Tagesordnungspunkt 35

Beratung

Lehramtsausbildung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg stärken

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 8/1978


Herr Meister hat für kurze Zeit das Wort.


Olaf Meister (GRÜNE):

Für kurze Zeit das Wort, so so. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Unterrichtsversorgung in Sachsen-Anhalt befindet sich auf absoluten Tiefstständen. Sie liegt durchschnittlich bei nur 92 %.

Zu Beginn des aktuellen Schuljahres bedeutete dies, dass im Durchschnitt etwa jede zehnte Unterrichtsstunde an den Schulen unseres Bundeslandes ausgefallen ist. Die tragische Folge ist, Fächer wie Chemie, Musik, Sport, Geschichte, Kunst oder Ethik werden aus den Stundenplänen gestrichen, weil das Personal für diese Fächer fehlt oder für die Absicherung der Kernfächer wie Mathematik und Deutsch benötigt wird. Auch schulische Zusatzangebote wie Arbeitsgemeinschaften müssen oftmals ausfallen.

Diese Situation ist - so weit dürfte Einigkeit bestehen - katastrophal. Gestern war ich mir bei der Rede des Kollegen von der CDU unsicher, ob er das auch so sieht. Aber ich glaube - das war zumindest in der Vergangenheit bei allen die Einschätzung -, dass es ein unhaltbarer Zustand ist. Es ist zum einen für die jungen Menschen ein unhaltbarer Zustand, weil ihnen eine gute schulische Bildung verbaut oder zumindest erschwert wird mit ernsten Folgen für ihren weiteren Lebensweg, für das Erreichen von Schulabschlüssen, ja, für ihr späteres Berufsleben.

Zum anderen ist es für unser Land insgesamt ein unhaltbarer Zustand. Weniger Bildung wird sich drastisch, wenn auch schleichend und zeitlich versetzt, auf die soziale und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft auswirken.

Den Grund für die Problemlage an unseren Schulen kennen wir alle. Er ist ganz banal. Es ist der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern. Um den Lehrkräftemangel zu bekämpfen, müssen wir angesichts des Ernstes der Lage alle notwendigen und uns möglich Maßnahmen ergreifen. Daher müssen auch alte Entscheidungen, die der Problemlinderung entgegenstehen, auf den Prüfstand.

Eine dieser jetzt nötigen Maßnahmen ist es, die vorhandenen Kapazitäten bei der Lehramtsausbildung in unserem Bundesland vollständig zu nutzen. Vor vielen Jahren, um genau zu sein, im Jahr 2004, wurde die politische Entscheidung getroffen, an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg die Lehramtsausbildung stark einzuschränken. Der Grund für diese Entscheidung war einerseits die beabsichtige Profilschärfung bei unseren beiden großen Universitäten im Land. Aber natürlich wurde die Entscheidung vor allem auch deshalb getroffen, weil man damit Kosten einsparen wollte.

Heutzutage weiß man, dass diese Entscheidung zur weitgehenden Schließung der Lehramtsausbildung an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg ein Fehler war. Zumindest ist das unsere Einschätzung. Es war ein Fehler; denn wir brauchen jeden einzelnen jungen Menschen, die oder der sich dafür entscheidet, in unserem Bundesland die Lehramtsausbildung zu absolvieren, egal ob nun an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg oder an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg.

Heute wissen wir auch, dass wir uns diese erzwungene Beschneidung der Lehramtsausbildung an der Universität in Magdeburg schlicht nicht mehr leisten können. Wir müssen alle vorhandenen Möglichkeiten im Bereich der Lehramtsausbildung in Sachsen-Anhalt optimal nutzen. Da setzt der Antrag an. Er will im Prinzip die niedrig hängenden Früchte pflücken.

Wir hatten ja gestern schon ein bisschen diese Diskussion - ich schaue Frau Dr. Pähle an, weil das ja auch in ihrem Redebeitrag gestern schon eine Rolle spielte. Der Antrag ist bewusst sehr einfach und klein gehalten worden. Sie haben gesehen, dass der tatsächlich nur diesen einen Punkt angeht. Es geht nicht um den Aufbau neuer Professuren, neuer Gebäude oder dergleichen.

Es geht tatsächlich darum, ohne dass man groß Kosten erzeugen würde - ein bisschen administrative Kosten wird man haben -, einfach die Fächer, die da sind, tatsächlich zu öffnen, die Kombinationen zu ermöglichen, damit eine stärkere Vielfalt an der Universität zu haben und das Angebot zu erweitern.

