Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sie kennen mich als Abgeordnete, als ehemalige Staatssekretärin und nun als Bildungsministerin. Ich möchte Ihnen sagen: Der Fraktion DIE LINKE habe ich dafür zu danken, dass ich bereits heute, so kurz nach meiner Ernennung, als Bildungsministerin zu Ihnen sprechen kann.

Ihr Antrag zeigt einige der großen Baustellen der Bildungspolitik in unserem Land auf, welche wir als Koalition intensiv bearbeiten wollen. Ich möchte nur einige davon nennen: die Sicherheit der Schulgemeinschaft vor Corona, der Personalmangel in unseren Schulen und die Sicherung des Schulnetzes. Zusammen mit der Digitalisierung sind das wahrlich die herausragenden Baustellen.

Insgesamt sind die Herausforderungen des Bildungsressorts, der Schulträger und der Schulen immens. Das wissen Sie selbst. Nur mit der Unterstützung aller Beteiligten und auch Ihnen - der Legislative - sind diese Herausforderungen zu bewältigen.

Der Antrag der LINKEN hilft hierbei allerdings nicht. Denn dieser Antrag stellt lediglich eine schlichte Zusammenfassung unseres Koalitionsvertrages dar. Die drei im Antrag skizzierten Arbeitsfelder sind hinlänglich bekannt. Sie sind durch die Bildungsverwaltung bereits in Angriff genommen worden oder befinden sich schon in der Umsetzung.

Erstens zum Schwerpunkt Luftfilter und Corona. Gerade Kinder und Jugendliche haben in der Vergangenheit auf viele Freiheiten und Möglichkeiten der Persönlichkeitsentwicklung verzichten müssen, um uns zu schützen. Ziel der Landesregierung ist es und muss es deshalb sein, für das Schuljahr 2021/2022 durchgängig den vollständigen Präsenzbetrieb in den Schulen zu gewährleisten. Luftfilter stellen eine - meinetwegen: geeignete - Ergänzung zum regelmäßigen Lüften dar, aber sie ersetzen es nicht.

(Zuruf: Das ist ja eine Binsenweisheit!)

Dazu ist das Förderprogramm des Bundes auch aufgelegt worden. Wir als Land haben die vom Bund geförderte Summe von 4,5 Millionen € verdoppelt. Hinzu kommt ein Betrag in Höhe von 1 Million € als Fördersumme für die Träger der berufsbildenden Schulen. Zunächst ist eine Abfrage bei den Schulträgern zur Lüftungssituation in den ca. 20 000 Unterrichtsräumen in unseren Schulen erfolgt. Von diesen insgesamt etwa 20 000 Unterrichtsräumen sind ca. 550 Unterrichtsräume unzureichend belüftbar. Nur in dieser Kategorie, der sogenannten Kategorie 2, sind mobile Luftfilter laut Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund förderfähig.

(Zuruf: Na dann! - Weitere Zurufe)

Derweil sind die Schulträger über die Fördermodalitäten informiert worden und können auch schon Luftfilter beschaffen. Auch im Juni beschaffte Luftfilter sind, wenn sie den technischen Standards entsprechen, rückwirkend förderfähig. Die Förderrichtlinie wird gerade mit dem Finanzministerium und dem Landesrechnungshof abgestimmt.

Auch für stationäre Lüftungsanlagen hat der Bund sein Förderprogramm erneuert. Die Schulträger wurden bereits intensiv darüber informiert. Was die CO2-Ampeln anbelangt, sind die Schulträger über den vorzeitigen Maßnahmebeginn seit Juli informiert. Die Träger schaffen bereits Geräte an. Wir finanzieren bis zu 300 € pro Gerät. Viele Schulträger haben Räume bereits mit CO2-Ampeln ausgestattet. Einige große Schulträger, zum Beispiel die kreisfreien Städte, müssen jedoch noch längere Vergabeprozesse durchlaufen.

Kurzum: Wir befinden uns in der Umsetzungsphase und stehen der Thematik sehr zuversichtlich gegenüber.

Zweitens. Sie sprechen sich in Ihrem Antrag für den Einsatz von Vertretungslehrkräften aus. Das stellt auch eine unserer im Koalitionsvertrag enthaltenen Maßnahmen dar. Wir wollen regelmäßig Vertretungskräfte einstellen. Das wird im Übrigen auch bereits praktiziert, Herr Lippmann.

Das Verfahren wurde in den letzten Jahren und in der letzten Legislaturperiode deutlich vereinfacht. Ich kann jetzt noch einen kleinen Hinweis geben: Wir könnten es noch stärker vereinfachen, wenn wir dazu die Zustimmung des Bezirkspersonalrates hätten, die er uns leider verweigert hat. Vielleicht können Sie an der Stelle auch einmal entsprechende Gespräche führen.

