Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Vorredner haben bereits einiges zur Lage der Krankenhäuser im Land gesagt. Unsere Krankenhauslandschaft muss für die neuen Bedürfnisse und aktuellen Herausforderungen zügig noch besser gerüstet werden. Ganz aktuell brauchen die Krankenhäuser natürlich Hilfszahlungen und Entlastungen, um die gestiegenen Gas- und Strompreise auszugleichen. Diese sind auf der Bundesebene bereits beschlossen worden. Die Landesregierung geht gut begründet davon aus, dass kein Haus aufgrund der gestiegenen Energiepreise seine Türen schließen oder Patienten abweisen muss.

Die in der Folge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gestiegenen Energiepreise belasten nicht nur die privaten Haushalte und die Wirtschaft; sie stellen auch eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit unserer Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen dar, wenn nicht geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden.

Der Bundestag hat am 15. Dezember 2022 nach der zweiten und dritten Lesung das Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften sowie das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse und zur Änderung weiterer energierechtlicher Bestimmungen beschlossen. Der Bundesrat hat diesen Gesetzen einen Tag später zugestimmt.

Das Gesetzespaket klingt sehr technisch, ist aber die Grundlage dafür, dass unsere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen durch diese Krise kommen. Was steht darin? - Im Kern enthalten die Gesetze zwei Regelungen, und zwar die Ihnen bereits bekannten Strom- und Gaspreisbremsen sowie eine Regelung, die die Mehrkosten für Energie, für Gas und Strom, zu 100 % ausgleicht. Denn im Vergleich zu den Gas- und Strompreisbremsen, bei denen der Verbrauch bei 70 % bzw. 80 % erstattet wird, sind es an dieser Stelle 100 %.

(Zuruf)

Denn die Mehrkosten, die trotz der Preisbremsen bleiben, werden hausindividuell und nach entsprechenden Nachweisen ausgeglichen. Das bedeutet im Klartext: Kein Haus wird aufgrund der gestiegenen Energiepreise insolvent werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Um es einfacher zu sagen: Die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen werden mit ihren Energiekosten so gestellt, als gäbe es keinen Krieg in der Ukraine. Das ist vorerst begrenzt bis April 2024.

Im Übrigen sei auf eine Formulierung im Koalitionsvertrag verwiesen, die da lautet:

„Sofern für die Versorgung unverzichtbare Krankenhäuser ihren Versorgungsauftrag nachhaltig nicht mehr erfüllen können, wird das für Gesundheit zuständige Ministerium einen Trägerwechsel unterstützen. Dabei sollen für die Landkreise und kreisfreien Städte als Ultima Ratio auch notwendige Rekommunalisierungen im Einzelfall durch erforderliche finanzielle Mittel abgesichert werden.“

Der Bund stellt mit diesen Paketen zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 8 Milliarden € bereit. Die Krankenhäuser erhalten Mittel in Höhe von 6 Milliarden €; darin enthalten sind 4,5 Milliarden € für energiebedingte Mehrkosten. Die restlichen 1,5 Milliarden € betreffen indirekte Energiekosten. Das Land wird nach Bettenanzahl - es sind 15 386 Betten - Mittel in Höhe von rund 48 Millionen € in drei Tranchen erhalten. Aus dem Energietopf wird das Land nach dem Königsteiner Schlüssel Mittel in Höhe von rund 120 Millionen € erhalten. Das bedeutet zusätzliche Mittel in Höhe von 168 Millionen €. Das ist eine beachtliche Summe für die Häuser.

Es ist das gute Recht der Opposition, Forderungen aufzustellen und die Landesregierung zu kritisieren. Es ist sogar ihre heilige Pflicht, Aufmerksamkeit auf mögliche Risiken zu lenken. Aber wie der Bedarf von 300 Millionen € zustande kommt, ist nicht ganz schlüssig. Da keine Gegenfinanzierung vorgelegt wurde, kann es nur auf eine Neuverschuldung hinauslaufen. Zudem sind der Landesregierung aus rechtlichen und beihilferechtlichen Gründen enge Grenzen gesetzt, was direkte Zahlungen an die Krankenhäuser betrifft.

