Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Henke, uns beide eint ja, dass wir relativ häufig den öffentlichen bzw. den Schienenpersonennahverkehr nutzen. Ich möchte heute, weil sich bereits das meiste in Ihrem Antrag erledigt hat, grundsätzlich nur noch zwei Anmerkungen dazu machen.

Stellen wir uns einmal vor, wir würden in einer echten Staatsbahn unterwegs sein. Die meisten hier im Saal - ich schaue einmal, ja, doch - können sich, glaube ich, noch daran erinnern, wie das ist. Wenn ich mir überlege, ich hätte in den vergangenen sechs Jahren jeden Tag zwischen Halle und Magdeburg damit fahren müssen, dann komme ich zu dem Schluss, dass ich das nicht gewollt hätte.

Das bisschen Wettbewerb - das   b i s s c h e n   Wettbewerb  , das wir im Augenblick im SPNV haben, hat dafür gesorgt, dass dieser deutlich komfortabler und deutlich zuverlässiger geworden ist.

(Zustimmung)

Er ist nicht so, wie wir ihn uns wünschen. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Jeder von uns möchte eigentlich, egal mit welcher Verkehrsform, schnell von A nach B kommen, ohne große Pläne wälzen zu müssen, ohne auf die eine oder andere Verspätung Rücksicht nehmen zu müssen etc. Das will ich durchaus eingestehen. Aber Wettbewerb - im Übrigen unter nicht mehr ganz echten Staatsbahnen, da die Rechtsform in der Regel nicht mehr richtig staatlich ist - hat dafür gesorgt, dass wir ein deutlich besseres Angebot haben und dass ich optimistisch bin, dass wir in der Zukunft bessere Angebote bekommen. Das ist der eine Punkt, den ich Ihnen sagen möchte. Und ja, wir werden beim wettbewerblichen Verfahren bleiben, um in Sachsen-Anhalt dafür zu sorgen, dass der Schienenpersonennahverkehr besser wird.

(Zustimmung)

Der zweite Punkt - ich habe ihn auch ein bisschen unterschwellig im Alternativantrag der GRÜNEN gesehen - ist die Unterstellung: Wenn die öffentliche Hand und in dem Fall die NASA GmbH, der auch ich an dieser Stelle für die Arbeit danke, die sie in der letzten Zeit geleistet hat, mal ordentlich arbeiten würde und die richtigen Kriterien anlegen würde, dann könnten solche Punkte gar nicht stattfinden.

Jeder hier im Saal, der schon einmal eine öffentliche Vergabe gemacht hat, weiß doch, dass kein Stück Bahn nach dem Motto „kurzer Zweizeiler“ ausgeschrieben wird, sondern das sind richtige Papers. Das ist im öffentlichen Bereich so. Denn man muss natürlich vorher festlegen, was man denn haben möchte. Natürlich wird dabei auch festgelegt, wie z. B. Personalkostensteigerungen zu berücksichtigen sind und wie verschiedene andere Parameter zu berücksichtigen sind. Und natürlich sind die Unternehmen im Wettbewerb gehalten, darauf zu achten, wo sie dies möglichst kostengünstig anbieten wollen. Denn jeder von uns hier möchte natürlich kostengünstig gute Leistungen in Anspruch nehmen. Deshalb halte ich dieses Verfahren für völlig in Ordnung.

Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass Sie vor vier Jahren klüger waren als die Landesregierung und schon gleich Skepsis hatten, ob denn Abellio das richtige Unternehmen ist. Ja, die hatte damals die NASA GmbH auch und sie hat das nachgeprüft.

Dann kam es zu der öffentlichen Vergabe. Jeder von Ihnen hier im Saal wird immer sagen: Rechtliche Regeln sind einzuhalten. Diese öffentlichen Vergaberegeln besagen: Ich kann kritisch sein, ich kann prüfen lassen. Aber dann muss ich halt einfach schauen, ob ich die Skepsis substantiieren kann und ob ich in einem Gerichtsverfahren bestehen würde. Denn auch dabei - wir wissen alle, das habe ich gerade gesagt, bei großen Bahnen, bei Staatsbahnen stehen viele Juristen dahinter   muss ich davon ausgehen, dass das Ganze auch funktioniert.

