Olaf Meister (GRÜNE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Klimakrise bringt radikale Umbrüche für die bislang vorrangig fossil ausgerichtete chemische Industrie mit sich. Die Energiepreiskrise infolge des Überfalls Russlands auf die Ukraine hat die Geschwindigkeit dieser nötigen Transformation noch einmal dramatisch erhöht und wirft Ideen von Zeitplänen, die man bisher hatte, über den Haufen. Insbesondere im Mitteldeutschen Chemiedreieck wird die Wucht durch die bisherigen engen Lieferverbindungen zu Russland und durch die Tatsache, dass es eine sehr energieintensive Branche ist, verstärkt.

Unsere Chemiebranche ist im Umbruch und steht davor, sich hinsichtlich der Energieversorgung und der Grundstoffe grundlegend umzugestalten, und zwar weg von fossilen Rohstoffen hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die stärker auf Recycling und nachwachsenden Rohstoffen basiert. Das geschieht nicht mit einem Schlag, aber eben in der Entwicklung. Dieser Umbau stand auch unabhängig von den Folgen der Ukrainekrise bereits an.

Das neue Großforschungszentrum für Transformation in der Chemieindustrie CTC setzt genau dort an. Dabei geht es nicht nur um ein paar hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Forschung, sondern tatsächlich um die Gestaltung der Zukunft der Branche. Das, was die dort machen, ist die Zukunft. Wer sich dem verschließt, der betreibt tatsächlich die Deindustrialisierung, vor der hier die Kollegen gewarnt haben. Dabei geht es um nachwachsende Rohstoffe. UPM ist das Beispiel vor Ort. Dort geht es um Recycling.

Herr Zimmer spricht von einer Schmuddelbranche. Ihr hinkt damit der Entwicklung ein paar Jahrzehnte hinterher. Tatsächlich war das in den 80er-Jahren in grünen Kreisen eine echte Diskussion. Damals war aber die Elbe auch nicht nutzbar. Man konnte nicht einmal an ihr entlanggehen, weil es wirklich extrem unangenehm roch.

(Zurufe von Ulrich Thomas, CDU, und von Oliver Kirchner, AfD)

Das hatte natürlich Gründe. Diesbezüglich hat sich die Chemieindustrie gewandelt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das muss man ja doch annehmen. Insofern ist doch die Chemieindustrie heute anders, als sie es damals war. Das, was wir heute diskutieren, ist doch geradezu die Zukunftssicherung für diese Industrie.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dazu stehen wir. Insofern haben wir dieses Problem mit einer Schmuddelbranche nicht. Das ist mehr eure ideologische Sicht

(Beifall bei den GRÜNEN)

auf unsere Art, mit den Dingen umzugehen. Das ist nicht unsere Position.

Aktuell drängend ist, dass wir während des Umbaus sicherstellen, dass diese energieintensive Industrie quantitativ und preislich planbar mit Energie versorgt wird. Die entsprechenden Maßnahmen der Bundesregierung zielen darauf ab. Die Herausforderungen bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit bleiben bestehen. Es ist tatsächlich ernst. Das erkennt man, wenn man mit den Leuten spricht. Wir haben als Fraktion natürlich auch unsere Termine, um das mit denen zu erörtern. Dort bestehen tiefe Sorgen. Tatsächlich haben wir unsere Fraktion als Scharnier verstanden, um tatsächlich zu übersetzen und zu kommunizieren, was spezifische Bedürfnisse in Sachsen-Anhalt sind, und das gegenüber dem Bund klarzumachen.

(Guido Heuer, CDU: Wem wollt ihr das übersetzen?)

- Im Ausschuss gab es interessante Papiere von Piesteritz, die sich ausdrücklich bei der GRÜNEN-Fraktion für diese Dinge bedanken.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Das sind Landtagsdrucksachen. Wenn du denen nicht glaubst ...

Tatsächlich passiert dort etwas. Dabei muss man gemeinsam an einem Strang ziehen und muss gemeinsam die Dinge, die dazu anzusprechen sind, auch ansprechen.

Eben jene genannten Herausforderungen begleiten die Menschen und Unternehmen in der Region beim Kohleausstieg und bei dem notwendigen Strukturwandel. Auch für die Landespolitik ergibt sich daraus eine Aufgabe zur beständigen Bearbeitung und Unterstützung des Wandels. Herr Silbersack führte dann an dem Punkt den Ausstieg bis 2030 an. Ich erwähne jedes Mal bei dem Punkt, dass für uns der Ausstieg erst 2034 fest ist, weil dann hier die Kohle alle sein wird

(Ulrich Thomas, CDU: Gott sei Dank!)

und wir dann die Strukturen ganz anders machen müssen. Mich stört etwas an dem Satz „Wir brauchen Zeit“. Der hat seine Berechtigung. Tatsächlich braucht man für solche Prozesse Zeit. Wir reden aber schon seit den 90er-Jahren darüber.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist wirklich ein langer Prozess. Damals haben wir für so etwas immer Heiterkeit geerntet. Das wurde nicht ernst genommen. Heute nimmt man das ernst. Dazu gibt es durchaus aggressive Angriffe. Tatsächlich eilt es aber. Es ist keine spinnerte Idee von uns, dass wir möchten, dass die Industrie anders läuft, sondern es sind eben die globalen Prozesse, die uns dazu bringen, auf schnelle Änderungen zu drängen, und das auch gemeinsam in Berlin. Der Minister ist darauf eingegangen, was die gesetzlichen Bedingungen sind und was die Hoffnung der Koalition in Berlin ist.