In unserem Gesundheitssystem bahnen sich revolutionäre Dinge an. Wir alle wissen, dass wir Veränderungen dringend brauchen. Das zeigt die Situation in den letzten zwei, drei Jahren sehr deutlich. Vor allem muss das System der Fallpauschalen, der DRG, die sich in Gänze nicht bewährt haben und das System unter einen ungesunden Ökonomisierungsdruck gesetzt haben, geändert werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, darin sind sich viele einig. Die Kritik an dem DRG-System, wie es derzeit ist, teilen viele; das haben wir schon gehört. Das System hat ungesunde Fehlanreize ausgelöst, die maßgeblich auf Leistung und Mengen ausgerichtet waren und dazu führen, dass nicht immer die Qualität und die Notwendigkeit einer Behandlung im Mittelpunkt standen, sondern die finanzielle Abrechnung. Insbesondere die Kinderkliniken, die Pädiatrie, und die Geburtshilfe haben darunter gelitten, da Krankenhäuser Abteilungen geschlossen haben, weil sie nicht mehr rentabel waren. Sie sind aber ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass vom Bundesgesundheitsministerium die Budgetierung der Kinderkliniken ab dem 1. Januar 2023 ausgesetzt wurde und sich von nun an grundlegend ändert. Die Kinderkliniken erhalten ab sofort ein festes Budget in Höhe von 60 % ihrer Kosten als Vorhaltepauschale und sind damit raus aus dem Hamsterrad der Fallzahlen. Zudem werden für die Jahre 2023 und 2024 Mittel in größerem Umfang zur Verfügung stehen, und zwar 300 Millionen € für die Pädiatrie und 120 Millionen € für die Geburtshilfe. Auf das Land Sachsen-Anhalt entfallen nach dem Königsteiner Schlüssel mehr als 3,2 Millionen €.

Besonders wichtig ist: Die Medizin wird wieder in den Vordergrund gestellt und folgt nicht der Ökonomie. Das ist eine Kernaussage des Bundesgesundheitsministers.

(Jörg Bernstein, FDP, lacht)

Diese Aussage spricht mir aus dem Herzen und, so denke ich, vielen anderen hier auch. Die von der Bundesregierung eingesetzte Regierungskommission hat inzwischen umfangreiche Empfehlungen für eine Krankenhausreform vorgelegt und hat diese Aussage dabei als Leitlinie berücksichtigt. Das Konzept der Regierungskommission sieht vor, dass die Krankenhäuser verschiedenen Versorgungsleveln oder  stufen zugeordnet werden sollen. Es soll demnach Häuser der Grund- und Basisversorgung geben, die eine Notaufnahme und einen ambulant-stationären Bereich vorhalten. Sie sollen vollständig aus dem DRG-System herausgelöst werden. Ferner soll es Häuser der Regel- und Schwerpunktversorgung sowie Häuser der Maximalversorgung geben, etwa die Universitätskliniken, welche Vorhaltevergütungen für die Leistungsgruppen erhalten, deren Strukturanforderungen sie erfüllen.

Bis zur Sommerpause 2023 soll in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein Vorschlag für die neue Vergütungs- und Planungsstruktur entwickelt und mit den Ländern, die die Hoheit bei der Krankenhausplanung haben, zu einem Gesetzentwurf weiterentwickelt werden. Ziel ist es, ein Gesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden. Das ist ein ambitioniertes Vorhaben; denn wenn mit der Reform nicht jetzt umgesteuert wird, wird sich die derzeitige Entwicklung weiter verschärfen. Daher ist an dieser Stelle Eile geboten, die aber fachlich gut vorbereitet und mit Expertenvorschlägen untersetzt sein muss.

