Wulf Gallert (DIE LINKE):

Erstens. Ich möchte die Koalitionsfraktionen mal ausdrücklich loben   hören Sie zu, das wird nicht so häufig passieren.

(Sandra Hietel-Heuer, CDU: Oh!)

Alle drei Fraktionen haben sich ausdrücklich zum Streikrecht, das allerdings in Deutschland bereits relativ stark reguliert ist, bekannt. Alle drei Fraktionen haben ganz klar gesagt, dass eine weitere Einschränkung des Streikrechts nicht ihre Position ist.

Nun muss ich Sie kritisieren: Warum haben Sie dann einen Alternativantrag gestellt? Dann hätten Sie unserem Antrag einfach zustimmen können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn das ist die zentrale Forderung, mit der wir diesen Antrag gestellt haben. Warum haben Sie es dann nicht in Ihrem Alternativantrag aufgeführt? Das hätte doch niemandem wehgetan   so wie ich es gerade vernommen habe. Also, dann frage ich noch einmal: Warum haben Sie nicht genug Mut gehabt, diese Dinge auch wirklich so zu formulieren?

Es überwiegt aber meine Freude. Das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich. Offensichtlich haben solche Debatten im Landtag von Sachsen-Anhalt keine Chancen. - Erster Punkt.

Zum zweiten Punkt. Nun ja, Frau Lüddemann, das System ist eingeölt. Aber, ob es funktioniert, stellt sich dann immer am Ende heraus.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Mal so, mal so!)

Dann sage ich deutlich: Wir haben ein Problem, auch in der Bundesrepublik Deutschland wie überall, mit dem wirtschaftlichen Einbruch durch Corona. Wenn ich mir aber die letzten drei Jahre anschaue, dann   das muss ich klar sagen   hat das Bruttoinlandprodukt in Deutschland zumindest das wieder aufgeholt, was im Jahr 2020 verloren gegangen ist. Das heißt, wir sind in etwa bei null.

Bei den Reallöhnen haben wir einen deutlichen Niedergang zu verzeichnen. Drei Jahre in Folge haben wir einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen, allein im Jahr 2022 um 4 %. Das bedeutet, dass, während das BIP in den letzten drei Jahren in Deutschland in etwa bei null liegt, haben wir bei den Reallöhnen einen Realverlust in Höhe von 7 % bis 8 %.

Das heißt, wir haben in den letzten drei Jahren eine massive Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum zu Ungunsten der Beschäftigten erlebt. Deswegen müssen wir leider kritisch bemerken, dass dieses System eben nicht gut funktioniert, dass die Gewerkschaften nicht stark genug sind, um diese Dinge aufzuholen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen wehre ich mich ganz klar gegen die Mär, die Herr Krull wieder erzählt hat: Oh, was tun wir den Gewerkschaften Schlimmes an, indem wir einen gesetzlichen Mindestlohn definieren. - Es ist lange her, Herr Krull, in etwa 15 Jahre, da dachten das auch noch einige IG-Metaller.

Inzwischen hat es bei den Gewerkschaften einen Lernprozess gegeben, sodass sie nun ausdrücklich sagen, diese gesetzlichen Regelungen helfen uns bei dem Abschluss von Tarifverträgen; sie sind eine Unterstützung und sie sind leider deswegen notwendig, weil wir eben, z. B. in Sachsen-Anhalt, immer noch weniger als der Hälfte aller Beschäftigten in Tarifverträgen haben. Es gibt ganze Branchen, in denen es so gut wie gar keine Tarifbindung gibt, die dann natürlich auch die geringsten Löhne zahlen. - Das ist doch ganz klar.

Deswegen ist diese politische Maßnahme des gesetzlichen Mindestlohns eine Unterstützung des gewerkschaftlichen Kampfes und kein Argument dagegen. - Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie könnten unserem Antrag zustimmen   eigentlich haben Sie es alle doch so formuliert.

(Zustimmung bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Krull hat eine Intervention angemeldet. - Herr Krull.


Tobias Krull (CDU):

Ich stelle an dieser Stelle noch einmal ganz klar: Es ging mir nicht darum, den gesetzlichen Mindestlohn oder die gesetzliche Lohnuntergrenze, wie es in den CDA-Papieren verfasst wurde, zu kritisieren. Es geht darum, wie die aktuelle Höhe beschlossen wurde, und zwar nicht durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern durch einen politischen Beschluss. Hierin sehe die Gefahr. Dass wir den gesetzlichen Mindestlohn brauchen, war die Einigung und die ist auch in Ordnung.

(Zustimmung bei der CDU - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Lohnuntergrenze!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, wollen Sie darauf reagieren?


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Ja, ich könnte darauf noch kurz antworten. - Wenn es irgendwann einmal die Situation gibt, dass sich die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber darüber beschweren, dass ihnen die gesetzlichen Vorgaben viel zu niedrig sind, dann würde ich Ihnen zustimmen. - Danke, Herr Krull.

(Zustimmung bei der LINKEN - Sebastian Striegel, GRÜNE: Genau so ist es!)