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Plenarsitzung

Aktuelle Debatte: Quo vadis, Fricopan?

Die Fraktion DIE LINKE hatte für die 4. Sitzungsperiode eine Aktuelle Debatte beantragt, in der es um die Schließung des Standortes Fricopan Back GmbH Immekath geht. Von der jetzt angekündigten Schließung seien über 500 Beschäftigte betroffen, deren Arbeitsplatz wegzufallen drohe. Nach bisherigen Erkenntnissen lehne die Aryzta AG sowohl den Verkauf an einen auf dem Markt tätigen Mitbewerber als auch eine Transfergesellschaft ab. Behandelt wurde parallel ein Antrag der Linken zur Umsteuerung der Wirtschaftsförderung.

Lauter Leckereien: Backwaren von Fricopan dürften den eigenen (Noch-)Mitarbeitern derzeit aber sauer aufstoßen. Foto: Screenshot

Schließung trotz „wirklich guter Umsätze“

Fricopan begründete das Aus des Standorts mit einer schlechten wirtschaftlichen Situation. Dabei sei in den letzten drei Geschäftsberichten noch von „wirklich guten Umsätzen“ gesprochen worden, rekapitulierte Andreas Höppner (DIE LINKE).

Der Standort solle geschlossen werden, obwohl in den letzten Jahren noch Fördermittel vom Land geflossen seien. Es handle sich Höppners Meinung nach um missbräuchliche Verwendung von Fördermitteln, wenn an einer Stelle im Land ein geförderter Standort geschlossen werde, um an anderer Stelle einen neuen mit Fördermitteln zu errichten.

Über 500 Beschäftigte seien von dem Aus direkt betroffen, hinzu kämen noch Zeitarbeiter und kleine Handwerkerfirmen, die zeitweise beschäftigt worden seien. Ganze Familien arbeiteten bei Fricopan, es sei ein gewichtiger Faktor in der Altmark. Höppner zufolge habe die Landesregierung in den zurückliegenden Jahren eine falsche Ansiedlungspolitik betrieben. Die Linken setzten auf ein Umschwenken von der Quantität zur Qualität bei der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Investorensuche läuft auf Hochtouren

Die angekündigte Schließung des Fricopan-Standorts sei eine schmerzhafte Entscheidung für die Beschäftigten und die ganze westliche Altmark, räumte Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) ein. Die Landesregierung bemühe sich derzeit mit Hochdruck, einen anderen Investor zu finden. Die Investitions- und Marketinggesellschaft (IMG) des Landes habe bisher mit rund 200 Unternehmen Kontakt aufgenommen. Sollte bis August keine Lösung vorliegen, soll zumindest der Personalabbau sozialverträglich gestaltet werden. Bei einer Schließung des Standorts wolle der Mutterkonzern an „tragfähigen Lösungen“ mitarbeiten, so Felgner.

Die Verwendung von Fördermitteln ist unter anderem an eine zeitliche Bindung eines Unternehmens an einen Standort geknüpft. Es sei freilich bedauerlich, wenn Unternehmen Standorte nach dem Ablauf dieser zeitlichen Bindung schlössen. In diesem Zusammenhang sei es nötig, die gesamte GRW-Investitionsförderung (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen, so Felgner. Bis zum Jahresende wolle die Landesregierung einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Dabei müssten aber Theorie und Praxis abgewogen werden, denn Unternehmen entwickelten sich durch das Geschehen und die Konkurrenz auf dem Markt.

„Förderung von Fricopan war richtig“

Ein für die Region wichtiges Unternehmen gehe wohl verloren, bedauerte Ulrich Thomas (CDU). Eigentlich sei die Geschichte des Unternehmens Fricopan aber eine Erfolgsgeschichte. Regelmäßige Investitionen und die Steigerung der Beschäftigtenzahl hätten zu einem kontinuierlichen Wachstum geführt. Ohne die Investitionsförderung des Landes hätte es das Unternehmen Fricopan mit seinen über 500 Beschäftigten sicherlich gar nicht gegeben, mutmaßte Thomas. Die Entscheidung für die Förderung sei – im Rückblick – also richtig gewesen, auch wenn Fricopan mit seinen industriellen Backwaren für eine starke Verdrängung auf dem Markt gesorgt habe.