Noch ein paar Worte zu dem landeseigenen Gutachten, welches bald vorliegen wird. Da das Gutachten mit sehr vielen Daten arbeiten wird, dauert es ein bisschen länger. Das Ergebnis ist dann aber auch gehaltvoller und die Ideen des Bundes können noch mit eingearbeitet werden.

Sie sehen: Es ist viel in Bewegung. Ich erwarte, dass wir in einem Jahr ein stabileres und besser finanziertes Krankenhaussystem haben werden als heute. Lassen Sie uns diesen Weg über die Fraktionen hinweg aufmerksam, kritisch und konstruktiv begleiten, mit Ambition und Augenmaß. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es gibt eine Frage von Herrn Gebhardt. Frau Richter-Airijoki, ich gehe davon aus, dass Sie sie beantworten wollen.


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Ja, sicher doch.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Bitte, dann haben Sie das Wort.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Frau Kollegin, ich habe Ihrer Rede sehr genau zugehört. Ich kann mich auch an Ihre Rede bei der Einbringung unseres Antrages für den Rettungsschirm erinnern. Ich habe - korrigieren Sie mich, wenn ich es falsch in Erinnerung habe - deutlich in Erinnerung, dass Sie sich damals grundsätzlich für unsere Initiative ausgesprochen haben, dass Sie die Situation in den Krankenhäusern kennen und hier auch plastisch geschildert haben.

Jetzt hörte ich bei Ihnen andere Töne heraus und möchte Sie fragen: Was ist denn in der Zeit zwischen der Einbringung beim letzten Mal und der jetzigen Aktuellen Debatte passiert, dass Sie den Rettungsschirm seitens des Landes nicht mehr begrüßen bzw. nicht mehr für notwendig halten? Es gab eine Anhörung der Krankenhausgesellschaft; sie hat sich auch öffentlich dazu geäußert. Würden Sie sagen, dass die Argumente der Krankenhausgesellschaft Sie nicht so überzeugt haben und dass Sie deshalb ihre Position geändert haben?


Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD):

Nein, ich habe meine Position nicht geändert. Ich habe die Initiative begrüßt, weil Krankenhäuser einfach sehr wichtig sind. Ich finde es wichtig, dass wir einen Fokus auf die Krankenhäuser haben und halten. Ich finde auch die Rolle der Opposition dabei sehr wichtig. Das habe ich anerkannt. Ich habe auch jetzt gesagt, es ist nicht nur das gute Recht, sondern auch die heilige Pflicht der Opposition, auf mögliche Risiken hinzuweisen. Daher sage ich auch, wir müssen das wirklich gemeinsam und fraktionsübergreifend im Auge behalten und begleiten; das ist wichtig. Ich begrüße es, dass wir das tun.

Ich habe mir die Zahlen angesehen; ich habe sie mir vom Ministerium zeigen lassen. Ich habe mir die Zahlen, die ich genannt habe, genau angesehen. Daraus ist für mich wirklich schlüssig, dass wir keine Insolvenz zu befürchten haben, sodass dieser Rettungsschirm nicht erforderlich ist. Es ist sinnvoll, auf dem Weg weiterzugehen, den das Ministerium geplant hat. Dass wir das natürlich beobachten, immer dran sind und vor allem auch die Verlinkung der Bundes- und der Länderinitiativen im Auge behalten, ist klar.

Ich muss sagen: Die Berechnungen und Erläuterungen haben mich davon überzeugt, dass nicht die Notwendigkeit für einen Rettungsschirm mit einem Volumen von 300 Millionen € besteht, dass das Ministerium die Entwicklungen im Auge hat und dass es solide Berechnungen sind, sodass, falls sich neue Kriterien ergeben, auch gegengesteuert werden wird.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Ich denke, die Frage ist so weit geklärt worden, wie sie in diesem Kontext geklärt werden kann. - Danke, Frau Richter-Airijoki. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.