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Plenarsitzung

Die Schattenseiten des Fußballsports

In Sachsen-Anhalt finden jährlich Tausende Sportveranstaltungen statt, die meisten davon verlaufen gewaltfrei. Trotzdem kommt es gerade am Rande von Fußballspielen immer wieder zu Straftaten. Daher hat sich der Ausschuss für Inneres und Sport des Landtags in der Vergangenheit wiederholt mit dem Thema Gewalt im (Fußball-)Sport beschäftigt und das Innenministerium hat sogar einen Runden Tisch zur Thematik eingesetzt. Mit der Aussprache zu einer Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kam das Thema nun erneut auf die Tagesordnung des Landtags. Dabei ging es insbesondere auch um rassistische, antisemitische und homophobe Tendenzen im Sport. 

Die Antwort auf die Große Anfrage umfasst 49 Seiten und kann über den folgenden Link eingesehen werden.

Die überwiegende Zahl an Fußballspielen in Sachsen-Anhalt verläuft völlig gewaltfrei. Trotzdem hatte die Polizei in der Spielzeit 2013/14 rund 67 000 Einsatzstunden bei Fußballspielen. Foto: nemar74/fotolia.com

„Sport ist der Spiegel der Gesellschaft und darum zeigen sich dort auch die Probleme der Gesellschaft“, sagte Sebastian Striegel (Grüne). Zwar gebe es im Bereich der rassistischen und antisemitischen Gewalt jede Menge Grund zur Hoffnung auf Minderung, im Bereich der Homo- und Transphobie habe man allerdings noch einen weiten Weg vor sich. So hätte das Coming-out des ehemaligen Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger nach Ansicht Striegels an der Realität auf und neben dem Fußballplatz nichts geändert. „Diskriminierungsfreiheit darf nicht nur von oben verordnet werden, sondern muss auch von unten wachsen.“

Striegel: „Statistiken spiegeln Realität nicht immer wider“

Noch immer müssten sich schwule Fußballfans in Stadien Beleidigungen anhören, und auch aktive Fußballspieler hätten sich immer noch nicht geoutet. Der Grünen-Abgeordnete plädierte in dem Zusammenhang dafür, die Heteronormativität im Fußball zu hinterfragen. Viele Betroffene würden sich noch immer nicht trauen, über ihre negativen Erfahrungen zu sprechen. Die Statistiken für gewalttätige Übergriffe im Sport würden demnach die Realität nicht immer widerspiegeln. „Es ist auch ein Problem des Hinguckens“, so Striegel.

Darüber hinaus ist er der Meinung, dass positive Initiativen wie das Projekt „Menschlichkeit und Toleranz im Sport“ (MuT) unbedingt fortgesetzt werden müssten und sich der Fußballverband Sachsen-Anhalt noch stärker daran beteiligen sollte. Unverständlich sei für Striegel die Einschätzung der Landesregierung, dass „derzeit keine Erkenntnisse über zielgerichtete rechtsextremistische Unterwanderungen von Ultra- und Hooligangruppen sowie von Fußballvereinen und Fanclubs“ vorlägen. Der FC Ostelbien Dornburg aus dem Jerichower Land sei für ihn kein „normaler Fußballverein“, da zahlreiche polizeibekannte Neonazis zu den Gründungsmitgliedern zählten.

Webel: Zusammenarbeit aller Netzwerkpartner nötig

Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) erklärte in Vertretung des Innenministers Holger Stahlknecht, dass jede Einsatzstunde der Polizei in einem Fußballstadion Geld koste, das diese gerne für andere Dinge ausgeben würde. In der Spielzeit 2013/14 waren es knapp 67 000 Einsatzstunden, fast 20 000 mehr als in der Saison zuvor. Webel verwies auf die zahlreichen Projekte und Initiativen, die bereits ergriffen worden seien, um die Gewalt im Fußball zu reduzieren oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. So hätte das Innenministerium beispielsweise einen Runden Tisch zu der Thematik eingesetzt. Außerdem werde seit 2011 das „MuT“-Projekt vom Landessportbund Sachsen-Anhalt e. V. unterstützt.  Ziel des Projektes sei es, die demokratischen Strukturen des Sports zu stärken und (rechts-) extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. 

