Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Ja, die Personalsituation in unseren Schulen ist angespannt. Über die Daten zur Unterrichtsversorgung, die nur ein grober Gratmesser sind, unterrichte ich das Parlament regelmäßig, insbesondere im Ausschuss. Bekannt ist, dass die Schulformen Sekundarschule und Gemeinschaftsschule besonders betroffen sind. Aber auch kleine Grundschulen stehen bei kurzfristigen Ausfällen vor besonderen Herausforderungen.

Erstens. Die Schülerzahlen in Sachsen-Anhalt wachsen. Neben mehr regulären   Herr Lippmann hat die Zahlen bereits genannt   Einschulungen haben wir auch hohe Zugänge aus der Ukraine zu verzeichnen. Derzeit sind 5 435 ukrainische Schülerinnen und Schüler in unserem Schulsystem. Das können die wenigsten Schulen ohne Probleme einfach kompensieren.

Zweitens. Auf der Personalseite haben wir weiterhin hohe Altersabgänge der geburtenstarken Lehrerjahrgänge. Hinzu kommt, dass wir schwangere Lehrkräfte, mit Corona Erkrankte und Langzeiterkrankte nicht vor die Klasse stellen können. Grundsätzlich sind auch kurzfristige Ausfälle aufgrund von Erkrankungen eine stetige Belastung für unsere Schulen.

Auf der Einstellungsseite haben wir eine hohe Zahl von Zugängen von weiterhin weit mehr als 1 000 pro Jahr zu verzeichnen, die jedoch die Altersabgänge gerade so kompensieren können. Außerdem stellte das Landesschulamt bis dato 187 ukrainische Lehrkräfte und 58 DaZ-Lehrkräfte ein.

Neben einer wachsenden Zahl von Seiteneinsteigenden können wir durch höhere VZÄ-Zielzahlen in diesem Haushaltsjahr auch mehr pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Schulverwaltungsassistenten einstellen. Aber das Angebot an ausgebildeten Lehrkräften und immer stärker auch das Angebot an Seiteneinsteigenden in unserer Region, insbesondere in Mangelfächern, wird geringer.

Liebe Anwesende! Die Landesregierung stimmt mit der Zielstellung der beiden Anträge überein. Der Lehrermangel ist aktuell die größte Herausforderung der Bildungspolitik. Alle zur Verfügung stehenden Mittel müssen genutzt werden, um den Beruf als Lehrkraft attraktiv zu gestalten.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Einige der hier beschriebenen Maßnahmen sind schon längst abgearbeitet worden. Andere hält die Landesregierung nicht für zielführend. Wiederum andere Maßnahmen, vor allen Dingen die, die wir bisher installiert haben und die die Oppositionsfraktionen nicht aufgeführt haben, halten wir schlicht für zielführender.

Werte Abgeordnete! Wir werden zum Schulhalbjahr ein freiwilliges Arbeitszeitkonto einführen, damit Lehrkräfte Überstunden langfristig ansparen oder sich auszahlen lassen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Angela Gorr, CDU)

Wir stellen nunmehr Unterstützungspersonal für Betreuungs- und Verwaltungsaufgaben ein, damit Lehrkräfte sich stärker ihren originären Aufgaben widmen können. In der Tat, hier würde ein weiterer Zuwachs oder Aufwuchs bei PM und Schulverwaltungsassistenten helfen.

Wir haben die Ansprache von Ruheständlern und Studierenden intensiviert. Wir haben die Verfahren für die Einstellung befristeter Vertretungslehrkräfte sehr vereinfacht. Wir zahlen Zulagen für schwer besetzbare Stellen und auch als Anreiz bei Abordnungen an unterversorgte Schulen. Wir erhöhen die Budgets der Schulen für zusätzliche Förderangebote. Wir werden Referendaren ermöglichen, nach den Prüfungen freiwillig mehr zu unterrichten und dies auch angemessen vergüten.

Liebe Abgeordnete! Neben all diesen Maßnahmen geht das Land auch sehr innovative Wege. Wir entwickeln neue Unterrichtsmodelle, damit die Schulen mehr schulorganisatorische Freiheiten erhalten. Der Praxislerntag ermöglicht mehr Praxisbezug für die Schülerinnen und Schüler vor allen Dingen in den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen und unterstützt dabei sogar die berufliche Orientierung. Wir nutzen immer stärker digitale Unterrichtsformate. Wir suchen erfolgreich im Ausland Lehrkräfte für Mangelfächer. Wir führen in Kürze ein Stipendium für Lehramtsstudierende ein, um die Attraktivität dieses tollen Berufes zu erhöhen. Diese Maßnahmen sind Teil des Vertrages unserer gemeinsamen Koalition und das ist der einzig richtige Masterplan.

