Holger Hövelmann (SPD):

Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gar nicht so einfach, jetzt wieder zu der Aktuellen Debatte zurückzukommen. Ich will noch eine persönliche Ergänzung zu dem machen, was hier gerade passiert ist. Ich bin Frau von Angern sehr dankbar dafür, dass sie das so klar und deutlich für uns alle gesagt hat. Ich finde, das ist ein düsterer Moment in der Geschichte unseres Landesparlaments.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wir sollten alle dafür sorgen, dass es ein einzelner Moment bleibt und dass wir uns wieder so verhalten, wie es eines Parlaments würdig ist, Herr Kirchner.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Meldungen über Missstände in einzelnen Sendeanstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben uns in den letzten Tagen und Wochen erschüttert, egal, ob es um den Vorwurf der Vorteilsnahme beim RBB geht, ob es beim NDR in Kiel den Verdacht einer politischen Beeinflussung der Berichterstattung gibt oder ob zweifelhafte Beraterverträge beim Mitteldeutschen Rundfunk auftauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solche Vorfälle untergraben das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Annahme, dass mit ihren Rundfunkbeiträgen vernünftig umgegangen wird. Die Anstalten sind in der Pflicht, die Vorwürfe transparent aufzuklären. Ich will einmal sagen: Ich sehe es als ausgesprochen positiv an, dass die Journalistinnen und Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks das Thema nicht unter den Teppich kehren, sondern ihre Hausleitung selbst kritisch unter die Lupe nehmen. Das zeigt, dass die Mitarbeiter der Anstalten jenes hohe Maß an Berufsethos an den Tag legen, das man in mancher Chefetage in jüngster Zeit vermisst hat.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Berechtigterweise ist im Zuge der jetzt ans Licht tretenden Affären in den Sendeanstalten auch die Frage nach einer Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wiederaufgekommen. Ich bin froh darüber und der CDU-Fraktion sehr dankbar dafür, dass sie dieses Thema heute aufgerufen hat.

Aber die Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden in Rundfunkstaatsverträgen festgelegt. Bei der Debatte um eine Änderung der Strukturen erleben wir vielleicht gerade eine Wiederholung der Ereignisse von 2020. Damals ging es in der Debatte um den Rundfunkbeitrag. Der Minister unserer Landesregierung Herr Robra handelt mit den anderen Ländern einen Staatsvertrag aus. Unser Ministerpräsident paraphiert ihn. Das Kabinett stimmt ihm zu. Der Landtag wird schließlich über die Inhalte des Staatsvertrages informiert. Und die größte diese Regierung tragende Fraktion sagt: Das ist eigentlich nicht das, was wir wollen. - So bitte nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Lassen Sie uns die Diskussion, die berechtigterweise geführt wird, einmal umdrehen. Was sind die Dinge, die wir unserer Landesregierung als Verhandlungsvollmacht mit auf den Weg geben? Wo sagen wir: Das sind die Leitplanken, die ausgehandelt werden sollen; kommt dann einmal mit entsprechenden Ergebnissen aus den Verhandlungen mit den anderen 15 Ländern wieder zurück?

Natürlich kann man, wie der Fraktionsvorsitzende der CDU, der Kollege Heuer, und wie der Kollege Kurze   er hat es heute wiederholt   darüber diskutieren, ob kleine Anstalten wie Radio Bremen oder der Saarländische Rundfunk perspektivisch mit anderen zusammengelegt werden müssen oder sollen. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir das aber bei der Stelle anbringen, wo es entschieden wird. Die Länder selbst entscheiden über ihre Anstaltsstrukturen. Ob es einen Saarländischen Rundfunk gibt oder nicht, entscheiden nicht wir im Landtag von Sachsen-Anhalt. Das entscheidet der saarländische Landtag.