Darüber hinaus sei die Polizei bemüht, durch Kommunikation im Einsatz möglichst Gewalt zu vermeiden und die Zahl der gewaltbereiten Personen zu verringern. Dies sei jedoch bisher nicht in ausreichendem Maße gelungen. Zum einen, weil viele Fans gar nicht kommunikationsbereit seien, zum anderen, weil es manchmal zu gruppendynamischen Prozessen komme. In dem Zusammenhang verwies Webel auf das aus Bundesmitteln finanzierte Projekt „SiKomFan“, an dem beispielsweise der Hallesche FC teilnehme. Ziel des Projekts ist es, die Kommunikationsstrategien der an Fußballspielen beteiligten Sicherheitsakteure untereinander zu verbessern und den Dialog mit den Fans zu optimieren. Grundsätzlich geht Webel davon aus, dass auch zukünftig eine intensive Zusammenarbeit aller Netzwerkpartner aus Politik, Gesellschaft und Sport nötig sein werde, um der Gewalt im Fußball zu begegnen.

Born mahnt: „Fehlende Bildung und Aufklärung“ 

Solange es sportlichen Wettkampf gebe, sei dieser begleitet von Konkurrenzdenken und diese sei begleitet von Fairness und Unfairness, erklärte Norbert Born (SPD). So wie sich die Gesellschaft verändert habe, hätte sich auch die Ausdrucksweise der Menschen gegenüber ihrem sportlichen Gegner, den gegnerischen Fans oder dem Schiedsrichter verändert. Die Mannschaften von der Kreis- bis zur Bundesliga seien heutzutage in puncto Nationalitäten  viel heterogener zusammengesetzt als noch vor zwanzig Jahren. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Fanclubs. 

Aufgrund der männerorientieren Milieustruktur sei der Fußball besonders von Gewalt betroffen. Zudem würde der Genuss von Alkohol die Hemmschwelle sinken lassen, Wörter wie „Schwuchtel“ seien als Schimpfwörter mittlerweile tief verankert in der Gesellschaft – nicht nur im Fußball. Born kam zu dem Schluss: „Gewalt, Diskriminierung und Rassismus sind ein Ergebnis fehlender Bildung und Aufklärung auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.“ Für die Aufklärung seien auch die Landtagsabgeordneten verantwortlich, jederzeit und an jedem Ort.

Loos: „Nicht genügend differenzierte Erhebungen“

Uwe Loos von der Fraktion DIE LINKE kritisierte, dass es noch nicht genügend differenzierte Erhebungen über Gewalt in Fußballstadien gebe. Erst wenn man konkrete Statistiken hätte – zum Beispiel über antisemitische, rassistische oder homophobe Gewalt – könnte man auch konkrete Maßnahmen entwickeln. Er lobte ein Projekt des Deutschen Fußballverbandes, in dem Schiedsrichter digital alles erfassten, was ihnen auf oder abseits des Spielfeldes Ungewöhnliches auffallen würde oder was ihnen gemeldet worden sei. Dies sei sinnvoll, um eine verlässliche Datenbasis zu erhalten und zu sehen, ob vorhandene Maßnahmen greifen oder wo gegebenenfalls noch mehr getan werden müsse.

Außerdem kritisierte Loos, die Ausführungen der Landesregierung zur Unterwanderung der Fußballvereine durch Hooligans. Er sehe durchaus eine Gefahr, dass sich auf diese Weise rechtsextremes Gedankengut in einzelnen Vereinen breitmache, wie der Verein FC Ostelbien Dornburg zeige.

Krause: „Hässliche Seite des Sports“

Dem Fußball komme eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zu und das Image des Sports und der Vereine leide unter den immer wieder vorkommenden Gewaltausbrüchen, betonte Dietmar Krause (CDU). Allerdings dürfe man auch nicht vergessen, dass die meisten Fußballspiele völlig gewaltfrei abliefen. Laut Landesregierung hätte die Polizei 2013 folgende Delikte registriert: 76 Körperverletzungsdelikte, 54 Straftaten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, 21 Straftaten wegen Landfriedensbruchs, 13 Straftaten wegen Bedrohung und zwölf Raubstraftaten. Die antisemitische Gewalt hätte laut Landessportbund in den vergangenen Jahren nicht zugenommen, und auch die homophobe Gewalt sei nicht so häufig, wie vielleicht durch Medienberichte suggeriert.

Nach Ansicht von Krause hätte die Landesregierung bereits einiges getan, um präventive Maßnahmen zu ergreifen und über den Sport demokratische Werte wie Fairness, Teamgeist und wechselseitigen Respekt zu vermitteln. Der CDU-Abgeordnete nannte hier ebenfalls den Runden Tisch und die Kofinanzierung  des „MuT“-Projektes. Zudem spiele Sport auch bei der Integration von Zuwanderern eine wichtige Rolle. Krauses Fazit: In den vergangenen Jahren sei viel getan worden, um der „hässlichen Seite des Sports“ entgegenzuwirken. Allerdings bedürfe es auch der Einsicht, dass solche Dinge nicht vollständig aus dem Sport verbannt werden könnten.