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Plenarsitzung

Fördermittelvergabe wird überarbeitet

Eine mit Steuermitteln geförderte Großbäckerei will in ihrem neuen Werk künftig nicht nach Tariflohn zahlen. Dieser Vorgang belege erneut die völlig verfehlte und blinde Wirtschaftsförderpolitik der Landesregierung, so die Fraktion DIE LINKE. Mit Fördermitteln begünstigte Tarifflucht dürfe es nicht geben. Die Fraktion hielt daher eine Aktuelle Debatte zu den Auswirkungen einer solchen verfehlten Förderpolitik für notwendig.

Arbeitsplatzabbau und Tarifflucht

Die Großbäckerei Lieken/Agrofert wolle in ihrem neuen Produktionswerk in Wittenberg keine tariflichen Regelungen befolgen und wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigen bieten, so Andreas Höppner (DIE LINKE). Selbst langjährig Beschäftigte sollen sich neu bewerben und eine Probephase durchlaufen müssen. „So werden Arbeitsplatzabbau und Tarifflucht unterstützt“, erklärte Höppner.

In Sachsen-Anhalt gelte offenbar das Motto „Hauptsache Arbeitsplätze schaffen, Tarif und Mitbestimmung sind egal“, so der Linken-Abgeordnete. Die Förderpolitik des Landes sei eine Politik des Wegduckens, der Ideenlosigkeit und des Rückschritts, „Fordern und Fördern“ müsse auch für Unternehmen und Investoren gelten. „Wir können es uns nicht leisten, weiter Billiglohnland zu sein“, so Höppner.

Die Aktuelle Debatte solle zur Anregung dienen, Unternehmen ins Land zu holen, die gute Arbeit schafften, erklärte Swen Knöchel (DIE LINKE). Die Wirtschaftspolitik im Land müsse deshalb geändert werden.

Subventionierte Tarifflucht verhindern

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zeigte sich entsetzt, dass das Unternehmen Lieken eine mit Steuergeld subventionierte Tarifflucht beginge. Wieder stehe man vor der Frage, ob sich das Land bei seiner Wirtschaftsförderung über den Tisch habe ziehen lassen. Die Kriterien der Wirtschaftsförderung müssten dahingehend verändert werden, dass sie wichtigen Regularien entsprächen: So gehe es darum, sozialversicherungspflichtige Jobs zu schaffen und die betriebliche Mitbestimmung zu verankern. Auch moderne Arbeitszeitmodelle sollen berücksichtig werden.

Eine besondere Sorgfalt müsse bei der Überarbeitung der Richtlinien dem Bereich der Betriebsverlagerungen gewidmet werden. Moderne Wirtschaftsförderung müsse gute Arbeit unterstützen sowie zukunftsorientiert und ökologisch ausgewogen sein, so Lüddemann abschließend.

„Es wird Umsteuerungen geben“

Die Fördermittelvergabe an die Großbäckerei Lieken sei ein Vorgang, der nach den damaligen Vergaberichtlinien formal korrekt verlaufen sei, erklärte Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD). Das heiße allerdings, dass diese Regeln in der Zukunft auf den Prüfstand gestellt werden sollen. Es bestehe das ehrliche Bemühen, den Mittelstand und die Wirtschaftsentwicklung im Land zu stärken.

„Es wird Umsteuerungen geben, weil wir es mit der guten Arbeit ernst nehmen“, betonte der Wirtschaftsminister. Bei der Novellierung der Vergaberichtlinien werde auch die Tarifvertragsbindung Berücksichtigung finden. Überdies soll eine Ausbildungsquote aufgeführt werden. Die Regelungen für Betriebsverlagerungen sollen verschärft werden, um eine Wiederholung wie die Causa Lieken zu verhindern.

Lob an das Unternehmen Agrofert

Die Regierungsparteien der vergangenen Legislaturperioden hätten keine klaren Regelungen für eine vernünftige Förderpolitik gefunden, kritisierte Matthias Lieschke (AfD). Bei der Betriebsverlagerung von Lieken/Agrofert seien über elf Millionen Euro ausgegeben worden, ohne neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Auf absichernde Inhalte sei nicht geachtet worden. Mit einem Satz hätte man sicherstellen können, dass alle Arbeitsplätze zu gleichen Bedingungen erhalten geblieben wären. Dennoch lobte Lieschke das Unternehmen Agrofert, das durch die Gründung des Standorts in Wittenberg Arbeitsplätze schaffe und der Stadt guttäte.

Wichtiger Investor für Wittenberger Raum

Ulrich Thomas (CDU) bemängelte die öffentliche Kritik der Linken am genannten Investor sowie die grundsätzliche Infragestellung der Fördermittelvergabe durch die Landesregierung. Die Landesregierung leiste eine Wirtschaftspolitik, die im Land Wachstum und Wohlstand ermögliche, so Thomas. Investitionen und Investoren würden positiv begleitet. Die Lohnentwicklung sei vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Situation eines Unternehmens zu betrachten.

Wenn DIE LINKE von einer verfehlten und blinden Förderpolitik spreche, erweise sie dem Land einen Bärendienst, sagte Thomas. Der tschechische Konzern Agrofert nämlich sei einer der größten Arbeitgeber in Tschechien; seinen Deutschlandsitz habe er nach Wittenberg verlagert. Er habe sich auch in Weißenfels vielfältig eingebracht und tue dies nun auch in Wittenberg. Der Landesregierung sei es gelungen, das Unternehmen Lieken in Sachsen-Anhalt zu erhalten, 200 Millionen Euro würden am neuen Standort Wittenberg investiert. Lediglich rund sechs Prozent stammten hierbei aus Fördermitteln, erinnerte Thomas.

Bärendienst für die Wirtschaft

Wirtschaftsförderung solle helfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Unternehmen in der Region zu halten und bereits bestehende Arbeitsplätze zu erhalten, erklärte Holger Hövelmann (SPD). Aber Wirtschaftsförderung dürfe nicht der Lohndrückerei dienen; Mitarbeiter dürften nicht plötzlich sehr viel weniger verdienen, weil sich der Standort eines Unternehmens geändert habe. Und freilich dürfe nicht eine Region des Landes gegen eine andere ausgespielt werden.

Es gehe nicht darum, eine Unternehmensentscheidung zu kritisieren, sondern zu fragen, ob es im Interesse des Landes und des Steuerzahlers ist, einen Standort zu schließen und einen neuen mit schlechteren Arbeitsbedingungen zu eröffnen – „da sagen wir deutlich Nein“, betonte Hövelmann. Damit erweise man der Wirtschaft insgesamt einen Bärendienst, „soziale Marktwirtschaft sieht anders aus“. Die Vorgänge um Lieken/Agrofert machten deutlich, dass eine Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung überfällig sei. Dies würde in enger Abstimmung mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften vorgenommen.

Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.