Tagesordnungspunkt 23

Beratung

Prüfungsrechte bei kommunalen Beteiligungsunternehmen erweitern und stärken

Antrag Fraktion AfD - Drs. 8/2489


Einbringer für die Fraktion ist Herr Scharfenort. - Bitte. Sie haben für zehn Minuten das Wort.


Jan Scharfenort (AfD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich stehe heute vor Ihnen, um ein wichtiges Thema zu diskutieren, das alle Bürger betrifft: die Erweiterung und die Stärkung der Prüfungsrechte bei kommunalen Beteiligungsunternehmen. Unser Antrag zielt darauf ab, die Prüfbefugnis der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder allgemein zu erweitern und die Transparenz für kommunale Unternehmen in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus zu ermöglichen.

Dazu ist unser Antrag zweistufig aufgebaut. In einem ersten Schritt wollen wir den Rahmen der Prüfungsbefugnisse der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder über das Haushaltsgrundsätzegesetz allgemein erweitern. 

In einem zweiten Schritt wollen wir, dass Sachsen-Anhalt diesen erweiterten Rahmen nutzt und bei privatwirtschaftlichen Unternehmen mit kommunalen Beteiligungen von einem Viertel der Unternehmensanteile dem Landesrechnungshof uneingeschränkt die Prüfrechte aus dem Kommunalverfassungsgesetz einräumt. Diese Prüfrechte greifen derzeit nämlich erst bei einer Mehrheitsbeteiligung einer Kommune oder bei einem Viertel der Anteile, wenn zwei oder mehr Kommunen oder kommunale Gebietskörperschaften gemeinsame Anteile halten.

Nach jetziger Rechtslage entziehen sich so große kommunale Beteiligungen an Betrieben der Kontrolle durch die obersten Prüfbehörden des Bundes und der Länder. Es gibt Kommunen in Westdeutschland, deren Beteiligung an solchen Unternehmen die 100-Millionen-€-Grenze locker überschreitet, ohne dass über die kommunale interne Revision hinaus eine objektive Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit stattfinden muss.

Kommen wir aber zu unserem Bundesland. In Sachsen-Anhalt gibt es mehr als 400 Fonds, Einrichtungen und Unternehmen mit kommunalen Beteiligungen mit einem Schuldenstand per 31. Dezember 2019 von fast 7 Milliarden €. Das ist etwa die Hälfte des gesamten Haushaltes von Sachsen-Anhalt. 

Allein die Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH mit kommunaler Beteiligung hatten zu diesem Zeitpunkt 5 Milliarden € Schulden. Ich spreche von Beteiligungen, nicht von Mehrheitsbeteiligungen. Wenn eine Einzelkommune 49 % der Anteile daran hält, ist der Betrieb für den Landesrechnungshof bis jetzt eine Blackbox. 

(Zuruf: Richtig!)

Wahrscheinlich vertrauen die Verantwortlichen darauf, das Land werde die Fehlbeträge irgendwann sowieso ausgleichen. Wir fordern daher die Landesregierung auf, sich an die Spitze einer Bundesratsinitiative zu stellen, um Transparenz bezüglich solcher Beteiligungen über Sachsen-Anhalt hinaus zu ermöglichen. Darauf haben die Bürger nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit ein Anrecht. Prüfrechte stärken heißt Bürgerrechte stärken. Denn das oberste Ziel der Rechnungshöfe ist die Vermeidung von Steuergeldverschwendung.

Kommen wir zum aktuellen Fall in unserem Bundesland. Im Salzlandkreis floss bis jetzt jährlich mehr als die Hälfte des Jahreshaushaltes an eine ÖPNV-Gesellschaft. 

(Zuruf: Ach was!)

Handlungsbedarf für eine Erweiterung der Prüfbefugnisse des Landesrechnungshofes und eine Änderung des Wortlautes des § 140 Abs. 3 des Kommunalverfassungsgesetzes ergibt sich spätestens seit den Urteilen des Verwaltungsgerichts Magdeburg und des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2022.

Gegenüber dem Landesverwaltungsamt hatte sich der Salzlandkreis darauf zurückgezogen, dass die zuständige Prüfungseinrichtung, von der im Gesetzestext die Rede ist, nicht der Landesrechnungshof, sondern die gebietseigene kommunale Prüfbehörde sei, sich der Landkreis im Ergebnis also selbst prüfen kann. Ich habe hier in anderen Reden schon auf dieses Problem hingewiesen.

In zwei Instanzen wurde klargestellt, dass das nicht so ist und der Landesrechnungshof ebenso zuständige Prüfbehörde ist. Hinsichtlich solcher durchsichtigen kommunalen Winkelzüge besteht Wiederholungsgefahr, weshalb das Kommunalverfassungsgesetz an dieser Stelle einer Klarstellung bedarf.

In das Kommunalverfassungsgesetz gehört die ausdrückliche Prüfungsbefugnis des Landesrechnungshofes, der hier explizit - neben den kommunalen Prüfungsämtern - mit einer eigenen Prüfbefugnis erwähnt werden muss.