(Zurufe von Guido Heuer, CDU, und von Guido Kosmehl, FDP)

Lassen Sie uns den Kolleginnen und Kollegen im Saarland und in der Freien Hansestadt Bremen sagen, was wir von Ihnen erwarten und dass in diese Angelegenheit Bewegung kommen muss. Das ist der richtige Adressat - nicht unser hiesiger Landtag.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das können wir durchaus gemeinsam machen. Ich will Sie herzlich dazu einladen, das gemeinsam zu machen; denn eine solche Situation, wie wir sie vor zwei Jahren erlebt haben, will ich unserem Parlament nicht wieder zumuten, übrigens auch nicht unserem Ministerpräsidenten und der gesamten Landesregierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD war schon Gegenstand manches Wortbeitrages. Ich will noch eines hinzufügen: Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD-Fraktion, haben wieder einmal eine ganz unrühmliche Rolle bei dem Thema eingenommen. Das konnten wir an diesem Montag in Bitterfeld gut beobachten. Dort hat der Bundestagsabgeordnete René Springer auf einer Demonstration mit dem Kollegen Roi verlauten lassen, er wolle dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk   ich zitiere wörtlich   „das Rückgrat brechen“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfD, dass es Ihnen nicht einfach darum geht, die Bürger von Rundfunkbeiträgen zu entlasten, das haben wir schon geahnt. Dass Sie Ihre Verachtung aber so deutlich in die Welt hinausposaunen, das spricht dann doch Bände. Ihnen geht es nicht um Reformen oder Veränderungen. Sie wollen einfach nur Ihnen nicht genehmen Journalismus verbieten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN und von Andreas Silbersack, FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um die Debatte wieder zu entzerren, müssen wir zur Ausgangslage zurückkehren. Wie soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk zukünftig ausgestaltet sein? Es geht bei der ganzen Debatte eigentlich nicht um die Größe von Dienstwagen oder um die Ausstattung von Intendantenbüros. Es geht um das Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger, die Zuschauerinnen und die Zuschauer dem Rundfunk entgegenbringen.

Der Rundfunkbeitrag muss erkennbar für die Erfüllung des Programmauftrages genutzt werden. Dafür braucht es klare Regelungen zur Aufgabenverteilung der einzelnen Anstalten untereinander, zur Transparenz der Ausgaben und zur Compliance von Führungsetagen und Angestellten. Nicht alles davon können die Anstalten selbst regeln. Minister Herr Robra hat deutlich gemacht, worin deren Verantwortung liegt. Dafür braucht es auch uns als Politik. Der jetzige Änderungsstaatsvertrag stellt aus unserer Sicht bereits gute Weichen dafür.

Wenn die Mehrheit dieses Hauses anderer Auffassung ist, dann wäre eine Ablehnung dieses Staatsvertrages jedenfalls aus unserer Sicht der falsche Weg; denn dann blieben die Strukturen der Anstalten so, wie sie jetzt sind, was wir eigentlich alle nicht wollen.

Wir begrüßen es daher, wenn die Landesregierung zur Schärfung der Strukturänderungen Nachverhandlungen mit anderen Bundesländern anstrebt oder diese Debatte zum Anstoß nimmt, bei neuen Verhandlungen entsprechend tätig zu werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der Vertrauens- und Legitimationskrise, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade erlebt, sind Veränderungen sicherlich geboten. Es muss uns aber klar sein, dass vor allem wir als Landespolitik diese Veränderungen anstoßen wollen und auch müssen. Wir sind diejenigen, natürlich zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Landesparlamente, die diese Reform tatsächlich anstoßen können, weil wir die Anstalten mit ihren Aufträgen überhaupt erst beauftragen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht einen wahrlichen Akzeptanzschub in der Bevölkerung. Unsere Aufgabe - daran will ich uns gern erinnern - ist es nicht draufzuhauen, sondern unsere Verantwortung ernst zu nehmen und konkrete Änderungen an Auftrag und Struktur zu erwirken. Dazu will ich herzlich einladen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Zuerst gibt es eine Frage von Herrn Heuer. Wollen Sie sie beantworten?


