Nicole Anger (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Antrag für meine Fraktionskollegin Monika Hohmann einbringen.

Die Schulgeldfreiheit ist eine wichtige Grundlage, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Doch im gleichen Atemzug fühlt sich die Umsetzung der Schulgeldfreiheit insbesondere in den therapeutischen Gesundheitsberufen wie eine unendliche Geschichte an. Schon die Vorgängerregierung, die die Große Koalition, hat auf der Bundesebene sehr lange auf Fuchur, den Glücksdrachen, gewartet, wenn es um die Schulgeldfreiheit in den Gesundheitsfachberufen ging. Aufgrund eines Beschlusses der 90. Gesundheitsminister*innenkonferenz im Juni 2017 haben sich Bund und Länder in den letzten Jahren in einer Arbeitsgruppe über dafür notwendige Reformschritte ausgetauscht mit dem Ziel, die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen attraktiver auszugestalten und dem wachsenden Problem des Fachkräftemangels in diesen Bereichen wirksam entgegenzutreten.

Im März 2020 wurde ein Eckpunktepapier öffentlich bekannt, das die zentralen Änderungsbedarfe für die Neuordnung und Stärkung der Gesundheitsfachberufe enthält. Das ist nun schon wieder eine ganze Weile her. Aber die Auszubildenden haben nun wirklich keine Zeit mehr, um noch länger auf Fuchur oder ein Umsetzungswunder zu warten.

Die Abschaffung von Schulgeldzahlungen ist längst überfällig, aber auch eine angemessene Ausbildungsvergütung ist längst überfällig. Das kann zu einer Stärkung der Ausbildungen führen. Der Fachkräftemangel in den systemrelevanten Gesundheitsfachberufen war in Sachsen-Anhalt schon vor der Coronakrise offensichtlich. Auch bereits vor der Coronakrise hat der Landtag vor vier Jahren einen Beschluss gefasst, um die Schulgeldfreiheit im Land vollumfänglich zu gewähren.

Meine Damen und Herren! Schon damals war deutlich zu erkennen, dass die Berufe der Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und Podologie unverzichtbar sind. Der Bedarf an therapeutischen Gesundheitsfachkräften nimmt insbesondere in einem Land, in dem das Durchschnittsalter der Bevölkerung überdurchschnittlich hoch ist, zu.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Sachsen-Anhalt braucht qualifiziertes Fachpersonal in diesem Bereich. Dieses gewinnen wir durch attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen. Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung tragen dazu bei, die Ausbildung hier im Land aufzunehmen, sich zu verwurzeln und dementsprechend auch eine Zukunft in Sachsen-Anhalt zu haben.

Meine Damen und Herren! In der damaligen Debatte im Januar 2019 sagte die Sozialministerin Petra Grimm-Benne, wer Schulgeld abschaffe, der baue Hürden ab. Zudem verwies sie schon damals auf die notwendige Gewinnung von Fachkräften und stellte dabei richtig fest, dass die Zahl der Schulabgänger*innen zurückgehe und die Schulabgänger*innen die freie Wahl zwischen vielen Berufen und Studiengängen hätten. Es sei folglich klar, dass es in attraktiven Berufen, sprich in solchen, bei denen man nicht noch Geld mitbringen müsse, leichter sei, Nachwuchs zu finden. Deshalb müssten Gesundheitsberufe und Erzieher*innenberufe so attraktiv werden, dass sie im Wettbewerb um Auszubildende nicht gegen andere Berufe verlören. Folglich gehe es, so die Ministerin damals, nicht nur darum, kein Schulgeld zu erheben, sondern um viel mehr, z. B. darum, Ausbildungsvergütungen zu zahlen. - Ja, Frau Ministerin, damit haben Sie vollkommen recht. Doch diese Hürden wurden seitdem nicht vollumfänglich abgebaut. Bisher wurde die vollständige Schulgeldfreiheit noch immer nicht erreicht und auch keine Ausbildungsvergütung in den therapeutischen Gesundheitsberufen eingeführt.

Meine Damen und Herren! Wie waren denn die Reaktionen im Sozial- und auch im Bildungsausschuss vor 14 Tagen, als eine Petition zu dem Thema behandelt wurde? - Es gab Verweise auf die Bundesebene. Dabei konnte noch nicht einmal ein konkreter Zeitplan für die schrittweise Umsetzung für die genannten Berufsfelder benannt werden. Der Grund ist, die Zuständigkeiten sind über die Ministerien für Bildung und für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung hinweg verteilt. Es konnte noch keine Einigung dahin gehend gefunden werden, wie die Finanzierung kooperativ erfolgen kann. Das Ganze geht zulasten der Auszubildenden.

Uns ist bewusst, dass der Beschluss aus dem Jahr 2019 in Punkten schon umgesetzt wurde bspw. auch durch den heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung von Ausbildungsvergütungen für Pflegehelfer*innen. Dennoch hängen wir der Zeit einfach hinterher. Deswegen fordern wir, dass das Sparen auf Kosten der Auszubildenden in den Berufen Physiotherapie, Ergotherapie, Podologie und Logopädie endlich ein Ende haben muss und dass hierfür Mittel in den Haushaltsplan 2024 eingestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sachsen-Anhalt darf als Ausbildungsstand nicht weiter benachteiligt werden; denn, meine Damen und Herren, in zwölf Bundesländern war es bereits möglich, das Schulgeld für diese Berufe abzuschaffen, ganz unabhängig vom Bund. So stellt Bayern den Schulträgern bspw. einen klassenbezogenen Zuschuss neben der staatlichen Schulfinanzierung, den sogenannten Gesundheitsbonus, zur Verfügung. Wie beim bereits eingeführten Pflegebonus für Ausbildungen in pflegerischen und sozialpflegerischen Berufen erreicht der Freistaat damit ein gutes Miteinander von Schulen, Staat und Auszubildenden. Darüber, ob das das klügste Vorgehen bei der Umsetzung der Schulgeldfreiheit ist, will ich gar nicht diskutieren. Es macht aber deutlich, es gibt Mittel und Wege, um dies umzusetzen.

Andere Bundesländer sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen, wie unser Nachbarbundesland Brandenburg; denn dort gibt es eine Ausbildungsvergütung. Was erwarten wir denn, wo unsere potenziellen Auszubildenden und Fachkräfte hingehen werden, wenn es woanders sogar Geld gibt, während hier im Land sogar noch Schulgeld salonfähig ist?

Der Entwurf des Haushaltsplans 2024 wurde bereits für September dieses Jahres angekündigt, um dann in den Landtag eingebracht zu werden. Spätestens dann sollte der Wille des Landes Sachsen-Anhalt deutlich werden, die erforderliche Anerkennung der Ausbildung in therapeutischen Gesundheitsfachberufen zu schaffen.

Eine gute und qualitativ hochwertige Versorgung im Gesundheitsbereich kann auf Dauer nur dann gewährleistet werden, wenn bedarfsgerecht und flächendeckend Fachkräfte ausgebildet werden. Um junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen und zu motivieren, ist auch ein Zugang zur Ausbildung ohne wirtschaftliche Hürden notwendig. Demnach darf die Entscheidung, einen Ausbildungsberuf zu erlernen, nicht vom eigenen Geldbeutel oder von den finanziellen Ressourcen des Elternhauses abhängen. Andernfalls wird der Versorgungsengpass in den therapeutischen Gesundheitsberufen zunehmen. Dann wird die Abwanderung von jungen Fachkräften ein selbst gewähltes Übel der Landesregierung von Sachsen-Anhalt bleiben. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)