Was die Unterrichtsversorgung anbelangt, möchte ich einige weitere Ziele aus dem Koalitionsvertrag nennen, welche ebenfalls dazu beitragen. Denn Sie sagten, Sie fänden darin nichts. Den Schulen soll ein Budget für Vertretungslehrkräfte gegeben werden. Wir sammeln bereits Erfahrungen mit dem Corona-Aufholprogramm. Wir haben den Schulen bereits Schulbudgets zur Verfügung gestellt.

Wir wollen den Seiteneinstieg weiter flexibilisieren. Wir wollen den Studierenden ermöglichen, früher zu unterrichten oder Ganztagsangebote zu unterbreiten. Wir wollen externen Teilzeitlehrkräften aus Unternehmen oder anderen Institutionen die Arbeit an den Schulen ermöglichen. Wir wollen pensionierte Lehrkräfte mit Nachdruck ansprechen und versuchen, sie von der weiteren Arbeit an unseren Schulen zu überzeugen.

Herr Lippmann, in den nächsten Jahren wird es grundsätzlich und insbesondere mein Ziel sein, die Personalsituation der Schulen in unserem Land zu verbessern. Aber wir müssen uns alle auch über die derzeitige Situation bewusst sein. Wir können uns Lehrer nicht backen. Die starken Jahrgänge unter der Lehrerschaft gingen in den letzten Jahren und werden auch noch in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Das zu kompensieren, ist wirklich eine Herkulesaufgabe. Dabei benötigt die Bildungsverwaltung jegliche Unterstützung. Aber ich weise Ihre Kritik gegenüber dem Landesschulamt, dass dort nicht fleißig gearbeitet wird, vehement zurück. Wir haben jetzt wieder fast 1 000 Stellen ausgeschrieben. Sie arbeiten dort also sehr, sehr intensiv und sind mittlerweile sehr, sehr schnell.

Ja, Herr Lippmann, wir bewältigen diese Aufgabe nur, wenn wir auch den Lehrerberuf in Sachsen-Anhalt noch attraktiver machen und weiterhin zusätzliches Geld in die Hand nehmen. Auch die Universitäten müssen ihren Teil beitragen, indem sie bedarfsgerecht ausbilden und die Abbrecherquote bei den Lehramtsstudierenden endlich senken.

Am Rande sei nur erwähnt, dass die Einbindung von Vertretungslehrkräften auf Honorarbasis aus mehreren Gründen rechtlich ausgeschlossen ist. Wir können auch gern im Bildungsausschuss darüber diskutieren. Aber es geht rechtlich nicht.

Drittens will ich noch einige Worte zur Schulentwicklungsplanung sagen. Sie nennen diesen Schwerpunkt ganz bewusst. Wir haben auch dazu etwas im Koalitionsvertrag aufgeschrieben. Einiges haben wir schon angeschoben. Ich will es kurz nennen. Der Koalitionsvertrag enthält folgende Aussagen: Ziele sind ein stabiles Schulnetz und keine Experimente, Grundschulverbünde mit bis zu vier Standorten - ja, diesen Erkenntnisgewinn gab es aus der letzten Legislaturperiode heraus, keine Frage - sowie eine Mindestjahrgangsstärke von 50 Schülerinnen und Schülern an der gymnasialen Oberstufe. Ich habe das im Ausschuss und individuell schon x-mal erläutert: Das steht so in der Verordnung zur Schulentwicklungsplanung und wir werden das auch so beibehalten.

Die Forderungen in dem hier vorgelegten Antrag der Fraktion DIE LINKE stellen insgesamt nur einen Bruchteil der zukünftigen Maßnahmen der Landesregierung dar und zeigen, dass die Landesregierung auch in den vergangenen fünf Jahren ihre Hausaufgaben erledigt hat. Sie wird sie auch in den kommenden fünf Jahren verlässlich erledigen. - Vielen Dank.

(Zustimmung)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt jetzt zwei Fragen. Eine stammt von Herrn Lange.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Frau Feußner, es ist doch gar keine Frage, dass die Luftfilter dazu vorhanden sind, die Virenlast während des Unterrichts zu reduzieren, indem sie die Viruspartikel aus der Luft herausfiltern. Dass das kein Ersatz für zusätzliche Sauerstoffzufuhr durch Lüften ist, ist doch gar nicht das Problem.

Das Problem entsteht vielmehr dadurch, dass Sie belüftbare Räume definieren. Sowohl Vertreter des Umweltbundesamtes als auch Experten des Robert-Koch-Instituts sagen, dass die Luftfilter auch dann sinnvoll sind, wenn sie während des Unterrichts eingesetzt werden, weil sie die Virenlast dauerhaft reduzieren.