Wir sind außerdem der Auffassung, dass die Prüfungsrechte des Landesrechnungshofes bereits bei Einzelbeteiligungen von einem Viertel der Anteile greifen müssen. Denn ab einer kommunalen Beteiligung von einem Viertel plus nur einem Anteil stehen dem Anteilseigner einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft nach dem Gesellschaftsrecht erhebliche Mitsprache- und Kontrollrechte zu, durch die in die interne Entscheidungsfindung eingegriffen werden kann.

Gegen eine Kommune als Gesellschafter mit solch einer Sperrminorität läuft in solchen Unternehmen in der Praxis wenig bis gar nichts. Es wird daher Zeit, dass im Rahmen ein Prüfbefugnis im Ermessen einer unabhängigen Prüfbehörde überall dort Licht ins Dunkel gebracht wird, wo möglicherweise von kommunaler Seite ein Interesse besteht, etwas möglichst zu verschleiern.

Schließlich haben auch das Land und die Landesregierung ein natürliches Interesse daran, dass eine unabhängige Prüfbehörde rechtzeitig auf Fehlentwicklungen in kommunalen Betrieben hinweist, auf die dann die Kommune und die Kommunalaufsicht vielleicht, hoffentlich noch rechtzeitig reagieren können - es sei denn, man möchte Kommunen die Insolvenzverschleppung bei ihren Beteiligungsgesellschaften erleichtern. Aber das, meine Damen und Herren von der Landesregierung, will ich Ihnen dann doch nicht unterstellen.

Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass das, was wir mit unserem Antrag fordern, nämlich die Schwelle zur Prüfkompetenz der Rechnungshöfe zu senken, seit Jahren eine Forderung von Rechnungshöfen im ganzen Bundesgebiet ist. Wir denken uns daher solch einen Antrag nicht einfach aus, sondern wir fragen in den unabhängigen Behörden nach, wo sie rechtliche Lücken erkennen, die ihre Arbeit erschweren.

(Zuruf)

Wenn das Problem eine Änderung des § 140 Abs. 3 des Kommunalverfassungsgesetzes ein Scheinproblem wäre, hätte sich der Präsident des Landesrechnungshofes Herr Barthel nicht in einer Pressemitteilung zur Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts per Urteil gegen die falsche Rechtsansicht des Salzlandkreises geäußert - ich zitiere  : Ich freue mich über diese bemerkenswerte, klare und wegweisende Entscheidung. 

Damit hat Herr Barthel unter Beachtung seiner Neutralitätspflicht bzw. der für sein Amt gebotenen Zurückhaltung eine Botschaft gesendet, die ich gern für Sie in Klartext übersetze:

Schließt endlich die Lücke im Gesetz, die uns daran hindert, unseren Auftrag zu erfüllen.

Sehr geehrte Abgeordnete! Unsere Bürger haben ein Recht darauf, dass wir als politische Entscheidungsträger sicherstellen, dass öffentliche Gelder verantwortungsbewusst und im besten Interesse der Allgemeinheit verwaltet werden. Denn Prüfrechte stärken heißt Bürgerrechte stärken.

Ich bitte Sie daher, unseren Antrag zu unterstützen und gemeinsam mit uns an einer Bundesratsinitiative zu arbeiten, die diese dringend notwendigen Veränderungen auf den Weg bringt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und beantrage, diesen Antrag in die entsprechenden Ausschüsse zu überweisen, vorzugsweise in den Finanzausschuss und in den Ausschuss für Inneres und Sport. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Scharfenort, warten Sie kurz. Es gibt eine Frage von Herrn Ruland. Wollen Sie diese beantworten?


Jan Scharfenort (AfD):

Ja, ist okay. - Stellen Sie sie.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Bitte, Herr Ruland, Sie haben dazu jetzt die Chance.


Stefan Ruland (CDU):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Kollege Scharfenort, Sie erwecken mit Ihrer Rede den Eindruck, dass privatrechtliche Gesellschaften mit öffentlicher Beteiligung grundsätzlich nicht geprüft werden. Stimmen Sie mir zu, dass, wenn man nicht gerade die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, sondern eine andere beauftragt, die Verschleierungsgefahr auch ohne Prüfung durch die öffentlichen Prüfbehörden durchaus das Potenzial für Verschleierung verringern würden?


Jan Scharfenort (AfD):

Das zweifele ich durchaus an; denn ich habe selbst einmal in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet. Auch dort gibt es immer einen Interessenskonflikt zwischen dem Auftraggeber und dem Prüfer. Wer bezahlt den Wirtschaftsprüfer? - Das ist Punkt 1.

(Frank Bommersbach, CDU: Was?)

Punkt 2. Es ist noch hinzuzufügen: Eine normale Abschlussprüfung ist überhaupt nicht darauf angelegt, die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit zu prüfen. Das heißt, der Landesrechnungshof prüft ganz anders. Das ist einfach so. Damit sollten Sie sich einfach einmal beschäftigen. Der Wirtschaftsprüfer prüft handelsrechtlich und prüft nicht die Wirtschaftlichkeit. Die Prüfung ist nicht darauf angelegt, irgendwelche Ungereimtheiten bei der Wirtschaftlichkeit oder andere Dinge aufzudecken. Beim Landesrechnungshof gilt das sehr wohl. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)