Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kann man dem Verfassungsschutz des Landes Ihre Rede, Herr Tillschneider, zur Verfügung stellen.

(Zuruf von der AfD: Ja, im Internet!)

Dann sehen die nächsten Beobachtungsergebnisse vielleicht noch deutlicher aus, aber das wird sich an anderer Stelle entscheiden.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor gut einem Jahr hat die Fraktion der GRÜNEN diesen Antrag eingebracht. Die Fragestellung war, wie die Mitbestimmung an Schulen für Schülerinnen und Schüler verbessert und gestärkt werden kann.

Eine moderne Schule ist mehr als ein Bildungsort. Sie ist immer auch ein Ort, an dem verschiedene pädagogische Professionen zusammenkommen und in einem ständigen und aktiven Austausch stehen. Im Grunde geht es um das frühzeitige Erlernen und Einüben von demokratischen Beteiligungsprozessen, von Mitbestimmung der Übernahme von Verantwortung.

Vor einiger Zeit war ich an der Grundschule „Friedrich Loose“ in Großmühlingen. Der dortige Schulleiter hat kurz nach seinem Antritt eine Initiative gestartet, um mit den Schülerinnen und Schülern einen Schülerrat zu gründen. Wissen Sie, welches Vorhaben die Schülerinnen und Schüler umgesetzt haben wollten? - Keine Hausaufgaben von Freitag zu Montag. Sie haben das tatsächlich in einer Diskussion mit ihren Lehrerinnen und Lehrern hinbekommen.

Ich finde, das zeigt, dass es nicht irgendwelche eingeübte Selbstwirksamkeit ist, sondern dass Schule tatsächlich demokratisches Erleben gestalten kann, und zwar für Lösungen, die gar nicht den Schulalltag zum Zusammenbrechen bringen und beiden Seite zeigen, dass es miteinander geht. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel für Demokratie an Schule.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie wissen, dass es auch beim Thema Demokratie an Schule innerhalb der Koalition unterschiedliche Sichtweisen gibt. Das ist auch nicht schlimm. Sonst wären wir nämlich alle in einer Partei. Deswegen muss man sich darüber austauschen.

Ich bin aber den Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar, dass wir in Punkt 4 unser Beschlussempfehlung festgehalten haben, dass bei der Überarbeitung des Schulgesetzes geprüft werden soll, wie das ehrenamtliche Wirken von Vertreterinnen und Vertretern des Landesschülerrates auch freigestellt werden kann. Ich bin mir sehr sicher, dass die Prüfung der Bildungsministerin, die diese Diskussion mitbekommen hat, sicherlich eher positiv als negativ ausfällt. Ich glaube, wir haben schon einen guten Weg getan.

(Guido Kosmehl, FDP: Das ist eine ergebnisoffene Prüfung!)

Wahre Demokratie braucht Demokratinnen und Demokraten. Wenn man im Erwachsenenalter anfängt, demokratische Prozesse erst zu durchdringen, ganz ehrlich, dann ist man ein bisschen spät dran. Getreu der alten Devise „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ tun wir gut daran, auch unsere Schulen zu demokratischen Orten zu entwickelt. Die Möglichkeit haben wir und die Möglichkeit sollten wir nutzen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und von Sandra Hietel-Heuer, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Pähle, es gibt einen Fragewunsch von Herrn Tillschneider. Wollen Sie seine Frage beantworten?


Dr. Katja Pähle (SPD):

Ich versuche es.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Tillschneider, Sie können sie stellen. Bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Und zwar geht es um Ihr Beispiel, dass Schüler beschlossen haben, dass es von Freitag auf Montag keine Hausaufgaben mehr gibt. Ich bin mir sicher, es gibt gute pädagogische Gründe, die dafür sprechen, über das Wochenende Hausaufgaben mitzunehmen für einen Samstagnachmittag oder einen Sonntagnachmittag in der Freizeit, wenn man entspannt ist, etwas zu repetieren. Das schadet nicht. Man lernt noch einmal in anderen Situationen. Wir wissen, dass man umso besser lernt, je abwechslungsreicher man lernt. Es spricht also die Pädagogik dafür, das zu tun.

Jetzt entscheiden die Schüler   es ist gut; ich gehe darauf ein; denn es zeigt das Kernproblem   aus ihrem Willen heraus, also mit ihrem unreifen und nicht gerade von pädagogischer Kenntnis geprägten Willen: Nein, das wollen wir einfach nicht. Was sollen wir jetzt an der Schule machen? Das, was die Schüler entschieden, oder das, was die Pädagogik sagt? Ich denke, Sie sehen den Konflikt.

Jetzt möchte ich Sie einmal fragen, weshalb Sie diesen Widerspruch zwischen, ich sage einmal, Wissenschaft und Demokratie im Fall der Coronamaßnahmen ganz anders aufgelöst haben. Damals durften wir gar nichts entscheiden, sondern es war alles durch die Wissenschaft vorgegeben. An der Schule soll es aber nicht so sein. Wie geht das zusammen?


Dr. Katja Pähle (SPD):

Herr Tillschneider, ich antworte erst einmal auf den ersten Punkt. Ich sage Ihnen: Genau das zeigt Ihre Beschränkung in der Erkennung von Vielfalt.

(Zustimmung von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE)

Wenn Schüler sagen, sie wollten von Freitag zu Montag bitte keine Hausaufgaben aufbekommen, dann ist das keine Entscheidung der Schüler und alles passiert so. Sie haben darüber in einem wirklichen Prozess mit den Lehrerinnen und Lehrern verhandelt. Sie sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen.

(Zuruf von der AfD)

Das heißt übrigens nicht, dass der Schüler die Vokabeln, die er von Donnerstag auf Dienstag aufbekommen hat, nicht auch am Wochenende übt. Das ist an der Schule übrigens nicht verboten. Aber es zeigt, dass Schülerinnen und Schüler zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern Lösungen finden, wenn man ihnen die Chance gibt, sich darüber an einer Grundschule diskursiv und demokratisch zu verständigen. Das finde ich toll.

Zu dem Thema Coronamaßnahmen sage ich eines: Wissenschaft und Umsetzung. - Herr Tillschneider, wir werden wahrscheinlich noch in vielen, vielen Jahren mit Situationen konfrontiert werden, die vorher niemand planen konnte, die vorher noch nie da waren. So war es bei Corona.

In der Zeit der Coronapandemie gab es unterschiedliche wissenschaftliche Erkenntnisse und sie haben sich weiterentwickelt. Die Coronamaßnahmen haben sich in dieser Zeit verändert.

Die erste Maßnahme   ich weiß es genau, weil ich im Ausschuss saß, als die Nachricht über die Ticker lief   war, dass der Oberbürgermeister in Halle eigenständig den Katastrophenfall ausgerufen und Kitas und Schulen und übrigens auch die Spielplätze geschlossen hat. Das war der Beginn.

Und so zu tun, als hätte sich in diesem ganzen Verlauf der Diskurs über die Maßnahmen auf einem bestimmten fixen Punkt befunden, unterschätzt die Komplexität. Aber mit Komplexität haben Sie es nicht so; das weiß ich. - Vielen Dank für Ihre Frage.

(Zustimmung - Zuruf von der AfD)