Holger Hövelmann (SPD):

Gerne doch.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Dann, Herr Heuer, können Sie sie stellen.


Guido Heuer (CDU):

Sehr geehrter Herr Kollege Hövelmann, Sie sagen, das Saarland entscheidet über den eigenen Rundfunk. - So weit bin ich dabei. Es entscheidet dann aber auch, wie wir in Sachsen-Anhalt, in Mitteldeutschland, in dem wir uns mit drei Bundesländern eine Sendeanstalt teilen, über Querfinanzierung. Das gehört dann mit dazu.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU, und von Lars-Jörn Zimmer, CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Holger Hövelmann (SPD):

Wenn ich darf. - Sachlich ist das völlig korrekt. Ich will nur daran erinnern, dass auch wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Sächsischen Landtag und im thüringischen Landtag über die Strukturen unserer Rundfunkanstalt entschieden haben. Wir haben den MDR-Staatsvertrag gemacht, nicht die im Saarland, nicht die in Bremen, nicht die in Düsseldorf, nicht die in München.

Deshalb ist mein Appell ja, wenn wir wollen, dass sich an anderer Stelle etwas ändert, dann müssen wir auf unsere Kolleginnen und Kollegen in den anderen Landesparlamenten zugehen und sagen, wir erwarten von euch, weil diese Quersubventionierung auf Dauer nicht tragbar ist, dass sich bei euch etwas verändert. Das ist dann unsere Aufgabe. Wir können die Lebenswirklichkeit aber nicht außer Kraft setzen und sagen, wir beschließen jetzt einmal, welche Struktur es in den anderen Sendeanstalten geben darf. Das ist nicht unserer Zuständigkeit. Wir würden es uns im Übrigen von den anderen Ländern auch nicht bieten lassen, unsere eigenen Kompetenzen zu beschneiden.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt gibt es eine Intervention, wenn ich es richtig sehe, von Herrn Scharfenort. - Herr Scharfenort, bitte.


Jan Scharfenort (AfD):

Jawohl.-  Ich möchte ein bisschen zur Versachlichung der Debatte beitragen, weil hier immer Angriffe gegen die AfD kommen,

(Dr. Falko Grube, SPD: Oh!)

und möchte ein konkretes Beispiel herausgreifen. Jeder kann es nachlesen bei Statista. Für das Jahr 2021 gibt es eine schöne Statistik der Talkshows von ARD und ZDF, namentlich genannt, wie viele Auftritte. Dort taucht die AfD nicht ein einziges Mal auf. Wir sind nicht ein einziges Mal im letzten Jahr zu den Talkshows von ARD und ZDF eingeladen worden.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Und wenn ja, dann gehen Sie gleich wieder!)

Auch für die Zuschauer: Es kann jeder zu Hause nachprüfen - das ist einfach ein Fakt - bei Statista, ganz trockene, nüchterne Zahlen. - Danke.

(Zustimmung bei der AfD - Olaf Meister, GRÜNE: Weil das Jahr davor schrecklich war!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können darauf reagieren, wenn Sie wollen.


Holger Hövelmann (SPD):

Wir haben ja bald Weihnachten. Jeder kann sich etwas wünschen, wie es in Zukunft irgendwie in Deutschland weitergeht.

Zu Ihrer Vorhaltung, wir würden Ihnen irgendetwas Unredliches vorhalten: Ich habe zitiert, was ein Mitglied des Deutschen Bundestages Ihrer Partei in der Öffentlichkeit erklärt hat, wortwörtlich.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Er will dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Rückgrat brechen.

(Daniel Roi, AfD: Ja! Finanziell! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Das Rückgrat ist das finanzielle Rückgrat!)

Wo ist denn da Diffamierung bei mir?

