Jörg Bernstein (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die von der antragstellenden Fraktion vorgebrachte Kritik hinsichtlich Bildungsqualität und Leistungsniveau mag man sicherlich in einigen Punkten teilen. Von einem stetigen Verfall zu sprechen halte ich dann doch zu sehr überspitzt.

Im Übrigen wage ich zu bezweifeln, dass man alleine mit dem Leistungsschlüssel bzw. der Anhebung oder der Absenkung dieses Schlüssels tatsächlich auf das Leistungsniveau Einfluss nehmen kann. Es ist letztendlich eine Randerscheinung, wie es schon von einigen Kolleginnen und Kollegen dargestellt wurde, aber es ist aus meiner Sicht nicht das entscheidende Kriterium - das sage ich als Lehrer.

Ich denke, hier ist eine inhaltliche Diskussion erforderlich, die die bestehenden bundesweiten Regelungen in Betracht ziehen und die so gestaltet werden muss, dass wir unsere Schülerinnen und Schüler nicht gegenüber den anderen Ländern benachteiligen.

Trotzdem möchte ich Ihnen gern erläutern, warum wir als Freie Demokraten gern eine Diskussion zu den Bewertungsschlüsseln im Bildungsausschuss führen möchten. Aus meiner Sicht greift der Antrag zu kurz und ist stellenweise unpräzise. Als Berufsschullehrer fühle ich mich etwas benachteiligt und ausgegrenzt. Das erlebe ich relativ häufig in bildungspolitischen Diskussionen. Berufsbildende Schulen kommen in Ihrem Antrag überhaupt nicht vor. Dabei denke ich, dass gerade bei dieser Schulform Berufsbildende Schulen in der Gesamtheit der größte Reformbedarf bestehen könnte, wenn man sich diesem Thema einmal widmen möchte.

Wenn ich einmal einen Schüler nehme, kann er in seiner berufsschulischen Laufbahn - das ist nicht einfach so daher gesagt, das sind Tatsachenberichte aus meinem Erfahrungsbereich - mit drei verschiedenen Bewertungsschlüsseln Erfahrungen machen. Eine Rechtsanwaltsfachangestellte beispielsweise wird nach dem Kammerschlüssel bewertet. Dann macht sie meinetwegen eine einjährige Fachoberschulausbildung. Da haben wir den für die allgemeinbildenden Schulen gültigen Vollzeitschlüssel. Am Ende geht sie noch zwei Jahre auf das berufliche Gymnasium - da kann sie gleich in die Qualifizierungsstufe einsteigen -, dann hat sie den 15-Punkte-Schlüssel. Darin ist ganz schön viel Bewegung.

Wenn Sie mich als Lehrer fragen würden, welchen Schlüssel ich präferiere, würde ich sagen, den Kammerschlüssel. Das ist der einzige, der für eine ausreichende Leistung, die zwar Mängel aufweist, aber im Großen und Ganzen den Anforderungen entspricht, Note 4, mindestens die Hälfte der geforderten Leistung verlangt. Das empfinde ich als entscheidendes Kriterium.

Mit Ihrem Vorschlag zum 15-Punkte-System der Qualifizierungsphase in der gymnasialen Oberstufe haben Sie keinen großen Aufschlag gemacht. Ich habe es einmal verglichen. Da gibt es Abweichungen um einen Prozentpunkt. Ob ich eine Note 4, 4 Minus mit 4 Punkten mit 41 oder 40 % - und so setzt sich das fort - habe, das ist nicht der signifikante Unterschied. Unpräzise ist auch: Wollen Sie diesen Schlüssel auf die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe übertragen oder nicht?

Sie sehen also, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt reichlich Diskussionsbedarf, dem wir uns durchaus einmal stellen sollten. Wir als Freie Demokraten empfehlen auch die Überweisung in den Bildungsausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Danke. Es gibt noch eine Frage, die Ihnen Herr Lizureck stellen möchte. Wollen Sie die beantworten?


Jörg Bernstein (FDP):

Ja.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann, Herr Lizureck, können Sie sie jetzt stellen. Bitte.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Herr Bernstein, dazu eine Frage gerade an Sie als Berufsschullehrer: Ich habe an vielen Stellen gehört, dass die Qualität der Jugendlichen, die von der 10. Klasse ins Berufsbildungssystem eintreten, ganz erheblich nachgelassen hat. Wir hatten im Sommer - ich weiß nicht, ob es im Juni oder im Juli war - eine Veranstaltung, zu der wir vom Jobcenter in Dessau eingeladen wurden. Dort wurde gesagt, dass über 8 %, ich glaube, 8,6 %, der Jugendlichen direkt in das Sozialsystem abgewandert sind, weil sie nicht so ausgebildet wurden, um irgendwo eine Ausbildung aufzunehmen. Ich denke, das sind doch ganz klare Signale, hier einmal tätig zu werden. - Danke.


Jörg Bernstein (FDP):

Ich habe es gesagt, es gibt den Trend des abfallenden Leistungsniveaus. Das habe ich durchaus an der Berufsschule festgestellt. Aber das hat nicht unbedingt etwas mit der Bewertung zu tun, sondern die Bewerberzahl nimmt ab. Aus einem Nachfragemarkt der potenziell Ausbildungswilligen ist letztendlich ein Markt geworden, auf dem sich der Ausbildungsbetrieb um seine Auszubildenden bewerben muss. So ist das. Wenn ich aus dieser immer geringer werdenden Zahl von potenziellen Berufsschülern auswählen muss, ist der Zwang da, vielleicht auch Schüler aufzunehmen, die nicht mehr das hohe Bildungsniveau haben, das ich in früheren Jahren gewohnt war.

Ich nenne einmal ein Beispiel: Der Beruf der Bankkaufleute war früher ein Ausbildungsberuf ausschließlich für Abiturienten. Zum Schluss waren das im Regelfall Sekundarschüler, es gab sogar einen Hauptschulabsolventen dabei. Von daher können wir natürlich sagen, dass sich Leistungsanforderungen verändert haben. Aber generell kann ich das nicht über alle Berufsgruppen bestätigen.