Damals ist man zu dem Ergebnis gekommen, es sei eben nicht sicher, dass man in einem Gerichtsverfahren obsiegen würde. Deshalb hat man sich dazu entschieden, Abellio den Auftrag zu erteilen. Das ist schlicht und ergreifend so. Herr Henke, das wissen gerade Sie als jemand, der auch viel im Baubereich unterwegs ist.

Mir persönlich ist es auch schon einmal so ergangen, dass ich das Gefühl hatte, dass es kein guter Auftragnehmer ist, was sich leider nachher bewahrheitet hat. Wir haben aber im öffentlichen Bereich keine Chance. Das würde im Übrigen vielleicht für mehr Privat sprechen als für mehr Staat.

Deshalb von meiner Seite aus Folgendes: Ich meine - unabhängig davon, dass wir beim Thema Infrastruktur, bei der es keinen Wettbewerb gibt, einer ähnlichen Meinung sind  , dass wir in dem Fall bestimmt nicht das Versagen von Privat und Markt sehen.

Wir müssen meiner Meinung nach den hier beschriebenen Weg, den das Land gegangen ist und der im Übrigen auch dem europäischen Recht entspricht, weiter gehen. Wir können natürlich jetzt zusammen - dazu werde ich natürlich auch gern im Ausschuss berichten - dafür sorgen, dass die Nordstrecke schnell ausgeschrieben wird, damit Sie zukünftig immer verlässlich zum Landtag und in den Ausschuss kommen können und damit sich die Bürgerinnen und Bürger im Land auf die Bahn verlassen können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Frage von Herrn Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Frau Ministerin, Sie machten den üblichen Move: Staatsbahn hätten wir alle zu DDR-Zeiten erlebt - Sie möglicherweise nicht, aber ich - und deswegen könne man doch davon ausgehen, dass diese Staatsbahn nicht die Alternative sei. Das kann man natürlich machen. Man hätte es vielleicht mit einem Jahrhundert noch weiter davor vergleichen können. Das wäre dann eh nicht seriös gewesen.

Machen Sie doch einmal Folgendes: Vergleichen Sie dieses Wettbewerbschaos, dieses sogenannte Wettbewerbschaos, das wir gerade teuer bezahlen, mit dem funktionierenden Verkehr in Österreich, in der Schweiz und in Frankreich. Übrigens sind das erst- und das letztgenannte Land auch Mitglied der Europäischen Union. Dort gibt es de facto vollständig eine Staatsbahn. Dort gibt es im Personenverkehr keinen Wettbewerb. Ich garantiere Ihnen, dort funktioniert es deutlich besser als in Deutschland.

(Zustimmung)


Dr. Lydia Hüskens (Ministerin für Infrastruktur und Digitales):

Ja, lieber Herr Gallert. Mein Großvater war Eisenbahner und er hat natürlich immer erzählt, dass die Züge pünktlich gekommen sind. Ich möchte einmal ganz offen bezweifeln, dass andere Staatsbahnen in Frankreich etc. per se besser sind. Bei meinem letzten Urlaub in Frankreich - es klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich fahre rasend gern Bahn, egal ob das in England ist oder in Frankreich ist - waren die Erfahrungen nicht so toll. Mein Französisch war nicht so gut.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: In England war das sicher nicht! - Weitere Zurufe)

- In England war es super; dort war es hervorragend,

(Zustimmung - Zurufe: Ah! - Weitere Zurufe - Lachen)

aber in Frankreich    

(Zurufe - Unruhe)

- Entschuldigung, Herr Gallert, wir bewegen uns doch gerade in einem Narrativ der persönlichen Erfahrung. Ja, wir beide haben Kaisers Bahn nicht mehr erlebt, aber wir haben beide unterschiedliche Bahnen erlebt. Und, ehrlich gesagt, man kann hier jetzt natürlich die Staatsbahn als deutlich besser in den Raum stellen. Das ist ja das Narrativ der LINKEN.

Da sage ich einmal ganz offen, wir haben in Deutschland eine Staatsbahn. Abellio gehört dem niederländischen Staat. Das sind alles Staatsbahnen. Wenn Sie recht hätten, müsste das super laufen. Die müssten gnadenlos mit großer Begeisterung die Defizite auf sich nehmen, tun sie aber nicht. Ich glaube, das spricht dagegen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall)