Sebastian Striegel (GRÜNE):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antiamerikanismus der AfD-Fraktion ist von Herrn Kosmehl schon zu Recht gerügt worden. Er hätte den wirklich widerlichen Kulturrassismus, den die AfD und Herr Kirchner hier an den Tag legen, gleich mit rügen sollen.

(Zustimmung)

Die Ereignisse der letzten Monate in Afghanistan offenbaren sehr deutlich ein grundlegendes Problem der Politik von CDU und auch von SPD. Beide Parteien laufen wiederholt und sehenden Auges in eine Katastrophe. Sie sind nicht in der Lage, angemessen auf Gefahren zu reagieren. Wir sehen das bei der Klimakrise, aber jetzt auch mit Blick auf die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Wer wann von wem über was genau informiert wurde, wird nach den Bundestagswahlen von einem Untersuchungsausschuss in Ruhe und gründlich aufzuarbeiten sein.

Eines ist klar: Wer mit offenen Augen auf die Situation in Afghanistan geschaut hat, wer die Berichte von NGOs und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Kenntnis genommen hat, der musste wissen, dass die Lage schon vor Beginn des Abzugs der internationalen Truppen zunehmend instabil wurde. Wir alle waren überrascht vom Tempo des Zusammenbruchs der Staatsgewalt und der praktisch kampflosen Machtübernahme durch die Taliban. Aber die grundsätzliche Entwicklung war absehbar.

Daher war es ein Offenbarungseid für SPD und CDU, den Antrag der GRÜNEN-Bundestagsfraktion am 23. Juni abzulehnen, der die schnelle Evakuierung der Ortskräfte forderte. Diese Menschen sind Verbündete. Sie haben für uns gearbeitet und sind dafür Risiken eingegangen. Die Bundesregierung hat ihnen Schutzzusagen gemacht. Leider ging die Botschaft in die Welt, dass Versprechen und Hilfszusagen dieser Bundesregierung eben nicht viel wert sind und dass Humanität weder für das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer noch für das Außenministerium unter Heiko Maas eine Rolle spielt. Denn auch Abschiebungen nach Afghanistan hätten schon seit Monaten gestoppt werden müssen. Angesichts der verheerenden Sicherheitslage waren sie schon länger nicht mehr vertretbar.

(Beifall)

Leider hat sich in der Abstimmung über den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr - das ist schon gesagt worden   auch DIE LINKE nicht mit Ruhm bekleckert. Man kann nur hoffen, dass sich die Positionen von Matthias Höhn und auch von Henriette Quade bei Ihnen durchsetzen. Das wäre ein echter Gewinn. Wer in diesem Land regieren will, der muss auch außenpolitischen Verantwortung übernehmen. Diese Bereitschaft sehe ich noch nicht in allen Teilen Ihrer Partei.

Deutschland und Sachsen-Anhalt müssen nun Verantwortung übernehmen für die Situation vor Ort und für die Menschen, die in Sicherheit gebracht werden müssen. Ein Landesaufnahmeprogramm für afghanische Ortskräfte und Angehörige bedrohter Gruppen ist dabei das Mindeste. Diese Menschen sind in Gefahr, weil sie mit Deutschland und dem Westen zusammengearbeitet haben. Sie haben versucht, ein freiheitliches Land aufzubauen.

Unser Bundesland hat die Möglichkeit, hier zu helfen. Eine neue Bundesregierung muss mit klarer außenpolitischer Position die Taliban zur Gewährleistung der Menschenrechte für alle Afghaninnen und Afghanen anhalten. Gefährdete Personen müssen zügig in Sicherheit gebracht und Fluchtwege eröffnet werden. Darauf muss auch Sachsen-Anhalt bei der Bundesregierung drängen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ich stelle ein erhöhtes Interesse fest. Zunächst liegt eine Fragestellung von Frau Dr. Pähle vor. Wollen Sie diese beantworten, Herr Striegel?


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Das will ich versuchen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann hat Frau Dr. Pähle die Chance, Ihre Frage zu stellen. - Bitte sehr.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Kollege Striegel, ich habe Ihren Worten entnommen - es sei denn, ich habe es falsch verstanden  , dass Sie den Einsatz in Afghanistan insgesamt als Fehler von CDU und SPD bewerten. Nach meiner kurzen Recherche konnte ich feststellen, dass der Einsatz im Jahr 2001 vom Bundestag beschlossen wurde. Vielleicht helfen Sie mir auf die Sprünge und sagen mir, wer zu dieser Zeit außer der SPD an der Bundesregierung beteiligt war.

(Heiterkeit und Beifall)


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Dabei will ich Ihnen sehr gern helfen. Sie haben mich offensichtlich ganz konkret falsch verstanden.

(Heiterkeit)

Ich habe die Lageeinschätzung von CDU und SPD kritisiert, also dieser Bundesregierung.

