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Plenarsitzung

Bei Wind und Wetter – Klimaschutz im Blick

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legte im September 2013 den Entwurf eines Klimaschutzgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt im Landtag vor. Zweck des Gesetzes ist die Festlegung von Klimaschutzzielen sowie die Schaffung der rechtlichen Grundlagen für die Erarbeitung, Überprüfung und Fortschreibung von Klimaschutzmaßnahmen sowie für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.

Windkraft, Photovoltaik und Biogasanlage – die Zukunft der Energieerzeugung? Foto: Florian Gerlach

Der Gesetzentwurf wurde seinerzeit im Anschluss an die Erste Beratung in den Ausschuss für Umwelt überwiesen. Im Juni dieses Jahres wurde im Ausschuss der Entschluss gefasst, eine öffentliche Anhörung mit Experten durchzuführen, zu der nun am 3. September eingeladen worden war. Wie unterschiedlich die Standpunkte für und gegen ein solches Gesetz sind, machten die Beiträge der Experten der Umwelt-, Forschungs- und Unternehmensbranche deutlich. Was die Fachleute an Erkenntnissen zusammengetragen haben, ist nun hier kurzgefasst zu lesen:

Bisherige Erfahrungen mit dem landeseigenen Klimaschutzgesetz brachte Dominik Müller vom Ministerium für Klimaschutz des Landes Nordrhein-Westfalen mit in die Anhörung im Umweltausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt. Im dortigen, Anfang Februar 2013 in Kraft getretenen Gesetz ist eine Evaluation für das Jahr 2020 eingeplant. Es enthalte Klimaschutzziele hinsichtlich Effizienz und Einsparungspotenziale, so Müller. Die Landesregierung habe den Auftrag erhalten, einen Klimaschutzplan für Nordrhein-Westfalen aufzustellen. Klimaschutzkonzepte sollen von den landeseigenen Institutionen bis 2015 erarbeitet werden. Wichtig sei, so Dominik Müller, dass neue Verordnungen und Gesetze künftig auch den Zielen des Klimaschutzgesetzes entsprächen.

Das Klima schwanke, aber das sei ein natürlicher Prozess, betonte Prof. Dr. Fritz Vahrenholt von der Deutschen Wildtier-Stiftung Hamburg. Vahrenholt widerspricht der gängigen These vom Klimawandel und der Rolle, die der Mensch darin spielt. Daher hält er auch den Gesetzentwurf der Grünen für unnötig und wies auf die unzureichend beschriebenen Folgen des Gesetzes hin. Die anvisierten Klimaziele könnten nicht erreicht werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der örtlichen Unternehmen zu gefährden, der Schutz der heimischen Natur werde vernachlässigt, Windkraftanlagen führten zu zahllosen toten Vögeln und Fledermäusen. „13 Tage China machen die Bemühungen in Sachsen-Anhalt obsolet“, betonte Vahrenholt. Die finanzielle Belastung von Unternehmern und Verbrauchern sei durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schon hinreichend hoch.

Nach aktuellen Zahlen ist die C02-Emission in den ostdeutschen Bundesländern nach der Wende rapide gesunken – vor allem durch die Stilllegung von veralteten Industrieanlagen um bis zu 75 Prozent. Die Emissionszahlen würden auch weiterhin niedrig gehalten, erklärte Dr. Matthias Hanisch vom Verband der Chemischen Industrie e.V. und lehnte den Gesetzentwurf der Grünen ab. Er würde zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand und zu wirtschaftlichen Schäden in den Unternehmen führen. Mit dem EEG und dem Emissionshandel bestünden bereits zwei starke klimaschutzpolitische Instrumente, es bedürfe daher keiner landeseigenen zusätzlichen Instrumente. Klimaschutzziele seien global zu betrachten, sonst gebe es erhebliche Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen im Land, so Hanisch. In Sachen Energieeffizienz sei kein weiterer staatlicher Druck notwendig, da die Unternehmen aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten ohnehin gewillt seien, Energie zu sparen.

