Tagesordnungspunkt 20

Beratung

Betreute Taubenschläge zur Reduzierung der Anzahl von Tauben und von Taubenkot im öffentlichen Raum ermöglichen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/2046


Einbringen wird diesen Antrag Frau Frederking.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Abgeordnete! Wer kennt das nicht: mit Taubenkot verschmutzte Plätze, Wege, Brunnen, Fassaden? Und manchmal findet man die tierische Hinterlassenschaft sogar in einem Glas oder auf einem Eis, und das ist alles andere als lecker.

Freilebende Stadttrauben sind keine Wildtiere. Es sind verwilderte Haustauben, weil sie immer aus dem häuslichen Bereich kommen. Sie haben ihren Ursprung z. B. als Brieftauben, aufgelassene Hochzeitstauben oder Rassetauben. Die Tiere leben in den Siedlungsgebieten und Städten, finden dort aber weder ausreichend noch artgerechtes Futter und hungern.

Für viele Menschen sind Stadttauben eine Plage. Deshalb wäre es gut, das Zusammenleben von Menschen und Tauben zu verbessern. Wir wollen weniger Verschmutzungen durch Taubenkot, insgesamt weniger freilebende Tauben und zugleich mehr Schutz für diese Tiere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür müssen die Tiere kontrolliert und artgerecht gefüttert werden dürfen und ein Austausch ihrer Eier gegen Gipseier muss ermöglicht werden. Doch genau das wird heute behindert. Der Grund ist, dass Sachsen-Anhalt als eines von zwei Bundesländern verwilderte Haustauben als Schädlinge eingestuft hat.

Aufgrund des Schädlingsstatus sprechen die Kommunen Fütterungsverbote aus, sodass eine kontrollierte und betreute Fütterung in Taubenhäusern und Taubenschlägen erschwert wird oder sogar unmöglich wird. Deshalb fordern wir, dass die sachsen-anhaltische Schädlingsbekämpfungsverordnung korrigiert wird und dort der Status der verwilderten Haustaube als Schädling gestrichen wird.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Meine Damen und Herren! Könnten Sie dem Thema bitte etwas Aufmerksamkeit schenken. Aufmerksamkeit ist vielleicht übertrieben, aber ich bitte um etwas mehr Ruhe im Plenum, damit diejenigen, die das möchten, auch der Rede ihre Aufmerksamkeit widmen können. - Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

In mehreren Rechtsprechungen wurde begründet, dass freilebende Stadttauben keine obligatorischen Gesundheitsschädlinge sind und von ihnen keine besonderen Gefährdungen für die menschliche Gesundheit ausgehen. Ein Sachverständigengutachten des Robert-Koch-Instituts hat einen Großteil der Aussagen, Tauben seien gefährliche Überträger von Krankheitserregern, zurückgenommen.

(Unruhe)

Das Robert-Koch-Institut hat im letzten Jahr noch einmal ausgeführt, dass bei Tauben zwar humanpathogene Keime und Krankheitserreger nachgewiesen werden, dass es aber keine gesicherte Übertragung auf den Menschen gibt bzw. nur in wenigen Fällen und das Risiko hierfür insgesamt gering ist.

Bereits im Jahr 1998 hat das damalige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in einer fachlichen Beurteilung festgestellt, dass es keine zwingenden Anhaltspunkte für eine generelle Einstufung freilebender Tauben als Schädlinge gibt. Durch die große Nähe zu Menschen sei zwar eine Übertragung von Krankheitserregern durch freilebende Tauben auf den Menschen prinzipiell möglich; dies gelte jedoch im gleichen Maße auch für andere in Städten lebende Wildvogelarten oder auch für Säugetierarten.

Noch deutlicher formuliert dieses Bundesinstitut   ich zitiere  :

„Es wäre absurd, alle in der Umgebung des Menschen lebende und hierdurch zwangsläufig auch mit dessen Krankheitserregern in Berührung kommende Tierarten allein aus diesem Grund als Gesundheitsschädlinge einzustufen. In dieser Hinsicht dürfte der weitaus engere Kontakt mit Heimtieren größere Gefahren bergen.“

Zusammenfassend sagen die Beurteilungen seit 1998, eine Übertragung von Krankheitserregern durch verwilderte Haustauben auf den Menschen ist prinzipiell möglich, aber die Gesundheitsgefährdung entspricht der bei anderen Tierarten. Von Stadttauben gehen keine besonderen Gesundheitsgefährdungen aus. Die Stadttauben als Ratten der Lüfte abzustempeln, ist fachlich überholt.

