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Plenarsitzung

Berufliche Bildung für alle ermöglichen

Trotz gesetzlicher Grundlagen auf Bundes- und Landesebene können noch immer viele Menschen mit Behinderung keine duale Ausbildung absolvieren. In einem gemeinsamen Antrag fordern die Fraktionen von CDU und SPD die Landesregierung daher auf, ein Handlungskonzept „Umsetzung von Inklusion in der Berufsbildung“ zu erarbeiten und die Einführung eines individualisierten schülerbezogenen Informationsheftes zu prüfen, in dem die Kompetenzen jedes Schülers erfasst werden.

Die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung stelle höchste Ansprüche an alle Beteiligten, sagte Arbeits- und Sozialminister Bischoff während der Debatte. Foto: auremar/fotolia.com

Inklusion auch nach der Schule ermöglichen

„Inklusion darf nicht mit der Schule aufhören“, betonte Patrick Wanzek (SPD). Zwar habe die Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr 1,5 Mrd. Euro für die berufliche Inklusion ausgegeben, davon ging jedoch nur ein Prozent an Handwerksbetriebe. Es bestehe also dringend Handlungsbedarf, so Wanzek. Obwohl eine duale Ausbildung für Menschen mit Behinderung im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben sei und es für Ausbildungsbetriebe zahlreiche Förderungmöglichkeiten gäbe, kommen die meisten Schüler/innen nach der Schule noch immer in Werkstätten für Menschen mit Behinderung unter, monierte Wanzek.

Um diesen Automatismus zu durchbrechen, soll die Landesregierung ein Handlungskonzept zur Umsetzung der Inklusion erarbeiten. Außerdem müssten Firmen besser über Fördermöglichkeiten informiert werden, ein individuelles schülerbezogenes Informationsheft könnte helfen, bürokratische Hürden zu überwinden. Wanzek skizzierte weiter, dass auch die Aus- und Fortbildung von Berufsschullehrern bedacht werden müsste, sowie bauliche Veränderung an Berufsschulen. Ihm sei bewusst, dass diese Veränderungen „nicht von heute auf morgen und auch nicht ohne die eigentlichen Beteiligten“ erfolgen könnten, die Koalitionsfraktionen fordern die Landesregierung jedoch auf, sich auf den Weg zu machen.

Minister hofft auf Bundesteilhabegesetz

„Wir müssen uns nicht auf den Weg machen, sondern sind es schon, aber wir sind noch lange nicht am Ziel“, erwiderte Norbert Bischoff (SPD), Minister für Arbeit und Soziales. Die berufliche Integration stelle höchste Ansprüche an alle Beteiligten und trotz erheblicher Anstrengungen, den Übergang von Schule in Beruf zu verbessern, bleibe noch viel zu tun, räumte der Minister ein. Es gebe starke Beharrungstendenzen“, die dafür sorgten, dass viele Menschen mit Behinderung „nur“ den Weg in die Werkstätten und nicht in eine duale Ausbildung fänden. Bischoff hofft jedoch, dass sich dies mit dem Bundesteilhabegesetz ändern wird.

Der Minister erläuterte zudem einige erste Projekte, die in Sachsen-Anhalt bereits auf den Weg gebracht wurden. So gebe es seit 2012 ein Projekt, das den Übergang zwischen Schule und Ausbildungsplatz verbessern soll. Schüler/innen mit geistiger oder körperlicher Behinderung würden hier individuell betreut und hätten über Praktika die Chance, in die berufliche Praxis zu schnuppern. Darüber hinaus stünden derzeit finanzielle Mittel für 33 Arbeitsplätze zur Verfügung, bisher seien jedoch lediglich 22 entstanden. Dies zeige, so Bischoff, wie schwierig es ist, den „schematisch vorgezeichneten Weg zu durchbrechen“.

Integrationsbegleiter/innen könnten helfen 

Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) freute sich grundsätzlich über den Antrag, stellte jedoch fest, dass dieser auch gerade gut auf die politische Agenda passe. Schließlich seien derzeit noch 33 Prozent der Ausbildungsplätze in Sachsen-Anhalt nicht besetzt. Das Ziel des Antrags – mehr Inklusion in der dualen Ausbildung – auch konzeptionell zu unterlegen hält sie für sinnvoll.

