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Plenarsitzung

Kommt die Chipkarte für Asylbewerber?

Asylbewerber/innen in Sachsen-Anhalt sind gezwungen, selbst für eine ärztliche Normalbehandlung immer wieder aufs Neue einen Krankenschein beim Sozialamt zu beantragen. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht sich für die Einführung einer Gesundheitschipkarte für Asylbewerber/innen in Sachsen-Anhalt aus, dem Beispiel von Bremen, Hamburg und Berlin folgend. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.

Entwürdigende Prozedur im Sozialamt ersparen

Die Gesundheitsvorsorge für Asylbewerber/innen in Deutschland sei derzeit völlig unzureichend, ja skandalös, erklärte Sören Herbst (Grüne). Laut Asylbewerberleistungsgesetz steht den Betroffenen nur eine Gesundheitsversorgung bei akuten Krankheiten und Schmerzzuständen, aber keine Vorsorge zu. Oftmals würden so durch die Verantwortlichen schwere gesundheitliche Folgeschäden in Kauf genommen. Asylsuchende und Geduldete dürfen bei Bedarf nicht einfach zum Arzt gehen. Ein dafür fachlich nicht ausgebildeter Mitarbeiter des Sozialamts entscheidet, ob ein Arztbesuch notwendig ist oder nicht. Die Menschen würden mit intimen Fragen und Zurückweisungen konfrontiert – das sei eine Willkürbehandlung und dies sei einem demokratischen Rechtsstaat unwürdig, betonte Sören Herbst.

Deutschland habe sich dazu verpflichtet, für die höchstmögliche geistige und körperliche Unversehrtheit aller Menschen im Land zu sorgen. Die Schlechterstellung der Betroffenengruppe sei daher ein Rechtsbruch. Das Asylbewerberleistungsgesetz sei laut Bundesverfassungsgericht verfassungswidrig und müsse abgeschafft werden, betonte Herbst. Durch die Chipkarte würde den Betroffenen die entwürdigende Prozedur im Sozialamt erspart, die Entscheidung über eine Krankheit treffe dann allein der Arzt. So könnten gesundheitliche Probleme rechtzeitig behandelt werden, was im Endeffekt auch zur Senkung der Kosten führen könne (zum Beispiel durch die Früherkennung und schnelle Behandlung von schweren Krankheiten).

Einheitliche Regelungen herbeiführen

Krankenhilfeleistungen stünden Asylbewerber/innen derzeit bei der Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen, aber auch bei Geburten und Schutzimpfungen zu. Weitergehende Leistungen würden gewährt, wenn sie unerlässlich seien oder im Besonderen Kinder beträfen, erklärte Sozialminister Norbert Bischoff. Die existenzielle Grundversorgung sei sichergestellt, präventive oder rehabilitierende Maßnahmen seien jedoch nicht grundsätzlich möglich. Die Einführung der Gesundheitskarte sei von Vorteil für alle Beteiligten, betonte Bischoff. Der Zugang zur medizinischen Versorgung werde vereinfacht, Betroffene müssten nicht mehr zum Amt gehen und sich einen Behandlungsschein holen. Der Sozialminister sprach sich dafür aus, einheitliche gesetzliche Regelungen für Bund und Länder zu forcieren und nicht auf örtliche Regelungen zu setzen.

Zeit-, Kosten- und Wegeersparnis

Patrick Wanzek (SPD) verwies auf die Flächenländer Niedersachsen, Brandenburg und Thüringen, wo die Einführung der Chipkarte für Asylbewerber/innen geplant sei oder sich bereits im parlamentarischen Prozess befinde. In Mecklenburg-Vorpommern habe sich die CDU gegen eine Einführung ausgesprochen. Die Hansestadt Rostock habe daraufhin aber eine eigene Regelung eingeführt. Wanzek sprach sich für eine bundeseinheitliche Regelung aus. Das aktuelle Verfahren sei suboptimal: Die zuständigen Behörden seien oft weiter entfernt und Verwaltungsbeamte seien nicht dafür ausgebildet, festzustellen, ob eine Behandlung notwendig ist oder nicht. Weiterführende Behandlungen müssten nach dem Arztbesuch dann wieder beantragt werden.

Eine Vereinbarung zur Einführung der Chipkarte mit den Krankenkassen zu treffen, sei von Vorteil: diese könnten ihre Leistungen besser erbringen, Ärzte könnten ihre Leistungen besser abrechnen, die Landkreise könnten ihre Verwaltungskosten senken. Zudem führte sie zu einer Zeit-, Kosten- und Wegeersparnis für die Betroffenen. Die SPD will das Thema in Ausschuss noch einmal diskutieren und plädierte für die Überweisung des Antrags.

Unterstützung ohne Abstriche

Die bestehende Gesundheitsversorgung in Deutschland sei inhuman und einem so reichen Land wie der Bundesrepublik unwürdig, erklärte Dagmar Zoschke (DIE LINKE). Man könne und dürfe nicht so tun, als ob die Asylbewerber/innen in kurzer Zeit wieder weg seien und deshalb keinen Anspruch auf medizinische Leistungen hätten. Es sei ein Gebot der Stunde, in Zeiten vieler Kriege weltweit die Willkommenskultur zu fördern. Die Einführung der Chipkarte sei nur ein Akt des Wollens; und die Linken wollen sie und unterstützten daher den Antrag der Grünen ohne Abstriche.

Zoschke hält die gängige Praxis der medizinischen Versorgung von Asylsuchenden für inakzeptabel. Die Einführung der Chipkarte werde nicht zu einer Erhöhung der Kosten führen. Vielmehr handele es sich um eine Maßnahme der Vernunft, um unnötige Bürokratie abzubauen. Man solle lieber zehn Euro mehr für eine ärztliche Behandlung ausgeben, als 80 Euro in reine Verwaltungsmaßnahmen zu investieren.

Entscheidung im Bundesrat gefallen

Wigbert Schwenke (CDU) rief die aktuelle Entscheidung aus dem Bundesrat in Erinnerung: Flüchtlingen soll künftig der Zugang zu Ärzten und Krankenhäusern vereinfacht werden, die Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber soll den Ländern ermöglicht werden. Um das Thema speziell für Sachsen-Anhalt zu diskutieren, sprach sich Schwenke für die Überweisung des Antrags in die Ausschüsse aus.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Antrag der Grünen in die Ausschüsse für Arbeit und Soziales (federführend) sowie Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.