Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Thema „Wer ist in Deutschland aus welchen Gründen nicht krankenversichert?“ wurde schon viel gesagt. Manchmal - das kommt immer darauf an, wie man es instrumentalisieren möchte - werden dabei bestimmte Gruppen überbetont. Ich möchte deshalb eine andere Gruppe betonen, die bei dieser Diskussion ein Stück in den Hintergrund gerät.

Jemand, der älter als 55 Jahre ist und bisher privat versichert war, hat grundsätzlich kein Anrecht mehr, in die gesetzliche Kartenversicherung zu wechseln. Wenn man sich mit 35 Jahren privat versichert hat und beim Renteneintritt dann auf einmal feststellt, dass sich die privaten Versicherungsbeiträge im Laufe der Zeit verdreifacht haben - das ist eine Schätzung der Stiftung Warentest  , dann merkt man in dem Alter auch mit höheren Behandlungskosten - Krankheit kommt nämlich oft im Alter  , dass es am Ende des Monats doch knapp wird, entweder die Beiträge oder die Zuzahlungen zu zahlen.

Wissen Sie, was dann passiert?

(Tobias Rausch, AfD: Was denn?)

Die Leute nehmen ihre Medikamente nicht mehr. Denn sie überlegen jeden Monat, ob sie sich diese noch leisten können. Oder aber sie geraten bei ihrer privaten Krankenversicherung in den Rückstand. Was tut diese?

Diese sagt oftmals: Ich bezahle dir gar nichts mehr, bevor du deine Rückstände nicht bezahlt hast.-  Das ist rechtswidrig, entspricht aber der Realität. Diese Gruppe taucht in vielen Statistiken überhaupt nicht auf. Ich sage Ihnen, warum.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man am Ende eines erfolgreichen Lebens, in dem man als Selbstständiger aber nicht die großen Villen gekauft und sich große Reichtümer erwirtschaftet, sondern einfach nur für sich und seine Familie gearbeitet hat, geht man nicht zum Sozialamt. Dann geht man auch nicht woanders hin, um sich Unterstützung zu holen. Das ist ein Fakt. Den hat mir eine ältere Dame, der das genau so passiert ist, erzählt. Die überlegt jeden Monat: Kaufe ich mir meine Pillen für meine Herzerkrankung oder tue ich es nicht? Wir brauchen eine Struktur, die diesen Menschen Zugang zur ärztlichen Versorgung ermöglicht, ohne dass sie das Portemonnaie aufmachen müssen. Deshalb ist dieser Ansatz richtig.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe)

Das MediNetz, dem auch ich an der Stelle danken möchte, hat bei einem mit ihm kooperierenden Krankenhaus in Halle gefragt.

(Zurufe)

Im Jahr 2022 hat dieses Krankhaus allein in Halle 75 Patientinnen und Patienten behandelt, zwei Drittel davon stationär, für die hinterher die Kosten von niemandem übernommen wurden. Bei den zwei Dritteln stationär behandelten Patienten waren Entbindungen dabei. Kann man sich vorstellen, wie eine Frau nach einer Entbindung ohne Krankenversicherung die Sorge für ihr Kind, das nämlich dann auch nicht familienversichert ist, und für sich selbst übernimmt? Das sind Zustände, gegen die wir etwas tun müssen. Deshalb ist dieses Modellprojekt gemeinsam im Koalitionsvertrag verabredet worden. Deshalb wird es kommen. Die Ministerin arbeitet daran.

Wenn es Unterstützung des Parlamentes für die Haushaltsberatungen mit dem Finanzminister braucht, sind wir als Koalitionsfraktionen gern bereit, noch einen eigenen Antrag hinterherzuschieben, um deutlich zu machen, dass wir diese Variante wollen und brauchen. Zum heutigen Tag werden wir aber den Antrag der LINKEN ablehnen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)