(Zurufe)

Sie müssen schon genau zuhören. Schauen Sie einfach noch einmal in das Protokoll, Frau Pähle.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Gut, dann hätten wir das, soweit das hier möglich ist, auch geklärt. Nun gibt es eine Intervention von Herrn Tillschneider. - Herr Tillschneider, bitte, Sie haben das Wort.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Herr Striegel, wissen Sie, weshalb die Taliban Afghanistan im Sturm so plötzlich eingenommen haben? - Weil die Bevölkerung hintern ihnen steht.

(Beifall)

Es mag einem gefallen oder es mag einem nicht gefallen. Alle Umfragen und Studien zeigen - Herr Kirchner hat es schon erwähnt  , die große Mehrheit der Afghanen steht hinter den Taliban.

Weil Sie uns Kulturrassismus vorgeworfen haben, Herr Striegel, frage ich Sie: Wer ist denn hier der Rassist? Derjenige, der sagt, wir akzeptieren diese Entscheidung des afghanischen Volkes und mischen uns nicht ein, oder derjenige, der sagt, nein, ihr Afghanen tickt falsch, ihr müsst euch unseren Werten unterwerfen, ihr müsst so werden wie wir, wir wollen euch umerziehen? Wer ist der Rassist?

(Beifall)


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Kulturrassisten, Herr Tillschneider, sind Menschen, die bestimmten Völkern, bestimmten Menschen, bestimmten Nationen bestimmte Eigenschaften zuschreiben und sagen, so wären sie alle.

(Zuruf)

Das ist das, was die AfD tut. Das ist das, was wir zurückweisen.

Jetzt zur Frage der Unterstützung für die Taliban in Afghanistan. Selbst wenn eine Mehrheit der Afghaninnen und Afghanen die Taliban unterstützen würde, gibt dies keinem einzigen Menschen in Afghanistan das Recht, Minderheiten zu unterdrücken und Frauenrechte zu negieren. Denn das sind unverbrüchliche und unveräußerliche Menschenrechte. Das sind keine Werte westlicher Art. Das sind universelle Menschenrechte.

(Zurufe und Unruhe)

Und dafür ist zu kämpfen und Minderheiten sind zu schützen.

(Beifall)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt kommen wir zu einer Intervention des Abg. Herrn Räuscher. - Herr Räuscher, Sie haben das Wort.


Alexander Räuscher (CDU):

Herr Abg. Striegel, Sie haben auf die staatspolitische Verantwortung hingewiesen. Frau Dr. Pähle hatte schon gesagt, dass der Einsatz unter einer grün-roten Regierung     Rot-grün, Entschuldigung.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Damals war es noch Rot-Grün; das mag sich in Kürze ändern.

(Heiterkeit und Zurufe)


Alexander Räuscher (CDU):

Ich spreche jetzt mit Ihnen als einem Vertreter der Grünen und darum habe ich Ihre Partei zuerst genannt; das sollte nicht die Stimmverhältnisse aufzeigen.

Damals wurde über den Einsatz entschieden. Danach haben Sie nach meiner Kenntnis im Bundestag immer wieder gegen die Verlängerung des Einsatzes gestimmt. Wie wollen Sie Ihrer staatspolitischen Verantwortung eigentlich gerecht werden? Ich darf daran erinnern, dass das für Deutschland auch ein Bündnisfall war. Wenn Sie jahrelang dagegen stimmen, dann kann ich nicht erkennen, wie Sie die Verantwortung wahrnehmen wollen.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Sebastian Striegel (GRÜNE):

Zunächst einmal - das ist ganz klar - ist es ein Einsatz, der im Rahmen des Bündnisfalls begonnen wurde. Er ist von Rot-Grün auf den Weg gebracht worden. Aus meiner Sicht, aus meiner Perspektive war es sehr richtig, dass wir versucht haben, in Afghanistan eine bessere Situation entstehen zu lassen. Das schließt nicht aus, dass man infolge eines solchen Einsatzes auch schaut, an welchen Stellen Veränderungen notwendig sind. Sie werden festgestellt haben, dass die Bundesregierung schon seit einigen Jahren nicht mehr von den Grünen gestellt wird. Ich hoffe, wie gesagt, dass sich das am 26. September ändert.

Zudem ist völlig klar, dass die Bundeswehr als Parlamentsarmee, wenn das notwendig ist, selbstverständlich auch eingesetzt werden können muss. Es stellt sich die Frage, unter welchem Mandaten und unter welchen Bedingungen dies geschieht. Die Debatte zu der Frage, wie sinnvoll solche Einsätze sind und wie sie erfolgreich geführt werden können, ist gerade mit Blick auf Mali     

Die Wehrbeauftragte   ich glaube, sie kommt von der SPD   hat heute auch eine Debatte zu der Frage eröffnet, wie wir solche Einsätze erfolgreich führen können. Diese Debatte muss man führen. Und dabei kann man auch zu unterschiedlichen Bewertungen kommen und trotzdem beiderseits staatspolitische Verantwortung haben.