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Plenarsitzung

Aufarbeitung: Erinnern und Zeichen setzen!

28. Apr. 2017

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch eröffnete gemeinsam mit der sachsen-anhaltischen Landesbeauftragten Birgit Neumann-Becker den 21. Bundeskongress der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Folgen der kommunistischen Diktatur sowie der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der mit den Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen vom 28. bis 30. April 2017  in Magdeburg stattfindet. Teilnehmer stellten zudem die Verfolgtenverbände und andere Aufarbeitungsinitiativen.

Der Kongress steht unter dem Motto „Erinnern und Zeichen setzen! – Zeugnisse politischer Verfolgung und ihre Botschaft“. Neben Landtagspräsidentin Brakebusch, sprachen zudem der Magdeburgs Stadtratsvorsitzender Andreas Schumann (MdL) und der Vorsitzende des Stiftungsrates der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Markus Meckel, Grußworte. Den Festvortrag hielt die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Marianne Birthler.

Birgit Neumann-Becker eröffnete den 21. Bundeskongress der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Folgen der kommunistischen Diktatur sowie der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Foto: Stefan Müller

Juristische Aufarbeitung der SED-Dikatur

Erinnern sei das Leitthema des Kongresses, erklärte Birgit Neumann-Becker zur Eröffnung des Kongresses. Erinnern habe mit konkreten Menschen und Ereignissen zu tun. Die Diktatur der SED brauche eine juristische Aufarbeitung; lange Wege und Zeiträume seien dafür oftmals notwendig. Oft sei dieser Prozess des Erinnerns und Aufarbeitens mit viel Schmerz verbunden, sagte die Landesbeauftragte von Sachsen-Anhalt.

„Die Aufarbeitung der SED-Diktatur muss mit besserer und spürbarer Anerkennung der ehemals Verfolgten und Opfer sowie aussagefähigen Erinnerungszeichen an Diktatur, Widerstand und neugewonnene Demokratie im öffentlichen Raum verbunden werden“, erklärte Birgit Neumann-Becker. Daher habe sie für Sachsen-Anhalt die Idee eines Gedenkortes mit den Namen aller Toten an der sachsen-anhaltinischen Grenze ins Gespräch gebracht.

Markus Meckel sprach ein Grußwort bei der Eröffnungsveranstaltung des Bundeskongresses. Foto: Stefan Müller

Zusammenhänge der Diktaturen verdeutlichen

Aufarbeitung bedürfe gesonderter Institutionen, sagte Markus Meckel, Vorsitzender des Stiftungsrates der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, während seines Grußworts. Magdeburg – der Veranstaltungsort – sei voller Erinnerungsorte, die mit der politischen Wende 1989/1990 in Verbindung stünden. Die Zusammenhänge der Diktaturen von Nationalsozialismus und Kommunismus und ihre Folgen müssten in der Erinnerungskultur stärker herausgearbeitet werden.

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch während ihres Grußworts. Anschließend lud sie im Namen des Landtags alle Gäste zu einem Empfang ein. Foto: Stefan Müller

Den Opfern gerecht werden

„Ich bin froh, dass wir uns für die Gedenkstätte Deutsche Teilung eingesetzt haben, um vor allem junge Menschen direkt an der ehemaligen Grenze auf die Gegebenheiten hinweisen zu können“, konstatierte Gabriele Brakebusch in ihrem Grußwort. Die Erinnerung als Aufgabe solle nachhaltig sein. Die Landtagspräsidentin rekapitulierte den Gesetzesprozess, der schließlich dazu geführt hat, das Amt der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen weiterzuentwickeln und auf die gesamte Diktaturzeit der SED auszuweiten.

Es gelte bei der Aufarbeitung, den Opfern gerecht zu werden und zugleich eine Brücke zu den nachfolgenden Generationen zu schlagen und die Bedeutung der Menschenwürde und den Sinn der Demokratie zu schärfen. Sie wünsche sich, dass sich das Land tolerant, wertebewusst und in der Liebe zur Freiheit weiterentwickle.

Andreas Schumann (CDU, 3.v.r.) sprach ebenso ein Grußwort. Mit auf dem Foto sind zudem (v.r.n.l.) die AfD-Abgeordneten Matthias Lieschke und Oliver Kirchner, Silke Schindler (SPD), der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Karamba Diaby, Gabriele Brakebusch, Markus Meckel und Marianne Birthler. Foto: Stefan Müller

Verarbeitung alles andere als einfach

Das Aufgabenspektrum der Behörde habe sich deutlich erweitert und sei mittlerweile beim Landtag angesiedelt, erklärte Andreas Schumann (MdL) und Vorsitzender des Magdeburger Stadtrats in seinem Grußwort. Die Erlebnisse in der SED-Diktatur hätten tiefe Einschnitte im Leben der Betroffenen hinterlassen, die Aufarbeitung und seelische Verarbeitung sei da alles andere als leicht. Schumann verteidigte die Schaffung von IM-Kontrollausschüssen: „Wir wollen wissen, mit wem wir zum Beispiel im Ausschuss zusammensitzen und wichtige Informationen teilen.“ So sei ein solcher Ausschuss auch kürzlich im Landtag wieder beschlossen worden.

