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Plenarsitzung

Nachtragshaushalt 2015/16 beschlossen

  • Knapp 700 Millionen Euro für Unterbringung und Integration
  • Kommunen erhalten Kostenpauschale pro Person/Quartal
  • Finanzminister versichert, bei Mehrbedarf werde nachgesteuert

Im Juli 2015 hatte die Landesregierung den Entwurf zum Nachtragshaushaltsgesetz 2015/2016 vorgelegt und damit einen neuen aktualisierten Einnahmen- und Ausgabenplan aufgestellt. Der Ausschuss für Finanzen hat nun eine Beschlussempfehlung mit einigen Änderungen vorgelegt. Die Mehrheit der Abgeordneten folgte dieser Empfehlung, das Gesetz ist damit beschlossene Sache. Unter anderem soll den Landkreisen und kreisfreien Städten durch die „Kostenerstattung nach dem Aufnahmegesetz im Jahr 2015“ für zugewiesene Personen eine Pauschale in Höhe von 2 150 Euro je Person und Quartal erstattet werden. Die Linken brachten zwei Änderungsanträge ein, mit denen mehr finanzielle Mittel für die Einstellung von Lehrern und Polizisten ermöglicht werden sollten. Die Anträge wurden allerdings abgelehnt.

Flüchtlinge nicht nur als Kostenfaktor sehen

„Politik ist die Kunst des Machbaren oder Möglichen“, zitierte Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) den alten Bismarck eingangs seiner Rede zum Nachtragshaushalt. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingssituation stand die Frage im Mittelpunkt, welche Gelder im Nachtragshaushalt für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen bereitgestellt werden. Bullerjahn machte deutlich, dass er zu diesem Zeitpunkt nichts von grundsätzlichen Debatten halte, sondern es darum gehen sollte, praktische Lösungen zu finden und den Menschen zu helfen. Ganz aktuell sei wichtig, „dass Ende nächster Woche alle Flüchtlinge in der Zentralen Aufnahmestelle in Halberstadt (ZASt) ein festes Dach über dem Kopf haben“.

Der SPD-Politiker bezeichnete die derzeitige Flüchtlingssituation als größte Herausforderung für Deutschland seit der Wiedervereinigung. Dennoch werde das Land dies meistern und die Posten im Nachtragshaushalt bewiesen, dass die Kosten gestemmt werden könnten, ohne dass ein Cent weniger für Schulen, Straßen oder Kultur ausgegeben würde. Dies könne Bullerjahn zumindest für diesen Haushalt garantieren, ob das auch zukünftig so bleibe, wollte er nicht orakeln. Pauschale Kritik aus der Bevölkerung und den Kommunen, à la „Wir mussten permanent sparen, aber die Flüchtlinge bekommen jetzt alles“, hält er für kontraproduktiv.

Bullerjahn sieht in den Flüchtlingen eine Chance für Sachsen-Anhalt und mahnte, sie – trotz Haushaltsdebatte – nicht vornehmlich unter Kostenaspekten zu betrachten. Denn die Bevölkerung nehme wahr, wie Politiker sich des Themas annähmen. Dabei gehe es nicht zuletzt auch um die Frage, welche Perspektive Sachsen-Anhalt in Zukunft habe. „Wir in Sachsen-Anhalt brauchen wie kein anderes Bundesland die Zuwanderung, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.“

Zwar gab der Finanzminister zu, dass gewisse Zahlen im Nachtragshaushalt bereits wieder überholt seien, allerdings müsse man irgendwann zu einem Ende kommen. Es müssten Entscheidungen getroffen werden, da die Kommunen das Geld jetzt brauchten. Die Zahlen zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen bezögen sich daher auf Schätzungen, dass bis Jahresende 30 000 Flüchtlinge aufgenommen werden. Falls es deutlich mehr würden, müsste im Haushalt natürlich nachgesteuert werden, sagte Bullerjahn. Insgesamt werden noch in diesem Jahr 216 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt, für 2016 sind 474 Millionen geplant.

Insgesamt umfasst der Doppelhaushalt 2015/2016 rund 22 Milliarden Euro, etwa 570 Millionen mehr als im bisherigen. Angesichts dieser Zahlen zeigte sich Bullerjahn stolz, dass auch dieser Haushalt ohne neue Schulden bewältigt werden konnte. Das Geld stamme aus höheren Steuereinnahmen, Hilfen des Bundes und aus der Steuerschwankungsreserve. Er sprach sich dafür aus, auch in den nächsten Jahren außergewöhnliche Herausforderungen ohne Aufnahmen neuer Kredite zu bewältigen, dies mache das Land widerstandsfähiger und sei eine Investition in die Zukunft unserer Kinder.