Die Abkehr von einer fossilen Energiewirtschaft zu einer auf Basis erneuerbarer Energien bietet für Sachsen-Anhalt eine große Chance. Zum einen verringern wir mit selbst erzeugter Energie aus Wind und Sonne die Abhängigkeit von Importen. Zum anderen stärkt die Erzeugung in unserem Land die Wertschöpfung vor Ort. Davon können dann auch die Kommunen durch Steuereinnahmen profitieren.

Dabei wird der Erzeugung von grünem Wasserstoff eine große Rolle zukommen. Ich glaube, Herr Silbersack ist auch darauf eingegangen. Es geht erst einmal um Wasserstoff an sich und dann natürlich auf Dauer um grünen Wasserstoff. Diese Rolle lässt sich im aktuellen Landeshaushalt leider nicht ablesen. Die beiden industriellen Wasserstoffvorhaben der Firma Linde in Leuna und Bobbau gehen beim Haushaltsplan des Wirtschaftsministeriums für 2023 leider leer aus und sollen 2024 mit Landesmitteln unterstützt werden. Auch die Haushaltsansätze im Bereich Wasserstoff erscheinen angesichts der Aufgabe und der Komplexität doch sehr schmal.

Die grüne Wasserstoffindustrie wird stofflich wie energetisch die Zukunft bestimmen. Wer aber grünen Wasserstoff ernten will, muss auf erneuerbare Energie setzen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich kann es Ihnen nicht ersparen. Wenn die Debatte darauf kommt, dann müssen wir darauf hinweisen. Die Verfügbarkeit erneuerbaren Stroms müssen wir zu einem Teil eben auch in Sachsen-Anhalt selbst sicherstellen. Dafür brauchen wir mehr Energie aus erneuerbaren Energien und dafür müssen wir Wind- und Solarenergie weiter ausbauen. Dazu sind auch unkonventionelle Wege zu beschreiten

(Ulrich Thomas, CDU: So ein Blödsinn!)

  kannst mir gern Fragen stellen, dann können wir das diskutieren - wie der Bau von Windkraft- und PV-Anlagen in Bergbaufolgelandschaften oder Agro-PV als Schattenspender auf geeigneten Anbauorten und -flächen, vor allem aber auf allen irgendwo verfügbaren Dachflächen. Ebenso ist die Netzanbindung der Industriecluster für die Zuleitung von grünem Strom auszubauen. In Leuna geht es dazu insbesondere um eine zukünftige Höchstspannungsleitung von 380 kV.

Beim Ausbau Mitteldeutschlands zu einer Region für grünen Wasserstoff sind aber auch die anderen Regionen unseres Landes mitzunehmen. Dabei muss der Blick über die Region Halle-Leipzig hinausgehen, insbesondere dann, wenn es, wie im Salzlandkreis, mit dem Projekt der H2-Region Salzlandkreis schon eine Initiative gibt, die einen regionalen Kreislauf zur Herstellung und Nutzung von Wasserstoff installieren möchte.

Erfreulich ist auch die Meldung aus dem Burgenlandkreis, in dem ein Wasserstoffnetzwerk eine gemeinsame Wasserstoffpipeline im Landkreis realisieren will und das Land der Vorschlagsskizze des H2-Clusters Burgenlandkreis eine erfolgreiche Bewertung ausgestellt hat.

Herauszustellen ist, dass es die potenziellen Produzenten und auch Abnehmer bereits gibt. Den nun zu stellenden Förderantrag im Rahmen des Investitionsgesetzes Kohleregion für Sachsen-Anhalt gilt es zügig und hilfreich zu begleiten.

Über den breiten Ansatz von Produktion und Nutzung grünen Wasserstoffs können wir in industriellem Maßstab bei der Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion in eine Vorreiterrolle kommen, wenn wir es denn entschlossen angehen. Es geht jetzt darum, eine marktfähige grüne Industrie zu entwickeln. Indem wir die Nutzung von Wasserstoff vorantreiben, können wir Koks, Kohle, Öl oder Erdgas nach und nach ersetzen. Dazu wird das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Klimaschutz im kommenden Jahr sogenannte Klimaschutzverträge für die Industrie aufsetzen. Wer seine Produktion klimafreundlich macht, der soll sowohl Geld für Investitionen als auch jährliche Mittel für die bisher noch teurere grüne Produktion erhalten. Dazu sollen jeweils 15 Jahre laufende Verträge zwischen Staat und Betrieb geschlossen werden.

Für Sachsen-Anhalt von Bedeutung ist, dass - anders als etwa Autos und der Verkehr oder Wärmepumpen im Gebäudesektor - die Industrie ihre Prozesse eben nicht direkt auf grünen Strom umstellen kann, weil es technologisch entsprechende Vorgaben gibt. Daher gilt grüner Wasserstoff als Mittel der Wahl. Hier können wir mit Leuna als eine bereits existierende und arbeitsfähige Erzeuger- und Transformationsregion für grünen Wasserstoff punkten. Für die wichtige Energie- und Rohstoffquelle der Zukunft müssen wir aber über das jetzige Anfangsstadium hinaus zu großen Volumina kommen. Technologisch ist das machbar. Preislich flankierende Unterstützung ist auf dem Weg.

Die konkrete Umsetzung im Land muss bitte energischer erfolgen. Das bedeutet aber vor allem auch - ich wiederhole mich  , die erneuerbaren Energien auszubauen. Grüner Wasserstoff in all seinen Formen wird zukünftig einen entscheidenden Beitrag zur Wertschöpfung, zur Versorgungssicherheit und zum Klimaschutz leisten. Daran wollen und müssen wir mitwirken. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)