dem Antrag soll die Landesregierung unter anderem aufgefordert werden, im III. Quartal 2017 in den zuständigen Ausschüssen ihre Vorhaben zur Bekämpfung von Kinderarmut bis zum Ende der Legislaturperiode vorzustellen. Darüber hinaus müssten alle zukünftigen Gesetzesinitiativen im Rahmen eines „Armutschecks“ geprüft werden.

Was Kinderarmut in Sachsen-Anhalt des 21. Jahrhunderts bedeutet. Foto: fotohansel/fotolia.com

In Deutschland bedeute Armut nicht Verhungern, sondern Entbehrung, gesundheitliche Nachteile, Ausgrenzung, Benachteiligung und psychische Probleme, betonte Eva von Angern (DIE LINKE). Wenn wir das Sozialstaatsprinzip wirklich ernst nehmen würden, dann bräuchten wir heute nicht über Kinderarmut zu debattieren, so von Angern weiter. Jedes Jahr zum Kindertag würden die Armutszahlen veröffentlicht und die Reaktionen aus der Politik auf die Zahlen reichten von Ignorieren, Beschönigen und Verharmlosen bis hin dazu, das Phänomen Armut als alternativlos anzusehen.

Die Linken-Abgeordnete zitierte einen Journalisten, der in dem Zusammenhang kürzlich geschrieben habe: „Die Ungleichheit in Deutschland spalte die Gesellschaft nicht nur, sondern zerstöre sie.“ Und diese gesellschaftliche Spaltung sei etwas Hausgemachtes, wie beispielsweise durch die Absenkung der Vermögenssteuer. Auch der gesetzliche Mindestlohn schütze nicht vor Armut, argumentierte von Angern und fragte: „Warum haben arme Menschen eine so kleine Lobby?“ Ihrer Erfahrung nach sei es viel schicker als Sponsor für den FCM zu agieren, anstatt als Sponsor für ein Frauenhaus aufzutreten.

Armut sei kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches und müsste deshalb auch ganzheitlich angegangen werden, sagte von Angern und warb für ein gemeinsames Engagement aller gegen Kinderarmut. Wichtig seien beispielsweise die Stärkung der Familien, eine gute frühkindliche Bildung, gleiche Bildungschancen und die Erhöhung des Kindergeldes. Gleichzeitig schlug ihre Fraktion einen „Armutscheck“ für zukünftige Gesetzesinitiativen vor.

Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD), Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, vertrat Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne. Willingmann erklärte, das finanzielle Einkommen sei nur ein Faktor für Armut neben einigen anderen. Das Sozialministerium gehe deshalb von einem ganzheitlichen Ansatz bei der Bekämpfung von Kinderarmut aus. Dazu gehörten unter anderem die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und die Stärkung der frühkindlichen Bildung. Außerdem leiste das Land bereits einen erheblichen Beitrag durch die Förderung der Kinderbetreuung, die Jugendförderung und das neue Unterhaltsrecht.

Die diversen Maßnahmen der Landesregierung würden auch schon erste Wirkung entfalten. Einer Studie des Paritätischen Gesamtverbands zufolge sei die Kinderarmut in Deutschland 2015 fast flächendeckend angestiegen, in nur vier Ländern war ein Rückgang festzustellen, darunter auch Sachsen-Anhalt. Außerdem verwies Willingmann auf eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, die gerade im Ministerium bearbeitet  werde und der man nicht vorgreifen wolle.

Natürlich seien die aktuellen Zahlen auch aus Sicht der CDU-Fraktion zu hoch, aber zur Wahrheit gehöre auch, die positive Entwicklung zu sehen,sagte Tobias Krull (CDU). So wären 2011 noch 26,1 Prozent von Kinderarmut betroffen, 2015 seien es „nur noch“ 23,8 Prozent gewesen. Nach Ansicht von Krull sei es das beste Mittel gegen Armut, Menschen in Arbeit zu bringen, sodass sie für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen und Vorbild für ihre Kinder sein können. Auf Bundesebene habe es bereits hilfreiche Maßnahmen gegeben, wie beispielsweise die Anhebung des Kinderzuschlags oder die neue Unterhaltsvorschusszahlung ab dem 12. Lebensjahr. Immer noch mehr Geld in ein System zu geben, könne kein Allheilmittel sein.

Immer wieder gebe es in den Medien Schlagzeilen wie „Sachsen-Anhalt Spitzenreiter bei Kinderarmut“. Dies sei ein Beleg für ein dramatisches Scheitern der Landesregierung und der Altparteien, kritisierte Tobias Rausch (AfD). Seine Fraktion stimme dem Antrag der Linken daher in vielen Punkten zu. Als Bürger wolle er wissen, welche Maßnahmenpakete konkret in der Vergangenheit geschnürt wurden, um Kinderarmut zu bekämpfen? Eine Erhöhung des Kindergeldes von zwei Euro bedeute für Rausch keine wirkliche Verbesserung der Situation.

Wenn man dagegen betrachte, wie viel Geld für unbegleitete minderjährige Ausländer ausgegeben werde, stehe dies in keinem Verhältnis. Jeder Steuer-Euro der für die Integration ausgegeben werde, könne schließlich nicht mehr für die eigenen Kinder ausgegeben werden. „Diesen Umstand werden wir von AfD-Fraktion nicht mehr akzeptieren.“

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stimmte der Fraktion DIE LINKE grundsätzlich zu. „Es ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land, dass wir diese Debatte überhaupt führen müssen.“ Sie selbst habe sich in der Vergangenheit und auch heute noch für die Kindergrundsicherung starkgemacht. Denn der Skandal bestehe gerade darin, dass die Regelbedarfe für Kinder zu niedrig seien. Eine Zusammenführung aller Sozialleistungen für Kinder wäre vermutlich zielführender, sagte Lüddemann. Die Antwort der Grünen laute daher „steuerfinanzierte Grundsicherung“.

Lüddemann sprach sich dafür aus, im Ausschuss ganz darüber zu reden, welche konkreten Maßnahmen das Land ergreifen könne, auch die Wirtschaft solle mit ins Boot geholt werden, um beispielsweise faire Löhne auszuhandeln. In puncto Armutscheck schlug sie vor, einen Blick auf die Erkenntnisse aus Nordrhein-Westfalen zu werfen und danach zu entscheiden, ob er sinnvoll sei oder nicht.

Kinderarmut bekämpfe man nicht mit „rechtsextremen Sprüchen“, sondern indem man sich damit auseinandersetze, erwiderte Andreas Steppuhn (SPD) auf den Redebeitrag des Abgeordneten Rausch. „Jedes Kind, das unter Armut leidet, ist eines zu viel.“ Gründe für Kinderarmut seien oft Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Situation alleinerziehender Elternteile. Daher sei es wichtig, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen, von der sie leben könnten. Der Mindestlohn sei hier ein erster Schritt gewesen. Zur Armutsbekämpfung gehörten aber auch Chancen- und Bildungsgleichheit, ebenso wie eine qualitativ gute Kinderbetreuung. Da Armut auch den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden könne, seien alle Maßnahmen zu begrüßen, welche die Situation von Familien verbessern, so der SPD-Abgeordnete.

Im Anschluss an die Debatte beschloss der Landtag einstimmig, den Antrag der Fraktion DIE LINKE in den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration (federführend) und in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung (mitberatend) zu überweisen.