„Geschäft mit der Not“ muss aufhören

Swen Knöchel (DIE LINKE) kritisierte, die Landesregierung reagiere zu spät und zu zögerlich auf die Flüchtlingspolitik. Gleichzeitig lobte er den Finanzminister für seine Bereitschaft, kurzfristige Lösungen zu finden, um weitere Zeltstädte zu verhindern. Knöchel empörte sich über das „Geschäft mit der Not von Menschen sowie von Land und Kommunen“. Nicht allein die Zahl der Flüchtlinge sei Schuld an der Situation, sondern auch die Geschäftemacherei einzelner Unternehmen. Diese „teils sittenwidrige Gier“ müsse eingegrenzt werden. Heftige Kritik übte er zudem an der Forderung von Ministerpräsident Haseloff nach einer Absenkung des Mindestlohns für Flüchtlinge. Damit wolle er bewusst Ängste schüren und Deutsche gegen Flüchtlinge ausspielen.

Mit Blick auf die konkreten Zahlen des Nachtragshaushalts sagte Knöchel, für seine Fraktion bleibe weiterhin unklar, auf welcher Grundlage die Pauschale der Kommunen für die Flüchtlinge errechnet worden sei. Aktuelle Zahlen aus den Landkreisen zeigten, dass die tatsächlichen Kosten weitaus höher lägen. „Der Haushalt ist damit bereits Altpapier, bevor er verabschiedet wird“, so Knöchel.

Grundsätzlich sie das Credo der jetzigen Regierung: „Handeln, wenn es zu spät ist.“ Aktuelles Beispiel dafür sei die Personalbemessung im Haushalt, insbesondere für Polizisten und Lehrer. DIE LINKE hält die angedachten Einstellungsschlüssel für viel zu gering, um den Bedarf zu decken. In zwei Änderungsanträgen forderte sie daher die Aufstockung in beiden Bereichen. Eine weitere Baustelle machte Knöchel bei der Finanzierung des Reformationsjubiläums 2017 aus, wo aus den zunächst veranschlagten 75 Millionen Euro bereits 80,2 Millionen Euro geworden sind und vermutlich weitere hinzukämen.

Sein Fazit: Mit dem Nachtragshaushalt seien keine klaren Verhältnisse geschaffen worden. Stattdessen handle die Landesregierung nach dem Motto „Vor der Landtagswahl kommt Weihnachten“ und verteile daher einige Geschenke, zum Beispiel die zusätzlichen 50 Millionen Euro an Kommunen aus dem FAG. Gleiches gelte für 6,5 Millionen Euro an die Universitätskliniken, Gelder für die Sanierung von Sportstätten, die Sicherung von Musikfestivals oder den Bau der langersehnten Förderschule in Magdeburg. Zwar seien dies alles gute Projekte und das Geld richtig angelegt, die Einsicht dazu komme allerdings zu spät, kritisierte Knöchel.

Weiterhin auf neue Schulden verzichten

Man stehe vor der Verabschiedung eines Nachtragshaushalts, wie er in dieser Form bei der Aufstellung des regulären Haushalts nicht abzusehen gewesen sei, erklärte Eva Feußner (CDU) zu Beginn ihres Redebeitrags. Die CDU-Finanzexpertin hob zunächst die Vermeidung neuer Schulden und die Tilgung alter Schulden in den vergangenen Jahren lobend hervor, ohne dabei die wichtigen politischen Entscheidungen außer Acht gelassen zu haben. Daran werde man festhalten.

Mit dem Nachtragshaushalt werde ein guter Beitrag für die finanzielle Entlastung der Kommunen geleistet, erklärte Feußner. Auch hätten sich die Zuweisungen für die Kommunen durch das novellierte Finanzausgleichsgesetz positiv verändert. So könnten sie selbst aus eigener Kraft an der Vor-Ort-Haushaltskonsolidierung arbeiten. Sechs Millionen Euro werden zusätzlich für Sportstätten in den Haushalt eingestellt. „Das reicht natürlich nicht für alle Sanierungsbedarfe“, räumte Feußner ein, aber es gebe eine stufenweise Förderung von 90 bis 100 Prozent.

Finanzielle und personelle Entlastung der Kommunen werde es für den Bereich Asylbewerber und Flüchtlinge geben. In den Jahren 2015 und 2016 werden insgesamt 687 Millionen Euro ausgezahlt, dies seien 523 Millionen Euro mehr als geplant, so Feußner. Über 600 neue befristete und unbefristete Stellen seien geplant. Höhere Millionenbeträge werden in vier neue zentrale Aufnahmestellen (Ausbau Halberstadt, Stendal, Magdeburg, Halle) für Flüchtlinge investiert.

Man werde weiterhin der Pflicht nachkommen, Asylsuchende aufzunehmen, niemand rüttle am Königsteiner Schlüssel. Man müsse sich aber fragen, ob sich das Land dauerhaft für 30 000 Menschen einsetzen könne, sagte Feußner: „Wir müssen darüber diskutieren, wie viele Asylbewerber in unser Land integrierbar sind und wie lange ein solcher Flüchtlingsstrom für das Land finanzierbar ist.“

Feußner räumte Schwächen des Landes bei der Besetzung von Lehrer- und Polizeistellen ein. Die Abwerbung von Lehrern aus freien Schulen müsse aber sofort aufhören, forderte sie von Kultusminister Stephan Dorgerloh; im Polizeivollzug müsse überlegt werden, wie zukünftig mehr Beamte ausgebildet und eingestellt werden könnten.