Marianne Birthler hielt die Festrede beim 21. Bundeskongress der Landesbeauftragten für die Aufarbeitung und die Stasi-Unterlagen. Foto: Stefan Müller

Erinnern eine ureigene Eigenschaft des Menschen

„Erinnern tut gut“, meinte Marianne Birthler, ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, am Beginn ihrer Festrede. Anderenfalls würde der Mensch nicht so viele Wege finden, sich an Menschen und Erlebnisse zu erinnern. Unser Dasein sei immer mit der Vergangenheit verflochten. Mit der Erinnerung werde immer auch ein wenig das Herz geöffnet. Für die einen sei sie weit zurückliegende Geschichte, für die anderen ein wesentlicher Teil des Lebens.

Birthler warb für „eine demokratische Kultur des Erinnerns“, die Wahrheit müsse gegen falsche Behauptungen und Relativierungen verteidigt werden. Die Diktatur habe alle Bereiche des Lebens durchdrungen. Darauf hinzuweisen liege in den Händen aller; man müsse die richtigen Worte finden, um zu erklären und Grenzen zu setzen.

Verunsicherung, Ängste und Hass machten sich bedauerlicherweise in der Gesellschaft und der Politik breit, kritisierte Birthler: „Unsere europäischen Werte Freiheit und Demokratie scheinen in die Defensive zu geraten.“ Und dies seltsamerweise auch in vielen osteuropäischen Staaten, die so lange schon unter Diktaturen gelitten hätten. Die Folgen von Isolation und Indoktrination hätten offenbar nicht abgeschüttelt werden können wie ein alter Mantel. Man müsse sich aufrichtig der eigenen Vergangenheit stellen.

Birthler erinnerte an den Widerstand und die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung in den Zeiten der europäischen Diktaturen. Sie hätten ihre Wurzeln im Humanismus, in der Aufklärung und den gelebten Menschenrechten.

Man müsse sich aufrichtig der eigenen Vergangenheit stellen. Die Aufarbeitung müsse in vielen Fällen viele Jahrzehnte zurück überbrücken, beispielsweise auch bei der Aufarbeitung des Spanischen Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur. Wichtig sei die Sicherung der Fakten, der angemessene Umgang mit Opfern und Tätern und die Beantwortung der Frage, wie man trotz der Ereignisse zu einem gemeinsamen Leben zurückkehren könne. „Keine Erinnerung hebt die andere auf.“

Nationalismus und manchmal auch nur persönliche Machtansprüche behinderten Europa derzeit daran, gemeinsam und entschieden zu einer Lösung der Gegenwartsprobleme zu gelangen, kritisierte Marianne Birthler. Die scheinbare Selbstverständlichkeit der Demokratie sei in Frage gestellt, dadurch erkennten die Menschen jetzt aber auch, vor allem die jungen, den Sinn dieser europäischen Werte und die Notwendigkeit, sie zu verteidigen.

  • Über die Ziele des 21. Kongresses

    Die Erfahrungen einst politisch Verfolgter in der SBZ/DDR als Ausgangspunkt für den Einsatz für Demokratie und Freiheit stehen im Zentrum des diesjährigen Bundeskongresses der Landesbeauftragten und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Aufarbeitung politischer Verfolgung beendet das früher verordnete Schweigen über politisches Unrecht in der SBZ/DDR.

    Wie steht es aber heute mit den öffentlichen Zeugnissen über diese Verfolgungen? Wie wirken die Verfolgtenverbände ganz konkret in die Öffentlichkeit hinein? Welche Fragen stellt die Öffentlichkeit im Blick auf die Diktaturvergangenheit? Welche Chancen und welche Schwierigkeiten begegnen dabei? Eine Generation nach dem Fall der Mauer bleibt es weiter wichtig, Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum gegen das Vergessen und für Freiheit und Demokratie zu setzen.

    An die Namen der Verfolgten und ihre Lebensgeschichten soll erinnert werden. Dabei wird auch nach der Wirksamkeit ihrer Erfahrungen für die Öffentlichkeit und die Bestärkung der Demokratie gefragt. Beim diesjährigen Kongress soll grundlegend und zugleich konkret beispielhaft über die Arbeit von Zeitzeugen, die Bewahrung von Dokumenten und Erinnerungen sowie über die Gestaltung und Errichtung von Denkmalen und Erinnerungszeichen informiert und diskutiert werden.

    Der diesjährige Bundeskongress will dabei den Blick auch in die Länder Ostmitteleuropas richten und dabei die europäische Perspektive eröffnen.

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