Klimaschutzpolitik sei international einzubetten, meinte auch Heinz Junge, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor in der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH. Junge warnte vor Doppelregulierungen und negativen Wechselwirkungen bei der Einführung einer landeseigenen gesetzlichen Regelung. Finanzielle Belastungen für Unternehmen und Verbraucher zeichneten sich ab, ebenso eine Erhörung bürokratischer Hemmnisse. Die im Gesetz genannten Zielzahlen seien unrealistisch, dafür „müsste man das Land deindustrialisieren.“ Junge forderte mehr Geld für die Forschung – beispielsweise im Bereich der Energiespeicherung.

Auch Dr. Paula Hahn, Fachgebietsleiterin Umweltrecht im Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft e.V., erachtet den Klimaschutz als Bundesthema. Die Länder könnten aber – auch ohne ein entsprechendes Gesetz – ihren Beitrag leisten. Man müsse Handlungsfelder fokussieren, die im Land eigenständig bearbeitet werden könnten, zum Beispiel die Herstellung von Energieeffizienz von Gebäuden und die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien. Hahn sprach sich dafür aus, den C02-Emissionshandel zu verbessern. Sollte es zur Umsetzung des Gesetzentwurfes kommen, empfahl die Expertin, im Text zu verdeutlichen, dass bundesrechtliche Regelungen eingehalten würden und dass Institutionen/Kommunen einen (finanziellen) Ausgleich für die Erstellung der eingeforderten Klimaschutzkonzepte erhielten.

Der Gesetzentwurf der Grünen stößt beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) auf Ablehnung, so dessen Vertreterin Sabrina-Maria Geißler. Klimaschutz sei mindestens auf Bundesebene zu betrachten. „Insellösungen“ für jedes einzelne Bundesland führten zu einer mangelnden Effektivität, so Geißler. Alle einzelnen Landesregelungen müssten aufeinander abgestimmt werden, Wettbewerbsnachteile für kommunale Unternehmen seien zu erwarten. Konzepte für den Klimaschutz gebe es ausreichend, um dennoch seinen eigenen Beitrag zu leisten. Der VKU drängt vielmehr auf die Investition in Wirtschaftskraft und Innovation. Klimaschutzkonzepte sollten – so wie es im Gesetzestext verankert ist – nicht von den Unternehmen jeweils allein aufgestellt werden müssen. Wenn überhaupt sollten die Unternehmen in die Klimaschutzkonzepte der Kommune integriert werden, betonte Geißler.

Ganz anders wird der Gesetzentwurf vom Landesverband Erneuerbare Energie Sachsen-Anhalt e.V. aufgenommen. Dessen Vertreter Jörg Dahlke begrüßte das Gesetz und die darin festgelegten Ausbauziele in Sachen Klimaschutz ausdrücklich. Es handele sich um „ambitionierte, aber notwendige Ziele.“ Die Effekte des Klimawandels seien bereits Realität geworden, dem müsse entgegengesteuert werden.

Die Klima-Allianz Deutschland ist eine Vereinigung, der 110 am Klima interessierte Organisationen und Institutionen angehören. Viviane Raddatz vom Sprecherinnenrat der Allianz begrüßte die Gesetzesinitiative, denn auf allen Ebenen müsse am Problem Klimawandel gearbeitet werden. Das von den Grünen initiierte Gesetz könne den großen Rahmen für weitere Aktionen mit verbindlichen Klimaschutzzielen setzen. Es ermögliche ein effektives und transparentes Management aller unterschiedlichen Wirkungselemente. Im Text müssten jedoch die Fortschreibung des Gesetzes und die Möglichkeit der Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sowie der kommunalen Spitzenverbände noch deutlicher aufgenommen werden.