Meister: „Können so dem Haushalt nicht zustimmen“

Der Nachtragshaushalt sei von den Herausforderungen durch die aktuelle Flüchtlingssituation bestimmt, erklärte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die geplanten Kosten seien freilich ein fiskalischer Kraftakt für das Land und seine Kommunen. Letztere würden finanziell stärker unterstützt.

Als weiteren Schwerpunkt des Nachtragshaushalts nannte Meister die Personalausstattung an den Schulen. Die geplanten Neueinstellungen würden nicht ausreichen. Die Grünen hatten gefordert, in 2016 zusätzlich 180 Stellen zu besetzen, man habe sich bei den Beratungen allerdings nicht durchsetzen können. Die zusätzlichen Mittel für die Kommunen aus dem FAG seien nur „ein Schluck aus der Pulle“, dies sei unangemessen und nicht nachhaltig, kritisierte der Finanzexperte der Grünen. Zudem fehlten in den Kommunen Anreize für Konsolidierung. Die Grünen würden dem Nachtragshaushaltsgesetz nicht zustimmen, kündigte Olaf Meister an.

Haushalt sichert Unterbringung und Integration

Der Nachtragshaushalt werde nötig, „weil die Welt, in der wir leben, nicht so ist, wie wir sie uns wünschen“, erklärte Krimhild Niestädt (SPD). Krieg, Gewalt, Zerstörung und Vertreibung seien die Gründe für die Flucht von Millionen Menschen. Sie suchten in Deutschland nach Sicherheit für ein menschenwürdiges Leben. Sie würden uns unser gutes Leben nicht wegnehmen wollen, sondern sich selbst ein solches erarbeiten, so die SPD-Politikerin. Die ungebremste Hilfsbereitschaft in weiten Teilen der Bevölkerung mache sie stolz und zeige, dass wir dieses gemeinsame Projekt bewältigen werden.

Kritisch stellte sie die Frage: „Wie sollen Mittel zur Begrenzung der Obergrenze von Flüchtlingen aussehen?“ Sie selbst wolle keine neuen Grenzanlagen und Mauern um Deutschland und Europa. „Asyl ist ein unveränderbares Völkerrecht und in Deutschland ein Grundrecht“, ihrer Meinung nach könne der Zustrom nur begrenzt werden, wenn die Fluchtursachen bekämpft würden. Ähnlich wie ihr Fraktionskollege Bullerjahn ist sie der Ansicht, dass die Flüchtlinge unsere Gesellschaft bereicherten. Damit dies gelinge, seien die notwendigen finanziellen Mittel für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen im Nachtragshaushalt eingestellt.

Im Detail nannte sie beispielsweise Investitionsmittel für den Bau neuer Erstaufnahmeeinrichtungen und die Kostenpauschale für die Kommunen. Der Sorge einiger Kommunen, dass das Geld nicht reichen würde, brachte sie entgegen, dass für das nächste Jahr eine Evaluation vorgesehen sei. Danach könnte bei Bedarf nachgesteuert werden. Außerdem enthalte der Nachtragshaushalt rund 5 Millionen Euro für Beratungsangebote und Integrationsprojekte, 2,5 Millionen Euro für Projekte der Willkommenskultur, 1,5 Millionen Euro für die Integration an den Hochschulen und 3 Millionen Euro, um das Sammeln erster Arbeitserfahrungen zu unterstützen. Daneben seien finanzielle Hilfen für spezielle Lehrmittel für Flüchtlingskinder und für die Erwachsenenbildung vorgesehen.

Neben den Herausforderungen durch die gestiegene Zahl an Flüchtlingen liege ein weiterer Schwerpunkt des Nachtragshaushalts bei der Stärkung der Kommunen. Niestädt nannte hier die 50 Millionen Euro zusätzlich aus dem FAG sowie das STARK-V-Programm, mit dem Kommunen zusätzlich 123 Millionen Euro Bildungsinfrastruktur, Umweltprojekte oder den Breitbandausbau zur Verfügung gestellt würden.

Ergebnis und Anträge

Die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE wurden abgelehnt. Den Einzelplänen des Nachtragshaushalts 2015/2016 wurde zugestimmt. Für den Gesetzentwurf als Ganzes hatte die SPD-Fraktion eine namentliche Abstimmung beantragt. Das Ergebnis lautete: 64 Ja-Stimmen, 29 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung und 11 nichtanwesende Abgeordnete. Damit ist der Nachtragshaushalt 2015/2016 beschlossen.