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Plenarsitzung

Geschlechtergerechte Politik angestrebt

Auf Basis eines Landtagsbeschlusses und einer Beschlussrealisierung der Landesregierung befasste sich der Finanzausschuss am Mittwoch, 9. April, in einer öffentlichen Anhörung mit der Thematik Gender-Budgeting, also den Prinzipien einer geschlechtergerechten Haushaltsführung des Landes. Obwohl kein alleiniges Frauen-, sondern ein Gleichstellungsthema, kamen während der Anhörung zufälligerweise nur Expertinnen zu Wort.

Haben Jungen und Mädchen die gleichen Chancen im Leben? Es liegt in den Händen der Politik, die Basis für die Gendergleichberechtigung zu schaffen. Foto: AOK-Medienservice

Ungleiche Behandlung der Geschlechter aufheben

Prof. Dr. Christine Färber von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg äußerte sich zur Machbarkeit und dem Nutzen von Gender-Budgeting. Es sei als Folge der europäischen Strategie des Gender-Mainstreamings zu verstehen und soll dahin führen, Budgets unter Geschlechteraspekten zu prüfen und zu einer gleichheitsorientierten Haushaltssteuerung zu kommen. Zu untersuchen sei, inwieweit die Einnahmen und Ausgaben des Landes Wirkung auf die Lebensbereiche von Mädchen und Jungen beziehungsweise Frauen und Männern haben. Der Haushalt sei Färber zufolge das zentrale Steuerelement für die Gleichstellungspolitik. Hierfür bedürfe es allerdings der Kompetenz von Fachleuten aus den Bereichen Finanzen und Gender, um sowohl die Kontrolle als auch die Partizipation im Budgetierungsprozess zu ermöglichen.

Ziel sei im Endeffekt die Beseitigung von Ungleichheiten in der Behandlung der Geschlechter, so Färber, wobei es aber immer wieder zu Einzelfallentscheidungen kommen müsse. Bereiche, die hochgradig eher von Männern (Jungen) oder eher von Frauen (Mädchen) besetzt seien, dürften nicht zwanghaft unter eine Gleichstellungsschablone gelegt werden. Die Umsetzung der Gender-Budgeting-Strategie werde einige Jahre in Anspruch nehmen, prophezeite Färber, die ähnliche Erfahrungen schon in Berlin und im Bund sammeln konnte. Voraussetzung seien der politische Wille und die Verpflichtung durch Landesregierung und Landtag – so wie es in Sachsen-Anhalt bereits der Fall sei. Hier vor Ort sei die Gender-Budgetierung auch eine Möglichkeit, den demographischen Wandel geschlechterorientiert und -gerecht zu bewältigen. Färber empfahl die Schaffung einer Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Finanz- und Gleichstellungsressorts, eine Ansiedlung des Gender Budgeting in der Staatskanzlei lehnte sie ab.

Umfangreiche Analyse des Ist-Zustands notwendig

Ute Wanzek vom Gender-Institut Sachsen-Anhalt (GISA) stellte heraus, dass in Sachsen-Anhalt schon seit 2001 per Landtagsbeschluss geschlechtergerechte Politik betrieben werden soll. Dies sei eine günstige Voraussetzung im weiteren Prozess, die Gleichstellungsziele seien im Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt dargelegt. Wanzek betonte, dass im Vorfeld der tatsächlichen Umsetzung des Gender-Budgetings eine umfangreiche Analyse der Geschlechterverhältnisse notwendig sei. Dadurch würde der Handlungsbedarf offengelegt, wonach dann der Zeitrahmen festzulegen sei, wie welches Ressort zur Umsetzung der Ziele beitragen solle/müsse, erklärte die GISA-Geschäftsführerin. In der Vergangenheit seien in diesem Bereich schon einige Ansätze erprobt, aber nicht verbindlich umgesetzt worden. Der Prozess des Gender-Budgetings solle dazu führen, den Einsatz und die Wirkung finanzieller Mittel zu überprüfen, um diese Mittel anschließend hinsichtlich ihrer Gleichstellungswirkung neu auszurichten.

Arbeitsgruppe beim Landesfrauenrat

Ihre Organisation zeige sich selbstredend an der gleichstellungspolitischen Umsetzung interessiert, sagte Daniela Suchantke vom Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt. Bisher habe es beim Gender-Budgeting wenig Erfolg gegeben, denn die Prinzipien seien nicht in den Haushalt des Landes implementiert. Beim Landesfrauenrat, dem Dachverband von 33 Frauenorganisationen des Landes, habe sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Umsetzung des Gender-Budgetings begleitet, erklärte Suchantke. Ein Beschluss der Delegiertenversammlung 2014 sei, die Gleichstellung schon für den nächsten Haushalt in einer gesetzlichen Regelung festzuschreiben. Gleichwohl sei man sich bewusst, dass der Prozess des Gender-Budgetings einige Zeit in Anspruch nehmen werde und einige Vorlaufzeit benötige.

„Ohne Gesetzesgrundlage kann jedoch keine Gender-Budgeting stattfinden“, zeigte sich die Vertreterin des Landesfrauenrates überzeugt. Der politische Wille sei vorhanden, wie der vorliegende Beschluss des Landtags, der aktuelle Koalitionsvertrag und das Gender-Mainstreaming-Konzept des Landes zeigten. In den Prozess sollten aber auch regierungsexterne fachkompetente Beraterinnen eingebunden werden, so Suchantke. Es gelte nun, konkrete Wirkungsziele zu benennen und durch die geschlechtergerechte Gestaltung des Haushalts zur Transparenz desselben beizutragen.

Gleicher Lösungsweg nicht immer anwendbar

Wenn das Gender-Budgeting zum Einsatz kommen solle, müssten zunächst die Gleichstellungsziele dargelegt werden, erklärte Prof. Dr. Birgitta Wolff von der Otto-von-Guericke-Universität (OVGU) Magdeburg: „Es geht hier nicht allein um Frauen-, sondern um Gleichstellungspolitik.“ Gender-Budgeting sei auch nicht der Zweck des Prozesses, sondern ein Mittel, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, macht Wolff klar. Es müsse geklärt werden, welche Lücken es bei der Gleichbehandlung von Frauen und Männern gebe, danach müsse entschieden werden, ob das Gender-Budgeting das geeignete Mittel sei, um diese Lücken zu füllen. Dies müsse nämlich nicht unbedingt der Fall sein, so Wolff.

Für die Wirtschafts- und Managementexpertin ist es allem voran wichtig, einen Bewusstseinswandel in der Wahrnehmung von Frauen und Männern und ihren Aufgaben zu erzielen. Auch die entsprechenden Problemfelder müssten im Einzelfall überprüft werden, denn nicht alle Entscheidungen ließen sich über einen und denselben Lösungsweg (hier dem Gender-Budgeting) klären. Viele Bereiche seien unmittelbar miteinander verknüpft; als Beispiel nannte Wolff die von Wissenschaftsminister Harmut Möllring vorgeschlagene Schließung der Humanwissenschaften der OVGU Magdeburg.

Handele es sich hier um eine finanzielle Entscheidung, weil der Universitätszweig zu teuer ist, oder handele es sich um eine genderpolitische Entscheidung, weil es sich um einen Wissenschaftszweig handelt, der in der Mehrzahl von Frauen wahrgenommen werde, fragte Birgitta Wolff und bot so noch einmal viel Diskussionsstoff für die kommenden Sitzungen des Finanzausschusses, der sich weiterhin mit der Thematik Gender-Budgeting beschäftigen wird.