Für Dr. Daniel Klingenfeld vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) besteht kein Zweifel daran, dass der Mensch einen erheblichen Einfluss auf das Klima ausübt; der Weltklimarat habe dies deutlich zu verstehen gegeben. Ein Handeln im Sinne des Klimaschutzes dürfe also nicht verzögert werden. Zwar würden nach neuesten Erkenntnissen die Klimafolgen in Deutschland nicht so gravierend ausfallen wie andernorts, dennoch bestehe – vor allem global – Handlungsbedarf. Für die Stabilisierung des Klimas seien Politik und Gesellschaft in allen Ebenen verantwortlich, so Klingenfeld, Regelungsziele könnten durch ein Landesklimaschutzgesetz regional konkretisiert werden. Es böte die Struktur für zukünftige Aufgaben und ein dazugehöriges Monitoring. Klingenfeld machte deutlich, dass die Interaktion zwischen den Ländern, dem Bund und der EU enorm wichtig sei, um Mehrfachregulierungen zu vermeiden. Der von den Grünen gewollte Klimaschutzrat sollte aus Mitgliedern aus Wissenschaft und Praxis zusammengesetzt sein.

Ein zahlenmäßig mächtiges Kontra erhielt der Gesetzentwurf von den beiden Industrie- und Handelskammern des Landes Sachsen-Anhalt. Die IHKs vertreten 110000 Unternehmen im Land, so deren Vertreter Dr. Jochen Zeiger. Die zwei Institutionen (Magdeburg sowie Halle-Dessau) sprechen sich gegen das Gesetz aus. Ein Erreichen der Klimaschutzziele allein aus der Verwaltung heraus sei nicht zu schaffen, es werde zur Belastung der Wirtschaft und der privaten Haushalte kommen, mutmaßte Zeiger. Es gebe bereits verschiedene Gesetze für den Klimaschutz, man sollte daher besser auf ein weiteres Landesgesetz verzichten. Die ambitionierten Ziele seinen kaum umsetzbar, mit dem Emissionshandel habe man ohnedies schon „das Maß der Dinge“ an der Hand. Die IHKs favorisieren eine bundesweite Gesamtstrategie. Die Ablehnung des Gesetzentwurfs sei aber nicht als Absage an den Klimaschutz zu verstehen, versicherte Zeiger. Vielmehr handele es sich um ein Abwägen von Kosten und Nutzen.

Dr. Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ) sicherte dem Gesetzentwurf die grundsätzliche Unterstützung zu. Es bedürfe einer Klimaschutzpolitik auf allen Ebenen, um wirksam zu sein. Klimaschutz wirke – von wo aus immer auch betrieben – global. Marx kritisierte den CO2-Emissionshandel, der nicht funktioniere, es befänden sich zu viele Zertifikate auf dem Markt. Durch die fehlende vertikale Umsetzung des Klimaschutzes gebe es zudem kontraproduktive Folgen: In Sachsen-Anhalt erziele man sehr gute Ergebnisse mit den erneuerbaren Energien, anderenorts (Südeuropa) seien die Preise dadurch aber so hoch, dass beispielsweise die Installation eines Kohlekraftwerks attraktiver sei. Marx wies auf die gute und wichtige Arbeit der AG Klimawandel hin. Beim von den Grünen im Gesetz vorgesehenen Klimaschutzrat empfahl der Experte von Helmholtz, unbedingt auf die Neutralität der fünf Mitglieder zu achten, also keine Interessenvertreter zu verpflichten. Das Gesetz sei in seiner Gesamtheit ein notwendiger Schritt für den Klimaschutz und die Anpassungen im Zuge des Klimawandels.

Die Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt GmbH (LENA) lehnt den Gesetzentwurf ab, so deren Geschäftsführer Marko Mühlstein. Es gebe bereits ausreichend gesetzliche Regelungen, die den Klimaschutz beträfen; hinzu kämen diverse Förderprogramme für Energie- und Klimaschutzkonzepte. Kürzlich habe die LENA das Landesnetzwerk Energie und Kommune ins Leben gerufen, durch das es zur Ausbildung von Verwaltungsmitarbeitern zu Energiebeauftragten komme. Mit der AG Klimawandel gebe es ein gutes Instrument, die Klimaschutzambitionen des Landes auch wissenschaftlich begleiten zu können.

Der Ausschuss für Umwelt wird die Beratung zum Entwurf eines Klimaschutzgesetzes der Grünen in seinen kommenden Sitzungen fortführen. Ziel ist die Erstellung einer Beschlussempfehlung, die dem Landtag vorgelegt wird und die die Zustimmung oder Ablehnung des Gesetzentwurfes nahelegt.