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Plenarsitzung

Gesetzentwurf mit viel Zündstoff

Bei der Landtagssitzung im September hatte die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften in Sachsen-Anhalt vorgelegt. Notwendig werden die Veränderungen durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr zum bayerischen Kommunalabgabengesetz. Das Gesetz soll unter anderem die Verjährungsfristen bei Kommunalabgaben neu regeln und will zukünftig auch Spielraum für Gebührensenkungen bei Trink- und Abwasser ermöglichen.

Nach der ersten Beratung im Landtag ist der Gesetzentwurf federführend in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen worden. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses hatten am Donnerstag, 2. Oktober, betroffene Verbände und Interessengemeinschaften Gelegenheit, ihre Standpunkte zum Gesetzentwurf vorzutragen, auf Probleme hinzuweisen und gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Kommunalabgaben können für den Bürger ganz schön ins Geld gehen. Einem Gesetzentwurf der Landesregierung zufolge, sollen demnächst einige Vorschriften geändert und neue Spielräume für Kommunen geschaffen werden. Foto: Stefan Müller

Der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt (SGBS) und der Landkreistag Sachsen-Anhalt unterstützen den Gesetzentwurf grundsätzlich. Jürgen Leindecker, Landesgeschäftsführer des SGSBs, plädierte jedoch für eine längere Übergangsfrist bei den Altfällen. Bis Ende 2015 seien die Kommunen und Landkreise nicht in der Lage, alle noch ausstehenden Gebühren- und Beitragsbescheide zu bearbeiten. Außerdem regte Leindecker an, die Grundsteuerbescheide nicht von den Kommunen verschicken zu lassen, sondern vom Finanzamt, denn im Fall einer Widerspruchswelle wären die Kommunen nicht in der Lage, diese zu bewältigen. Positiv werteten die Kommunalverbände die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Option einer degressiven Gebührenbemessung. Auf diese Weise könnte die öffentliche Wasserversorgung zukünftig effizienter genutzt werden.

Begrüßt wird die degressive Gebührenbemessung auch vom Wasserverbandstag e. V. Dessen Vertreter schlug allerdings vor, die Degression pro Anschluss und nicht pro Unternehmen berechnen zu dürfen und eine konkrete Zahl im Gesetz festzuhalten, ab wann Degression möglich ist, um etwaigen juristischen Einwänden zuvorzukommen. Kritisch sieht Peter Mauer vom Wasserverbandstag e. V. die Verteilung der Wirtschaftsförderung. Er sagte, die Erschließung von beispielsweise Gewerbegebieten werde sozialisiert, die Förderung gehe aber nur an wenige Unternehmen. Zudem hält auch er die Frist für Altfälle bis Ende 2015 für „sportlich“ und empfiehlt daher, alle Änderungen zum Beitragsrecht bis nach 2015 zu vertagen.

Eddy Eicken von den Stadtwerken Aschersleben beschrieb am Beispiel seines Unternehmens, wie positiv sich eine degressive Gebührenbemessung für alle Kunden der Stadtwerke auswirken kann. Seit Januar 2014 haben die Stadtwerke das degressive Preisrecht umgesetzt. Während in den Vorjahren die Kosten für den einzelnen Bewohner stetig gestiegen seien, da sich die Fixkosten auf immer weniger Schultern verteilt hätten, konnte die Kostensteigerung mit der degressiven Preisgestaltung gestoppt werden, erklärte Eicken. Daher hielt er den im Gesetzentwurf gemachten Vorschlag für sehr sinnvoll sowohl für Einfamilienhäuser als auch für große Unternehmen.  Gleichzeitig könne auf diese Weise  die Infrastruktur in ihrer jetzigen Qualität unter den Bedingungen des demografischen Wandels erhalten bleiben. Ohne degressives Preisrecht wären die Preise für Kunden der Stadtwerke Aschersleben mittlerweile viel höher, betonte Eicken abschließend.

Die Stadtwerke Halle GmbH empfahl im Gesetzentwurf beim Absatz zur Abfallbeseitigung die Wörter „Verwertung und Beseitigung“ durch das Wort „Entsorgung“ zu ersetzen. Damit wäre die komplette Abfallhierarchie miteinbezogen, erklärte Matthias Lux, Vorsitzender der Halleschen Stadtwerke. Zudem sei die degressive Gebührenbemessung im Abfallbereich seiner Ansicht nach nicht so einfach anzuwenden. Demnach sollte sich die Gebührensenkung nur auf die Anzahl der Müllbehälter, nicht aber auf die Müllmenge beziehen dürfen. Lux erklärte, wenn sich jemand einen großen Müllbehälter vor das Haus stelle, sei dies für die Stadtwerke wesentlich günstiger, als wenn sie zehnmal im Jahr einen kleineren Behälter abholen müssten.

