Nicole Anger (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jede Eindämmungsverordnung und die damit einhergehenden Auflagen wurden immer mit dem Wissen der damaligen Zeit erstellt. Die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zur Reduktion von Infektionen basierten auf den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnissen und hatten deswegen mehrheitlich ihre Notwendigkeit.

Niemand wusste im Jahr 2020, wie sich dieses Virus entwickeln würde und welche Schlagkraft und Dramatik es für unser Land bereithalten würde. Auch heute wissen wir noch nicht alles über dieses Virus, vor allen Dingen nicht über alle seine Folgen. Ich will an der Stelle nur einmal auf Long Covid und ME/CFS, Myalgische Enzephalomyelitis, das Chronische Fatigue-Syndrom, hinweisen, eine schwere neuroimmunologische Erkrankung infolge von Corona unter anderem. Hierzu haben wir noch einen viel zu geringen Forschungsstand, was leider auch am Unwillen des Bundes liegt, diesen zu intensivieren. Aber die Folgen einer Coronainfektion sind für eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Menschen gravierend, ja, massiv lebenseinschränkend.

(Zuruf)

Meine Damen und Herren! Niemand weiß, wie sich die Pandemielage entwickelt hätte, wenn das Agieren ein anderes gewesen wäre, wie viele Tote wir vielleicht mehr gehabt hätten, ob unser ohnehin marodes Gesundheitssystem deutlich über seine Belastungsgrenze gekommen wäre. An vielen Stellen war es knapp davor und ist es immer noch zu einzelnen Zeiten. Was, wenn die Mediziner*innen in Triagesituationen gekommen wären, weil wir eben keine Maßnahmen ergriffen hätten? Es galt, einer solchen Lage stets zuvorzukommen, um uns Bilder wie aus Bergamo zu ersparen.

(Zurufe - Unruhe)

Das Ziel war und ist es, sich in unserer Gesellschaft solidarisch vor allem mit den Schwächsten zu zeigen und vor allen Dingen gegenseitig Rücksicht zu nehmen. Wir alle haben Tag für Tag in dieser Pandemie dazugelernt und tun dies bis heute, nur eine Fraktion hier im Hause nicht. Der ist das auch sonst völlig egal.

Die sogenannten Spaziergänge, die Coronaleugner-Spaziergänge, angeführt von der AfD, die eine zunehmende Gewaltbereitschaft zeigten, die Hass und Hetze gegen die Handelnden in Politik, in den Gesundheitsbereichen, in Schulen und Kitas verbreiteten, die bewusst provozierten, hatten nur ein Ziel: an den Grundfesten unserer Demokratie zu rütteln, unsere Solidarität zu brechen. Die Pandemie ist und war dafür nur der Vorwand. Hier arbeitet eine kleine Gruppe nach wie vor an der Destabilisierung des Landes, unterstützt von ihrem parlamentarischen Arm dort rechts außen.

Verstöße gegen die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung waren systematisch und bewusst provoziert. Die von der AfD propagierte Coronadiktatur knüpft nahtlos an deren Umsturzfantasien der Jahre zuvor an.

(Unruhe)

Jetzt Begnadigungen für diejenigen einzufordern, die sich unsolidarisch und rücksichtslos verhalten haben, diejenigen, die bewusst Grenzen überschritten haben, die provozierten und somit das Leben von anderen Menschen gefährdeten, und von der Strafe freizusprechen, wo, bitte, soll das gerecht sein? Insbesondere denjenigen gegenüber, die sich verantwortungsvoll an die Auflagen zum Schutz des Miteinanders und insbesondere für die vulnerablen Gruppen gehalten haben, ist das zutiefst ungerecht.

Die AfD versucht mit diesem Antrag - wie auch auf der Straße - zu spalten und zu hetzen. Es geht nur darum, die Unsicherheiten von Menschen, ihre Sorgen und Ängste auszunutzen, für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren. Es geht ihnen mitnichten um sachgerechte Politik und mitnichten um die Gesundheit der Menschen.

Deutlich wird dafür: Es geht der AfD um die Entlastung der eigenen Leute aus den eigenen Reihen. Menschen, die eben keinen friedlichen Protest gezeigt haben, sondern Menschen, die auch gewaltbereit mit Drohkulissen bis vor die privaten Wohnorte von Bürgermeister*innen gezogen sind und sie bedroht haben - Stichwort „Halberstadt“. Das Anliegen der AfD mit diesem Antrag ist es, Bedrohungen zu entkriminalisieren. Der Antrag widert mich an. Er ist zu verurteilen und klar abzulehnen.

(Zustimmung bei der LINKEN)