Cornelia Lüddemann (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Seien wir doch einmal ehrlich, wir sind es gewohnt, dass die hiesigen Arbeitskämpfe nicht wirklich als Kämpfe, sondern in einem gut geölten, eingeübten Konfliktregelungssystem ablaufen. Wir haben eine Mitarbeiterin, die Französin ist; die verdreht immer nur die Augen und sagt: Was, das nennt ihr Arbeitskampf? Wo ist denn da wirklich der Kampf?

Das wird bei uns   ich finde das auch richtig   im Rahmen der Koalitionsfreiheit, Tarifpartnerschaft und Tarifautonomie auf Wettbewerbsbasis, aber in einem hochfunktionalen Mechanismus abgearbeitet. Da sind Verhandlungen, da trifft man sich, da bespricht man das und am Ende hat man eine soziale und politische Ordnung miteinander vereinbart.

Dies sorgt für eine Befriedung zentraler gesellschaftlicher Widersprüche; denn   auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu   der Gegensatz von Arbeit und Kapital ist, wenn auch in anderen Begrifflichkeiten, noch immer der Hauptwiderspruch unserer Gesellschaft. Ich fand es wirklich nicht gut, dass der Wirtschaftsminister in seiner Rede in der ersten Aktuellen Debatte tatsächlich nur den Unternehmern gedankt hat. Denn die, die wirklich Wertschöpfung in diesem Land betreiben, die dieses Land wirklich am Laufen halten, das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und denen sollte ein Wirtschaftsminister auch einmal Danke sagen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei SPD)

Gerade bei Lohnverhandlungen gibt es schwerlich eine tatsächliche Gleichberechtigung. Des einen Gewinn ist des anderen Verlust, wenn man es rein finanziell betrachtet. Dass gute Löhne eben nicht nur den Gewinn, die Profite von Unternehmen schmälern und die Ausgabenseite der öffentlichen Hand erhöhen, sondern dass gute Löhne eben auch Voraussetzung sind für motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit überhaupt erst die Voraussetzung, um Gewinne zu erwirtschaften und produktiv zu arbeiten, das ist vielen in diesem Land tatsächlich nicht bewusst.

Welch krasser Interessengegensatz zwischen beiden Seiten herrschen kann, das sah man an einem zum Glück herausragenden, negativ herausragenden, aber auch autarken Beispiel. Sie werden vielleicht die Vorgänge an der Raststätte Gräfenhausen in Hessen verfolgt haben. Polnische Lkw-Fahrer hatten sich dort zu einem Streik versammelt. Ausstehende Löhne über Monate und schlechte Arbeitsbedingungen wie im Manchester-Kapitalismus standen dort in Rede.

(Alexander Räuscher, CDU: Georgier und Kasachen waren das!)

Und was folgte auf den Streik? - Der polnische Spediteur erschien samt gepanzerten Fahrzeugen und   wie es Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB, auf Twitter bezeichnete   mit einer Schlägertruppe aus Polen, um diesen Streik zu brechen. Wer allein die paramilitärischen Fahrzeuge dieser Gruppe gesehen hat, der weiß, dass diese Bezeichnung zutreffend ist. Zum Glück hat die Polizei hier Schlimmeres verhindert.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Wie gesagt, das erinnert an die dunkelsten Zeiten des Kapitalismus. Für einen kurzen Moment kam dabei die Konflikt- und Gewaltnähe des Arbeitskampfes zum Vorschein, wie sie einmal war und wie sie hoffentlich nicht mehr werden wird.

Ich komme zum Abschluss. Natürlich stehen wir GRÜNEN zum Wert der Gewerkschaften, zum Wert des Streikrechts und zu Tarifverhandlungen; denn sie sind auch ein Vorteil, ein Standortvorteil im Wettbewerb um die benötigten Fachkräfte. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)