Die Frage ist, wie das wirken würde. Gestern kam auch die Diskussion auf, hat das eine Wirkung für die Region.

Haben wir tatsächlich ein Mehr? - Ich meine: Ja. Es kam das Beispiel mit der Juristenausbildung. Ich glaube, das ist nicht hilfreich. Juristen werden nur zu einem sehr geringen Teil tatsächlich in den Landesdienst übernommen. Das ist eine Ausbildung, die deutlich über das hinausgeht, was wir im Bereich der Ausbildung für das Land selbst brauchen.

Bei den Lehrkräften ist es gänzlich anders. Sie alle fangen in unserem Schulwesen an, zum Teil in freien Schulen, aber sie fangen im Schulwesen an. Wenn man diese Ausbildung im nördlichen Teil von Sachsen-Anhalt nicht vorhält, dann hat das tatsächlich Nachteile für diesen Teil des Landes. Davon bin ich überzeugt.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU, und von Rüdiger Erben, SPD)

Die Otto-von-Guericke-Universität hat die Kapazität und den eigenen Willen, das Angebot des Lehramtsstudiums an ihrer Hochschule zu erweitern. Nicht zuletzt wurde dies aktuell dadurch verdeutlicht, dass der Rektor der Universität die Magdeburger Erklärung mit unterzeichnet hat, in der unter anderem die Optimierung der Lehramtsausbildung an der Hochschule gefordert wird.

Um die Lehramtsausbildung an der Otto-von-Guericke-Universität zu verbessern, müssen wir die politischen Restriktionen aufheben, die für die Studierenden die Kombinationsmöglichkeiten der an der Universität angebotenen Fächer einschränkt. Denn es ist völlig unverständlich, warum man als Erstfach an der OVGU verpflichtend Mathematik, Wirtschaft oder Technik studieren muss und nicht z. B. Deutsch mit Sozialkunde oder Ethik kombinieren kann, obwohl all diese Fächer an der Hochschule auch jetzt schon angeboten werden.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Eva von Angern, DIE LINKE)

Für    

Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Alles gut.


Olaf Meister (GRÜNE):

Wenn Sie mich ansprechen, dann reagiere ich, Herr Präsident. Ich bin aufmerksam. - Für junge Menschen, die gern Lehrkraft werden möchten, allerdings nicht besonders technisch, wirtschaftlich oder mathematisch versiert oder interessiert sind, ist das Lehramtsstudium an der Universität in Magdeburg somit unattraktiv. Das zu ändern und die vorhandenen Restriktionen aufzuheben, tut keinem weh und ist mit einem minimalen überschaubaren Kostenaufwand realisierbar. Wir müssen nur den Schalter umlegen, um die bereits vorhandenen und von uns finanzierten Angebote und Kapazitäten auch tatsächlich zu nutzen. Das würde der Otto-von-Guericke-Universität die Möglichkeit bieten, die Lehramtsausbildung bedarfsgerecht auszubauen und gleichzeitig mehr Menschen für das Lehramtsstudium an ihrem Standort zu begeistern.

Dass unser Antrag ein aktuelles Erfordernis thematisiert, zeigt sich nicht zuletzt auch in einem aktuellen Interview mit der Bildungsministerin, die betonte, dass sie den Ausbau der Lehramtsausbildung an der Universität in Magdeburg mittelfristig anstrebt. Sie hat recht. Wir sollten uns aber nicht mehr mit Zeitfenstern wie „mittelfristig“ aufhalten. Wir müssen schnell handeln. Denn die Wirkung der verbesserten Studienmöglichkeiten kommt bei den Schulen auch erst mit zeitlicher Verzögerung an.

Die im Antrag beschriebene Maßnahme wäre ein solcher schneller und leichter erster Schritt zum Ausbau des Lehramtsstudiums an der Universität Magdeburg. Wir wollen in Sachsen-Anhalt keine Situation mehr wie zu Beginn dieses Schuljahres erleben. Wir müssen verhindern, dass Unterricht großflächig ausfällt, und dafür sorgen, dass jedes Kind sowie jede und jeder Jugendliche eine vernünftige Bildung an unseren Schulen erhält. Dafür muss der Unterricht stattfinden.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Dafür brauchen wir Lehrerinnen und Lehrer sowie eine Stärkung Lehramtsausbildung. Dafür müssen wir auch aus der Zeit gefallene Hemmnisse abbauen und die freie Fächerkombination an der Magdeburger Universität wieder zulassen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall beim GRÜNEN)