Es stellt sich die interessante Frage, wie die Tauben heute eigentlich leben.

(Lachen bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von der AfD)

In den Städten finden die Tiere kaum geeignetes Futter. Die Tiere hungern und viele verhungern sogar. Trotz Mangel und Fehlernährung nimmt die Anzahl der Tauben nicht ab, weil sie die Brut nicht einstellen. Ich hatte eingangs erläutert, dass es ursprünglich Haustauben sind, denen ein ganzjähriges Brutverhalten angezüchtet worden ist.

Für die Nahrungsaufnahme bleiben ihnen oft nur Abfälle und weggeworfene Essensreste. Auf der Suche nach Nahrung wickeln sich auch oft Haare, Drähte und Fäden um die schuppigen Füße. Dadurch kommt es zu Einschnürungen, Abschnürungen und Entzündungen oder Füße und Beine sterben sogar ab. Auch einige Vergrämungsmaßnahmen, wie verletzende mechanische Abwehrsysteme oder Klebepasten, sind qualvoll. All das führt bei den Tieren zu Schmerzen, Leiden oder Schäden. Diese tierschutzwidrigen Zustände verstoßen auch gegen das Tierschutzgesetz und müssen beendet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Also einsammeln und eine Suppe daraus machen!)

Deshalb muss das kontrollierte und betreute Füttern auch erlaubt werden. Dazu muss der Schädlingsstatus weg, damit die Kommunen ihre Vorbehalte verlieren und sich für das Wohlbefinden der Tiere auch einsetzen wollen. Sobald das Füttern erlaubt ist, soll es sich auf von der Kommune autorisierte Personen beschränken. Das heißt, für die uns allen bekannten Menschen, die mit großen Plastetüten kommen und ihre Brotreste auskippen wollen, soll das Fütterungsverbot natürlich weiterhin gelten.

Die kontrollierte und betreute Fütterung funktioniert am besten in Taubenschlägen und  häusern. Einige Städte haben damit gute Erfahrungen gemacht. In Augsburg wird seit 2017 vom Tierschutzverein Augsburg und Umgebung e. V. das Augsburger Stadttaubenmodell geleitet. Zentrales Element sind betreute Taubenschläge, auch in denkmalgeschützten Gebäuden. Dort gibt es aktuell zehn Taubenschläge und zwei Taubentürme.

Diese wurden gerade an den Stellen realisiert, an denen es Probleme mit den Tieren gab. Durch die artgerechte Futterversorgung verbringen die Tiere die meiste Zeit im Schlag. Die Gelege werden durch Eiattrappen ersetzt. Die Taubentürme und Taubenschläge werden regelmäßig gesäubert und desinfiziert. Pro Jahr werden 5 t Kot aus den Türmen und Schlägen entnommen; diese Kotmenge fällt dann natürlich nicht mehr im öffentlichen Raum an. Dadurch wird das Stadtgebiet entlastet.

Die Anzahl der Tauben in Augsburg blieb zunächst konstant; mittlerweile nimmt die Anzahl der Tauben ab. Die Tiere sind gesund, bevorzugen ihren Schlag und halten sich auch von den Häusern von den Plätzen fern, an denen sie vorher zu den Verschmutzungen geführt haben.

Wir bitten die Landesregierung weiterhin, die Kommunen für die tierschutzrechtlichen Aspekte bei Stadttauben zu sensibilisieren und mit Informationen zu unterstützen. Der Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen hat bereits Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation herausgegeben. Diese Informationen könnten uns in Sachsen-Anhalt auch als Vorbild dienen.

Lassen Sie uns also Veränderungen für mehr Tierschutz, für weniger Verschmutzungen und insgesamt weniger Tauben in den Städten auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)