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Plenarsitzung

Positiver Eindruck mit Ecken und Kanten

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff gab in der letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause eine Regierungserklärung zu „Sachsen-Anhalt in guter Verfassung – gemeinsam die Zukunft für unser Land gestalten“ ab. In der anschließenden Aussprache legten die Fraktionen ihre eigenen Standpunkte dar.

Haseloff: „Qualität vor Quantität“

Im Herbst dieses Jahres wird das 25. Jubiläum der friedlichen Revolution in der DDR gefeiert. Sie führte nicht nur zur Wiedervereinigung beider deutschen Staaten, sondern auch zur Wiedergründung des Landes Sachsen-Anhalt. Man könne gemeinsam stolz darauf sein, wie sich das Land bis heute entwickelt habe, erklärte Ministerpräsident Reiner Haseloff. Dabei habe das Land keinen einfachen Anfang gehabt. Es sei von der Umwälzung der Wirtschaft tief getroffen gewesen, mittlerweile sei es aber modern und wettbewerbsfähig. Schon jetzt gebe es weltweit respektierte und erfolgreiche Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Auch die Hochschulen und außeruniversitären Forschungsanstalten seien mit ihren Forschungs- und Ausbildungsangeboten gefragt. Die Arbeitslosigkeit gehe zurück, junge Menschen hätten eine Zukunft in Sachsen-Anhalt, lobte Haseloff. Es gehe nun darum, die Arbeitslosenquote dauerhaft auf unter zehn Prozent zu senken. Schwerpunkt werde die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt sein. Auch auf den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland sei das Land angewiesen. In diesem Zuge solle sich Sachsen-Anhalt weiter weltoffen und demokratisch präsentieren.

Das Land habe viele Investitionen in die Bildung geleistet und so zu einer Verbesserung der Standortbedingungen beigetragen. Ziel sei die weitere Absenkung der Schulabbrecherquote. Dafür würden nicht nur mehr Lehrer eingestellt, sondern auch die Ganztagsbetreuung in Schulen und Kindertagesstätten weiterentwickelt. Der Ministerpräsident lobte den zu bewahrenden Schatz der Kulturlandschaft des Landes. Man habe hier einige Bereiche neu austariert und die Mittel im neuen Haushalt gegenüber dem Vorjahr sogar noch erhöht. „Die Verträge mit den Theatern und Orchestern sind unter Dach und Fach, sie sichern die verlässliche Finanzierung bis 2018, Dynamisierung eingeschlossen“, erklärte Haseloff. Für landesweite Unstimmigkeiten sorgt die Neustrukturierung der Polizei. Die Einführung der Regionalbereichsbeamten führe aber zu mehr Bürgernähe und verlässlichen Ansprechpartnern vor Ort, sagte Haseloff.

Vor einem Jahr hatte die Flut Sachsen-Anhalt voll im Griff, auch hierauf ging der Ministerpräsident ein. Bisher seien mehr als 75 Prozent der Fluthilfe-Anträge von privaten Wohnungseigentümern bearbeitet worden, mehr als 350 Millionen Euro Fluthilfe seien bereits bewilligt worden. 40 Millionen Euro seien zudem in den Wiederaufbau von Schutzmaßnahmen geflossen. Bis 2020 sollen alle Deiche DIN-gerecht ausgebaut sein. Mit den heftig umstrittenen Gebietsreformen habe man die Heimat zukunftssicher gemacht. Die Sparanstrengungen und Anpassungen der Strukturen schafften dem Land Luft zum Atmen und Spielräume für dessen Gestaltung. Haseloff nannte die zukünftig stärkere Bürgerbeteiligung als eine der Grundprinzipien der Demokratie. Der Konsolidierungskurs zahle sich aus, versicherte Haseloff. Lobend hob er hervor, keine Neuverschuldung zuzulassen und in die Schuldentilgung eingestiegen zu sein. „Die schweren Jahre des Umbaus sind vorüber“, erklärte Ministerpräsident Reiner Haseloff. Die Stimmung in der Wirtschaft sei gut.

„Rosarote Brille absetzen“

Die Einschätzung des Ministerpräsidenten, dass alles gut sei, sei grundsätzlich falsch, kritisierte Wulf Gallert (DIE LINKE), man müsse die rosarote Brille absetzen! Die wirtschaftlichen Daten sprächen gegen die Aussagen Haseloffs. So weise das Bruttoinlandsprodukt (flutbedingt) eine Negativentwicklung von -1,2 Prozent auf, die  sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Land seien um 0,2 Prozent gesunken, zudem gebe es weiterhin ein geringeres Durchschnittseinkommen im bundesweiten Vergleich. Gallert kritisierte den Stimmungsumschwung Haseloffs nach seiner Regierungserklärung vor einem Jahr: Aus dem „radikalen Gürtel-enger-Schnallen“ sei ein „alles super, wir stehen hervorragend da“ geworden. „Wer soll diese Einschätzung glauben?“, fragte Gallert. Gegen die Kürzungspolitik der Landesregierung sei massiv protestiert worden, die Existenzsicherung der beiden Uniklinikstandorte konnte trotz anderer Pläne seitens der Landesregierung durchgesetzt werden, auch von den Hochschulkürzungen (Reduzierung um 50 Millionen Euro) sei abgewichen worden, da letztlich Qualität und Studenten verloren gegangen wären.

Die geplanten Kürzungen im Bereich Soziales, Jugend und Blindengeld seien auf Druck von außen zum Teil zurückgenommen worden. Die Polizeistrukturreform sei ins Stocken geraten, weil alle Modelle gezeigt hätten, dass es mit Personalabbau nicht klappen würde, die innere Sicherheit zu garantieren, rekapitulierte Gallert. Die deutlich von der Landesregierung abweichenden Ansichten setzte der Fraktionsvorsitzende der Linken noch fort: Pro Jahr würden 600 bis 700 Lehrer aus dem Dienst ausscheiden, nach starkem Druck sei nun der entsprechende Einstellungskorridor erhöht worden – auf 370 Neueinstellungen pro Jahr. Im Theater seien Qualität und Angebot abgebaut, die Strukturen aber  bei Weitem nicht gesichert worden. Die Proteste der letzten Monate hätten gezeigt, dass eine Fokussierung im Haushalt allein auf Schuldenabbau von der Bevölkerung nicht als richtiger Weg angesehen worden sei.

„Sachsen-Anhalt ist ein starkes Land“

In den zurückliegenden Jahren der gemeinsamen Regierungsarbeit von CDU und SPD habe es viele Strukturentwicklungen gegeben, die heute zu Renditen führten, lobte Katrin Budde (SPD). „Wir wollen, dass Menschen herkommen und hierbleiben wollen“, sagte die Abgeordnete, Sachsen-Anhalt habe dafür finanzpolitisch eine vernünftige Perspektive. Das Land habe die Finanzkrise von 2008/2009 gut verarbeitet und müsse ab 2019 auf eigenen Füßen stehen. Die Eckdaten seien dafür gut, aber das Hausaufgabenheft sei noch voll, bis der eigenverantwortliche Stand gelungen sei. Man müsse die jungen und aufbruchsstarken Generationen befragen, wie sich das Land entwickeln soll, schlug Budde vor. Einer der Schwerpunkte sei die gute Ordnung des Landeshaushalts, die Einhaltung der bundesweiten Schuldenbremse und die Sicherung der Konsolidierungshilfen.

Katrin Budde warb für eine Neujustierung des Solidarpakts nach dessen Auslaufen, dies sei wichtig für die Entschuldung und die bessere Förderung von Stärken in den Ländern. Budde wies auf die wachsenden Versorgungsaufwände hin, die das Land selber stemmen müsse. Aus diesem Grund sei es gut, dass der Pensionsfonds weiter gefüllt werde. Die Kommunen seien weiterhin zu unterstützen – für das alltägliche Leben der Menschen und für die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens und der sozialen Gerechtigkeit. Budde lobte den hohen Industrialisierungsgrad im Osten, durch den seit der Wende die wirtschaftliche Basis im mittelständischen und industriellen Bereich aufgebaut werden konnte. Sachsen-Anhalt habe als Billiglohnland ausgedient, so die SPD-Politikerin.

In die Bildung investieren

Grüne Politik sei ein Motor der friedlichen Revolution im Jahr 1989 gewesen, erinnerte Prof. Dr. Claudia Dalbert, Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Heute seien die Umweltschützer enttäuscht von der nur schleppenden Dynamik in der Umweltpolitik der Landesregierung. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels bereite auch das Sparen an den Hochschulen und Universitätskliniken sowie den Schulen im ländlichen Bereich Sorge. In der Regierungserklärung hätte es an Visionen gemangelt, wo Sachsen-Anhalt in den kommenden 20 Jahren stehen werde. Die Regierungsarbeit sei einseitig auf die Haushaltskonsolidierung zulasten der Zukunftsgestaltung des Landes gerichtet, bemängelte Dalbert. Die Schülerzahlen stiegen, ebenso der Unterrichtsausfall, desgleichen der Spardruck auf die Hochschulen. Gleichzeitig stecke die Landesregierung viel Geld in Spartöpfe – in die Steuerschwankungsreserve und den Pensionsfonds: Das sei sinnvoll, wenn man Geld übrighabe, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Eine Landesregierung, die meint, den Haushalt zu konsolidieren, indem sieben Millionen Euro in der Theaterlandschaft gespart würden, zeige, dass sie im Grund kein Geld übrighabe, das an anderer Stelle gespart werden könnte.

Für die Grünen bedeuteten Investition in Bildung einen wichtigen Bestandteil der Generationengerechtigkeit, erklärte die Fraktionsvorsitzende. Der Ministerpräsident habe in seiner Erklärung verlauten lassen, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, so Dalbert: „Aber mit wem?“ Mit den Menschen?, mutmaßte die Fraktionsvorsitzende, doch die hätten mit den großen Demonstrationen in den letzten Monaten gezeigt, dass sie nicht mit der Regierungsarbeit einverstanden seien. Und offenbar auch nicht mit dem Landtag, da es ja nachgerade ein Markenzeichen der Regierung sei, Papiere vorzulegen, die diametral zu den Landtagsentschlüssen formuliert seien, so Dalbert abschließend.

Große Verantwortung für das Land

Die erfolgreiche Landespolitik der vergangenen Jahre sei das Ergebnis harter Arbeit und richtiger, wenngleich oft auch unpopulärer Entscheidungen der Koalition, erklärte André Schröder (CDU). Die Konsolidierung habe dem Land Handspielräume eröffnet. Erstmalig steuere das Land auf eine komplette Legislaturperiode ohne Neuverschuldung zu. Sachsen-Anhalt könne es sich allerdings nicht erlauben, nicht an die Vorsorge zu denken und also nicht in Spartöpfe einzuzahlen. Die CDU trage als größte Fraktion im Landtag eine besondere Verantwortung, auch was die Konsolidierungspolitik im Land betreffe.

Erfolge könne das Land beispielsweise durch Verfahrenserleichterungen im Baurecht verbuchen, so Schröder. Darüber hinaus habe man sich der Vernässungsprobleme angenommen und dies finanziell unterfüttert, das Hochwasserschutzkonzept sei neu aufgesetzt und die Polizeistrukturen fortentwickelt worden. Durch die Kommunalrechtsreform könne es nun zu einem bedarfsorientierten Finanzausgleich kommen, sagte Schröder und lobte auch die moderne Sportförderung, die Stabilisierung der Orchester- und Theaterlandschaft und die Fortentwicklung der Kinderbetreuung und Schullandschaft. Schröder warb für die Weiterentwicklung der Idee der sogenannten Grundschulverbünde. Auch die Hochschulstrukturreform sei weiter zu begleiten, denn hier habe es sich nie ausschließlich um eine reine Spardiskussion gehandelt, sondern sei auch eine Frage nach mehr Qualität gewesen.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung nicht gefasst.