Die kommunalen Wohnungsverbände und -genossenschaften sowie der Landesverband Haus & Grund Sachsen-Anhalt e. V. schlugen einen Kompromiss für die Übergangsfrist bei Altfällen vor. Demnach sollte es bis Ende 2015 eine „Freiwilligenklausel“ geben, wonach Grundstückseigentümer freiwillig einen gewissen Beitrag zahlen könnten, erklärte Dr. Holger Neumann von Haus & Grund. In puncto degressive Gebührenbemessung stellte Neumann die Frage, wie man eigentlich kontrollieren wolle, ob der Einfamilienhausbesitzer nicht doch das Großunternehmen mitfinanziere? Grundsätzlich empfahlen die Wohnungsverbände, einzelne problematische Inhalte des Gesetzentwurfs noch einmal zu überdenken. Neumann zeigte sich überzeugt, derzeit stecke im „Gesetzentwurf noch so viel Zündstoff, der zukünftig die Gerichte beschäftigen wird“.

Rechtssicherheit, Vertrauensschutz und Leistungsfähigkeit – das seien die Prinzipen der kommunalen Beitragsbemessung, sagte Klaus Fischer vom Verband Deutscher Grundstücksnutzer e. V. (VDG).  Daher könne er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur begrüßen. Es sei für den Bürger nicht nachvollziehbar, dass er heute für einen Straßenausbau vor 20 Jahren Abgaben leisten soll. Daher lehnt der VDG die Übergangsfrist für Altfälle kategorisch ab. Fischer sagte, die Frist sei rein fiskalisch motiviert und berücksichtige die Interessen der Bürger nur unzureichend. Außerdem würde diese Frist dazu führen, dass Grundstückseigentümer, die in den 1990er Jahren schon einmal gezahlt hätten, noch einmal zu Zahlungen herangezogen werden könnten, wenn die damalige Satzung nicht korrekt gewesen sei. Die maximale Verjährungsfrist von zehn Jahren könnte Fischer gerade so akzeptieren.

Ähnlich sieht das die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK). Ihr  Vertreter Andreas Scholtyssek plädierte dafür, die Übergangsfrist für Altfälle sogar noch kürzer zu halten als im jetzigen Gesetzentwurf geplant. Scholtyssek sagte, die Kommunen hätten lange genug Zeit gehabt, die Gebühren und Beiträge einzuholen. Es könne von Unternehmen nicht verlangt werden, dass sie Rücklagen für Gebühren bildeten, von denen sie die genaue Höhe nicht wüssten. Unternehmen bräuchten Planungssicherheit und die sei mit dieser Gebührenpraxis nur schwer gegeben. Dagegen begrüßte die IHK den Vorschlag der degressiven Gebührenbemessung.

Das Initiativennetzwerk Kommunalabgaben Sachsen-Anhalt (INKA) erklärte, dass viele Bürger beim Thema Kommunalabgaben nur noch schwer den Überblick behalten könnten, da es sehr viele Einzelregelungen gebe. „Die Systematik des Kommunalabgabengesetzes ist nicht mehr vorhanden“, erklärte Rechtsassessor Wolf-Rüdiger Beck. Außerdem werde die Beitragsbemessung nicht überall in Sachsen-Anhalt durchgeführt beziehungsweise sehr unterschiedlich gehandhabt. So müssten die Bürger in der einen Kommune zahlen, in einer anderen aber nicht.

Mit der aus seiner Sicht sehr langen Verjährungsfrist von zehn Jahren – in der Praxis könnten bis zu 25 Jahre daraus werden – würden die Beitragszahler schlechter gestellt als Steuerhinterzieher, so Beck. Er plädierte dafür, die 1996 eingeführte Beitragserhebungspflicht für Kommunen rückgängig zu machen. Dann dürften Kommunen entweder legal verzichten oder Gebühren erheben. Die Übergangsfrist für Altlasten lehne INKA strikt ab, weil die Verbände lange zuvor gewusst hätten, dass sie die Abgabe erheben müssten. Beck unterstrich, dass die Fehlleistungen auf Verwaltungsseite nicht einseitig auf die Bürgerseite übertragen werden dürften.

In einer seiner nächsten Sitzungen wird sich der Ausschuss für Inneres und Sport erneut mit dem Thema befassen und die Erkenntnisse aus der Anhörung auswerten.