Skeptisch zeigte sich die Grünen-Abgeordnete hingegen beim Thema „individuelles Arbeitsheft“. Auf Lüddemann wirkte das Ansinnen leicht diskriminierend. Stattdessen könnte sie sich eine landesweite Beratungsstelle vorstellen, die sich mit den unterschiedlichen Arbeitsweisen und Voraussetzungen von Menschen mit Behinderungen beschäftigt und hilft, Hemmschwellen zu den Ausbildungsbetrieben abzubauen. Der Änderungsantrag der Grünen schlägt darüber hinaus vor, „zu prüfen, inwieweit der Einsatz von Integrationsbegleiter/innen im Rahmen der beruflichen Bildung ermöglicht werden kann.“

Duale Ausbildung muss gewollt und zu leisten sein

Inklusion in der dualen Berufsausbildung bedeutet für Thomas Keindorf (CDU), „dass die Türen in eine duale Ausbildung für Menschen mit Handicap offen stehen“. Dabei müsse der Weg aus der jeweils individuellen Sichtweise „gewollt, möglich und bei allen guten Absichten der Politik von den Betroffenen auch zu leisten sein.“ Eine Inklusion mit der Brechstange halte er nicht für zielführend. Wenn eine duale Ausbildung nicht leistbar sei, dann seien Werkstätten eine sinnvolle Alternative. Diese dürften jedoch nicht in Konkurrenz zu den Unternehmen am Markt agieren, mahnte der CDU-Abgeordnete.

Für ihn stellte sich daher vor allem die Frage, wie kleine und mittelständische Unternehmen nachhaltig bei der Ausbildung von Menschen mit Behinderung unterstützt werden können. Außerdem müsse geklärt werden, wie die unterschiedlichen Handicaps bei einer dualen Ausbildung berücksichtigt werden können. Keindorf informierte, dass der Bundestag aktuell über ein Sonderprogramm berate, mit dem Integrationsbetriebe gestärkt und mehr Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung geschaffen werden sollen.

UN-Behindertenkonvention belegt Handlungsbedarf

„Am Anfang eines langen Weges“ sieht Linken-Abgeordnete Bianca Görke Sachsen-Anhalt beim Thema „Inklusion in der dualen Ausbildung“. Für ein Gelingen der formulierten Ziele müsse die duale Ausbildung unbedingt in ein kompetentes Netzwerk eingebettet und unterstützt werden. Mit anderen Worten: „Es braucht starke Partner“. Ein individualisiertes Schülerheft allein reiche nach Ansicht von Görke nicht aus. Es könnte jedoch sinnvoll sein, wenn die vorhandenen Kompetenzen der Schüler/innen im Vordergrund stünden und nicht die monetären Aspekte.

Zudem sei es ungemein wichtig, auch die Eltern von Menschen mit Behinderungen einzubeziehen.  Diese benötigten mehr Informationen über Wege außerhalb der Werkstätten. Je mehr sie wüssten, desto sicherer würden sie sich fühlen und wären bereit, auch andere Wege zu gehen. Zudem gehe noch oft die Mär um, „dass behindert zu sein, bedeutet, nicht in vollem Umfang leistungsfähig zu sein“. Solche Barrieren in den Köpfen müssten zunächst abgebaut werden, forderte Görke. Dass es Handlungsbedarf in diesem Bereich gebe, belege auch eine Studie der UN-Behindertkonvention. Danach bewege sich Deutschland in diesem Bereich eher rückwärts und Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt scheine für viele noch immer nur eine „reine Worthülse“ zu sein.

Zum Abschluss der Debatte ging Dr. Verena Späthe (SPD) für die beantragenden Koalitionsfraktionen auf die Änderungsanträge der Opposition ein. Den Änderungsantrag der Linken wies sie zurück, die ergänzenden Vorschläge der Grünen hielt sie für sinnvoll. Die Kritik ein individualisiertes schülerbezogenes Informationsheft sei diskriminierend, wies sie ebenfalls zurück. Späthe sieht das Heft eher als Chance für Schüler/innen und Ausbildungsbetriebe.

Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE wurde abgelehnt. Der ursprüngliche Antrag von CDU und SPD wurde um die Änderungsvorschläge der Grünen ergänzt und in dieser Form von den Abgeordneten beschlossen.