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist die wahrheitsgetreue Wiedergabe Ihrer antidemokratischen Haltung in diesem Haus.

(Daniel Roi, AfD: Finanziell! Finanziell das Rückgrat brechen! Das ist auch unser Ziel! Ganz genau!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

So.

(Daniel Roi, AfD: Finanziell das Rückgrat brechen! Genau richtig!)

- Ja. Entschuldigung. Wir sind jetzt in einem anderen Modus.

(Daniel Roi, AfD: Sie mästen die Leute immer mehr und verschwenden das Geld der Steuerzahler, Gebührenzahler!)

- Herr Roi, ist gut. Ansonsten müssen wir es hier abbrechen. - Ich wollte Herrn Tillschneider jetzt eigentlich die Möglichkeit für seine Intervention geben.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Herr Tillschneider, Sie können jetzt bitte, falls Herr Roi sich beruhigt.

(Daniel Roi, AfD: Ja, ist gut!)

Jetzt, bitte.


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja, das Rückgrat brechen. Das heißt nicht, dass wir gegen die Pressefreiheit wären.

(Dr. Falko Grube, SPD: Nein! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein!)

Ich muss bei Ihnen etwas geraderücken; denn die Pressefreiheit ist wie alle Grundfreiheiten erst einmal ein Abwehrrecht gegen den Staat. Sie ist die Freiheit, unabhängig von staatlichem Einfluss Verlage zu gründen, Fernsehanstalten zu gründen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Staatsfunk ist in Bezug auf die Pressefreiheit schon sehr problematisch, weil der Staat seine privilegierte Position und seine Fähigkeit, Monopole zu bilden, nutzt und einen Staatsfunk aufmacht,

(Olaf Meister, GRÜNE: Es ist eine Anstalt!)

der in den Meinungen, die er verbreitet, letztlich ein Regierungsfunk und ein Regierungsschutzfunk ist.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es nicht so ist!)

Wenn wir also sagen, nicht allen Fernsehanstalten und nicht allen Zeitungen, sondern diesem öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss das Rückgrat gebrochen werden, dann wollen wir das tun, um wieder Pressefreiheit in diesem Land zu ermöglichen;

(Jan Scharfenort, AfD: Genau!)

denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat gezeigt, dass er mit der Pressefreiheit nicht verantwortungsvoll umgehen kann,

(Jan Scharfenort, AfD: Richtig!)

dass er sie missbraucht, um ein Meinungsmonopol zu errichten.

Jawohl, dieses Monopol muss gebrochen werden.

(Zustimmung bei der AfD - Jan Scharfenort, AfD: Jawohl! - Daniel Roi, AfD: So wie in Frankreich! - Jan Scharfenort, AfD: Wie in Großbritannien und Frankreich auch!)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie dürfen darauf reagieren.


Holger Hövelmann (SPD):

Sehr geehrter Herr Tillschneider, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute so klar in aller Öffentlichkeit noch einmal Ihr Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk dargestellt haben.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der AfD: Gerne!)

Ich glaube, das kann sich jeder Bürger in diesem Lande anschauen und nachlesen.

(Jan Scharfenort, AfD: Genau!)

Sie brauchen nicht erneut zu versuchen, im Nachgang zu relativieren,

(Jan Scharfenort, AfD: Wollen wir auch gar nicht!)

was Sie heute hier wieder deutlich gesagt haben.

(Jan Scharfenort, AfD: Da gibt es nichts zu relativieren!)

Wenn Sie schon nicht die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anerkennen

(Lachen bei der AfD)

- wenn Sie schon nicht die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anerkennen  , dann erkennen Sie doch wenigstens an, dass das Bundesverfassungsgericht

(Zuruf von der AfD: Ach, jetzt geht das wieder los!)

die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anerkannt und sogar festgestellt hat. Vielleicht hilft Ihnen das bei Ihrer Einschätzung der Wirksamkeit der Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)