Bei der Definition der belüftbaren Räume gibt es ein ganz kleines Detail, bei dem das Umweltbundesamt von quer zu lüftenden Räumen spricht. Das ist an dieser Stelle wichtig; denn es gibt Schulträger, die Querlüften auch dann definieren, wenn man beispielsweise in die Flure hinein lüftet. Wie sehen Sie das? Kann über die Flure sinnvoll quer gelüftet werden oder brauchen wir auch dort diese Virenfilter?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Lange, stopp, eine Minute Redezeit. - Frau Ministerin, Sie können antworten.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Sie haben die Diskussion bezüglich des Umweltbundesamtes offensichtlich sehr intensiv verfolgt. Bis zum Spätfrühjahr dieses Jahres hatte sich das Umweltbundesamt noch ganz anders geäußert. Es ist nämlich gesagt worden, Luftfilteranlagen brächten nichts. Das wissen Sie selbst auch.

Dann hat sich das Umweltbundesamt irgendwann im Spätfrühjahr etwas revidiert, allerdings im Konjunktiv: Ja, sie könnten etwas bringen, weil … Nicht einmal das Umweltbundesamt hat eine eindeutige Aussage zu den Luftfiltern getroffen. Darauf haben aber alle gesetzt und gewartet.

Herr Lange, unabhängig davon kann ich Ihnen Folgendes sagen: Ein Querlüften durch den Flur ist nicht möglich. Natürlich muss irgendwo eine Tür geöffnet sein; denn ansonsten kann man nicht quer lüften. Ich denke, die Schulen denken durchaus mit und sie wissen bereits, wie quer gelüftet wird. Das praktizieren die Schulen schon eine ganze Weile. Ich möchte niemandem unterstellen, dies nicht zu wissen bzw. nicht zu können.

Um Ihre Frage zu beantworten: Es gibt einige Länder, die bezüglich der Luftfilter Landesprogramme aufgelegt und Luftfilter angeschafft haben. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann stellt man fest, dass die Länder, die bereits Luftfilter in einigen Klassenräumen und Schulen haben, eine höhere Inzidenz haben als unser Bundesland.

Es gibt noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, was die Luftfilter eigentlich bewirken. Ich kann Ihnen die Zahlen exakt nennen. Wir haben in unserem Bundesland im Vergleich aller Bundesländer die niedrigste Inzidenzrate bei Schülerinnen und Schülern - das muss man auch wissen  ,

(Zustimmung)

und das obwohl die Ferien beendet sind und unsere Kinder wieder in die Schule gehen. Wir haben eine Inzidenz von 1,84 bei Schülerinnen und Schülern. Bundesweit beträgt die Inzidenz 4,64.

Ich kann Ihnen einige Länder nennen, beispielsweise hat Hamburg 5 Millionen € in Luftfilter investiert. Dort liegt die Inzidenz bei Schülern bei 9,9. Dort sind 43 Schulen betroffen. Bei uns sind zehn Schulen betroffen.

Wir können gern einmal solche Vergleiche anstellen. Ich habe noch mehr Zahlen dabei, aber ich will Sie alle jetzt nicht mit Zahlen quälen. Es gibt bisher keine klare Erkenntnis darüber, dass die Luftfilter etwas bringen. Deshalb hat der Bund ein Programm für schwer belüftbare Räume aufgelegt. Es ist logisch, dort solche Luftfilter einzubauen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wir befinden uns in einer Dreiminutendebatte und es gibt schon die zweite Intervention von der Fraktion DIE LINKE. Wir haben das bei dem vorgehenden Tagesordnungspunkt bei der AfD genauso gemacht. Wir werden uns innerhalb des Präsidiums absehbar darüber unterhalten müssen, inwieweit wir dies in Zukunft reglementieren. Das haben wir aber bisher nicht gemacht; deswegen hat Herr Lippmann das Wort. - Eine Minute, bitte.


Thomas Lippmann (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich wollte intervenieren, Frau Feußner, weil ich - das werden Sie in meiner Einbringungsrede nachlesen können   an keiner Stelle auch nur angedeutet, geschweige denn gesagt habe, dass im Landesschulamt nicht fleißig gearbeitet werde. Das würde ich auch nicht machen, weil ich große Hochachtung vor der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen habe. Insofern hätte es keinen Bedarf gegeben, das in Ihrer Rede scharf zurückzuweisen.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Dann habe ich Sie offensichtlich missverstanden.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Das zumindest hätten wir jetzt schnell geklärt. Dann ist der Debattenbeitrag der Landesregierung beendet und zur Freude aller bildungspolitischen Sprecher stelle ich jetzt eine Redezeitüberschreitung von sechs Minuten fest.

(Zurufe: Oh!)

Ich weise allerdings darauf hin, dass kein bildungspolitischer Sprecher verpflichtet ist, die nunmehr neunminütige Redezeit auszunutzen. - Danke, Frau Ministerin.