Das investierte Geld des Landes habe Fricopan durch seinen wirtschaftlichen Erfolg zurückgezahlt, es entstünden für die Steuerzahler also keine finanziellen Verluste, versicherte der CDU-Politiker. Die GRW-Förderung konzentriere sich heute auf kleine und mittelständische Unternehmen. Dabei soll der Hauptsitz des zu fördernden Unternehmens in Sachsen-Anhalt sein, erklärte Thomas. Die Umstellung der GRW-Förderung auf ein Zuschlagssystem sei richtig gewesen. Es sei vollkommen kontraproduktiv, auf der Suche nach einem neuen Investor einem international tätigen Konzern öffentlich Fördermittelbetrug vorzuwerfen, kritisierte Thomas das Agieren der Linken.

„Mahnmalen fehlgeschlagener Wirtschaftspolitik“

Die AfD sehe die Notwendigkeit einer völligen Umstellung der Förderpolitik des Landes, erklärte Matthias Lieschke (AfD). Im Land gebe es eine Reihe von „Mahnmalen fehlgeschlagener Wirtschaftspolitik“. Zu oft würden große Unternehmen nur kurzzeitig nach Sachsen-Anhalt kommen, um Fördergelder abzugreifen.

Die AfD stimme dem Ansinnen zu, der Wertschöpfungsintensität bei der Vergabe von Fördermitteln einen größeren Stellenwert einzuräumen. Der Antrag der Linken gehe in die richtige Richtung, aber keinesfalls weit genug. Die AfD fordert eine Reduzierung der maximalen Förderung für Großunternehmen. Dadurch könne die Basisförderung von kleineren und mittelständischen Unternehmen erhöht werden.

Durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen (Digitalisierung, Verkehrsinfrastruktur) sollen durchaus auch große Unternehmen in Sachsen-Anhalt angesiedelt werden, so Lieschke. Die AfD spreche sich für eine Abschottungskultur gegen unredliche Großunternehmen aus, die es nur auf das Abgreifen von Fördermitteln abgesehen hätten.

Wirtschaftliche Flexibilität nicht einschränken

Die Entscheidung des Unternehmens Aryzta gehe weit über die Schließung eines Standortes hinaus, erklärte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die Produktion entspreche laut Aryzta nicht mehr den Kundenwünschen. Wenn Aryzta die Weiterbetreibung des Standorts durch einen Mitbewerber ablehne, scheine dort wohl doch wettbewerbsfähig produziert werden zu können – mit den „zu alten Maschinen“ und einer Infrastruktur, in die in den vergangenen Jahren investiert worden sei, so Meister skeptisch.

„Wir brauchen eine Neujustierung der Fördermittelvergabe“, räumte der Grünen-Politiker ein. Eine Erhöhung der Bindungsfrist für Unternehmen (im Zuge der Fördermittelannahme) werde aber nicht unbedingt das Lösungsmittel für mehr Effizienz sein, so Meister. Die wirtschaftliche Flexibilität von Unternehmen würde eingeschränkt. Andere Mittel müssten her, so Meister: Unternehmen, die die Bildung von Betriebsräten verhindern, könnten von der Vergabe von Fördermitteln ausgeschlossen werden. Ausschlaggebend könnte auch die Gestaltung von familienfreundlicher Arbeit sein.

Schlechte Entscheidung des Unternehmens

Für die Gemeinden, den Altmarkkreis Salzwedel, für das Land sowie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sei die unternehmerische Entscheidung Aryztas eine schlechte Entscheidung, konstatierte Holger Hövelmann (SPD). Die Schließung des Standorts bedeute allein für die Stadt Klötze einen Steuerausfall von 400 000 Euro. Da der größte Wasserverbraucher der Region wegfalle, befürchten die Bürger nun eine Steigerung der Beiträge. Er riet den Beschäftigten und ihrem Betriebsrat, die Möglichkeiten des deutschen Arbeitsrechts zu nutzen. Die SPD fordert die Bildung einer Transfergesellschaft, um die Fricopan-Kollegen auf dem Weg in andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu begleiten.

Dringender Änderungsbedarf in der Förderung bestehe, wenn ein früher geförderter Standort geschlossen und ein anderer mit neuen Fördermitteln aufgebaut werde. Man müsse mit den Möglichkeiten der Förderpolitik dafür Sorge tragen, dass falsche Anreize unterbunden würden, so Hövelmann.

Das Vorhandensein von Tarifverträgen müsse zukünftig wichtig bei der Höhe der Wirtschaftsförderung sein. „Wer betriebliche Mitbestimmung verhindert, darf nicht mehr mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden“, forderte der SPD-Politiker. Auch die Wertschöpfung im Land müsse ausschlaggebend für die Förderung sein. Fördermittel dürften nicht für die Verlagerung von Produktionsstandorten im Land verwendet werden.

Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst. Der parallel beratene Antrag der Linken wurde einstimmig in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung überwiesen.