Verehrte Anwesende! Auf zwei Maßnahmen der Opposition möchte ich etwas genauer eingehen, erstens auf die Dotierung der Grundschullehrkräfte nach der Besoldungsgruppe A 13. In meiner Heimat, in der Grenzregion zu Thüringen, spüren wir schon vereinzelte Abwanderungstendenzen. Ähnlich verhält es sich in Bezug auf die Ländergrenzen zu Sachsen und Brandenburg. Nun zieht auch Niedersachsen nach.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Frau Feußner, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Gallert.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Am Ende, bitte.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Am Ende.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Wir müssen gegensteuern.


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Wir sind auch schon ziemlich weit fortgeschritten in der Redezeit.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ja, ich bin auch gleich am Ende. Danke. - Gleichzeitig plädiere ich dafür, die Lehrkräfte an weiterführenden Schulen nicht zu vergessen. Ich würde auch gern einmal mehr Beförderungsstellen, insbesondere an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen, ausbringen, um diese Schulform attraktiver zu gestalten.

(Zustimmung von Elke Simon-Kuch, CDU)

Letztlich kann ich für all diese Schritte nur hier im Plenum werben.

Zweitens einige Worte zur Lehrkräfteausbildung. Auch hieran müssen wir noch stärker ansetzen. Ja, wir benötigen mehr Studienplätze für das Lehramt an der Otto-von-Guericke-Universität. Ebenso benötigen wir eine gezielte Fächerauswahl für die verschiedenen Schulformen. Zudem muss die Abbruchquote im Lehramt sinken. Wir brauchen einen systematischen Lösungsansatz in der Lehramtsausbildung, mit dem die Ansprüche der Studierenden, die Praxisanteile im Studium und die Studieninhalte zwischen Fachwissenschaft, Didaktik, Pädagogik und Psychologie neu austariert werden.

Verehrte Anwesende! Wir müssen den Lehrerberuf in Gänze betrachten. Für mich stellt es sich als eine Art Melange aus Aufstiegs- und persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, dem Ansehen in der Gesellschaft - ein ganz wichtiger Aspekt - und den individuellen Handlungsspielräumen für unsere Lehrkräfte dar.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Der bundesweite Lehrermangel bei steigenden Schülerzahlen im Spannungsfeld des auch branchenübergreifenden Fachkräftemangels ist und bleibt eine Herausforderung, der wir uns hier tatsächlich gemeinsam stellen müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke. - Es gibt eine Frage von Herrn Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Frau Ministerin, natürlich wissen wir alle, dass es jetzt im Grunde genommen eine Situation ist, in der man eigentlich fast immer alles nur falsch machen kann, und dass die Alternative darin besteht, weniger falsch zu machen und mehr falsch zu machen. So.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ja.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Insofern nehmen Sie ruhig einmal zur Kenntnis, dass wir Ihre durchaus mutigen Positionen innerhalb dieser Landesregierung sehr wohl zur Kenntnis nehmen und dass Sie dafür sicherlich nicht nur bei uns Unterstützung bekommen.

Ich habe eine ganz konkrete Frage. Manchmal sind es die kleinen Stellschrauben. Wir haben gerade im Grundschulbereich, in dem es - das wissen Sie selber - ziemlich knackt, was die Personalausstattung anbelangt, mit dem Bereich der pädagogische Mitarbeiter - ich sage es einmal so - Mitarbeiter mit einem Profil, die eigentlich andere Aufgaben zu erledigen haben. Wir wissen aber alle, so wie wir hier stehen: Ein Stück weit verhindern sie die Katastrophe, die durch die fehlenden Lehrkräfte droht.

Ich habe eine ganz konkrete Frage, die ein bisschen mit meinem Wahlkreis zu tun hat. Wir haben in Stendal die Ausbildung der Kindheitspädagogen und Kindheitswissenschaftler. Sie bemühen sich seit zwei Jahren darum - das sind ausgebildete Bachelors; zum Teil haben sie einen Masterabschluss  , in den Bereich der pädagogischen Mitarbeiter hineinzubekommen, dezidiert auch mit dem Interesse, als Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf zu kommen. Seit zwei Jahren haben sie keine Chance. Sie bekommen mit einer ganz kleinen Ausnahme, Ganztagsschulen im Grundschulbereich - Sie wissen das; es sind fünf in Sachsen-Anhalt  , keine Chance, dort hineinzukommen. Erzieher, die sozusagen an Berufsschulen ausgebildet worden sind, können sich ohne Probleme bewerben. - Aber sie haben keine Chance.

Meine Bitte, Frau Ministerin, ist einfach, versuchen Sie, dort endlich die Blockade aufzubrechen. Wir halten sie im Land. Es sind sozusagen ideale Quereinsteiger, wenn sie erst einmal dort,


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Gallert!


Wulf Gallert (DIE LINKE):

an der Schule, als pädagogische Mitarbeiter angekommen sind. - Danke.


Eva Feußner (Ministerin für Bildung):

Ich nehme das mit und lasse es noch einmal prüfen, Herr Gallert. Ja? - Okay.