Vizepräsident Wulf Gallert:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, die Mittagspause war ausreichend und die noch fehlenden Kolleginnen und Kollegen werden in den nächsten Sekunden den Weg zu uns finden. In Anbetracht der Tatsache, dass wir schon jetzt im Verhältnis zu unserem Zeitplan wieder eine halbe Stunde hinterherhinken, wollen wir keine längere Pause machen, sondern in die Beratungen einsteigen.

Wir kommen zu dem


Tagesordnungspunkt 7

Aktuelle Debatte

Das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht verlieren! Den Versprechungen von zeitnaher Aufklärung und Transparenz müssen Taten folgen.

Antrag Fraktion CDU - Drs. 8/1591


Die Redezeit beträgt je Fraktion zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Rednerreihenfolge vereinbart: CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, FDP und AfD.

Zunächst hat die Antragstellerin das Wort und es spricht für die CDU-Fraktion Markus Kurze. - Bitte sehr, Sie haben das Wort.


Markus Kurze (CDU):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland befindet sich in einer schweren Krise, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat. Neben dieser schweren Krise, in der sich unser Land befindet, haben wir aber auch noch eine andere Krise, die sich entwickelt hat und das ist die Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, von Stefan Ruland, CDU, und von Michael Scheffler, CDU)

Wir haben dieses Thema heute nicht zum ersten Mal hier im Parlament. Wir begleiten seit Jahren konstruktiv die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir sind aber in einer Zeit angelangt, in der es uns Sorgen bereitet, was wir über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tagtäglich lesen und hören können.

Wir haben schon vor Jahren gesagt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk richtig und wichtig ist, er aber an vielerlei Stellen zu groß und zu teuer geworden ist. Jetzt offenbart sich, dass am Ende   wenn wir uns anschauen, was wir alles lesen können   der Umgang mit Geld keinesfalls so ist, wie man sich das als Beitragszahler wünscht und wie man das als Beitragszahler   der ja verpflichtet ist, diesen Beitrag zu zahlen, egal ob er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nun hört oder sieht oder eben auch nicht   erwartet. Es kann nicht sein, dass man so intransparent mit den Geldern umgeht und es am Ende in manchen Häusern nach einer Art Selbstbedienungsmentalität aussieht.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben die Aktuelle Debatte eingereicht, weil wir weiterhin auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als eine wichtige Säule im dualen Rundfunksystem setzen. Aber wir wollen auch klarmachen, dass es so, wie es jetzt ist, nicht weitergehen kann, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Akzeptanzkurve hat sich ja in den letzten Jahren nicht wie die Beitragskurve immer nach oben bewegt, sondern sie sank kontinuierlich. Wenn wir einmal schauen, wie es jetzt aussieht, dann kann man in den verschiedensten Umfragen wahrnehmen   die Umfragen haben nicht wir gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern andere renommierte Häuser  , dass es mittlerweile eine große Mehrheit in Deutschland gibt, die den verpflichtenden Beitrag ablehnt. Es gibt sogar eine Mehrheit, die sagt, wir könnten am Ende gänzlich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verzichten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Das ist ein Vertrauensverlust, den es seit der Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Krieg nicht gegeben hat. Wenn jetzt nicht die Intendanten, die Häuser selbst und die Politik reagieren, dann schwindet die Akzeptanz und die Kurve geht gegen Null. So hat sich zumindest auch unser Staatsminister in der „Mitteldeutschen Zeitung“ am 7. September 2022 ausgedrückt: Wenn wir jetzt nichts machen, dann droht ein komplettes Versagen. Wenn es uns nicht gelingt, die ARD mit ihren Rundfunkhäusern zu reformieren, dann geht die Akzeptanz gegen Null. - So ist es. Deshalb sagen wir, wir wollen gern mithelfen bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Wir kennen ja die Debatten noch, bei denen es um den Beitrag ging. Wir sind jetzt am Ende der Auftrags- und Strukturreform. Aber wenn wir uns einmal anschauen, was am Ende der Auftrags- und Strukturreform von den hehren Zielen, die ins Feld geführt wurden, übriggeblieben ist, dann ist das nicht wirklich viel. Am Ende ist es kein großer Wurf. Trotzdem möchten wir dafür werben, den Dritten Medienstaatsvertrag zu verabschieden. Aber vielleicht gibt es bei der Befassung in den Parlamenten auch die Option, dass man ihn an der einen oder anderen Stelle etwas nachbessert.

(Tobias Rausch, AfD: Aha!)

Wir hören jeden Tag neue Vorschläge. Es ist fast ein Wettbewerb entstanden, was man alles reformieren könnte, aber wir wollen unseren konstruktiv-seriösen Weg weiter beschreiten. Wir haben immer gesagt, die Struktur ist zu groß, und wenn der Tanker zu schwer ist, dann muss er Ballast abwerfen. Wenn wir kleine Rundfunkanstalten haben, die dieselben Strukturen haben wie die großen   also die Leitungsstrukturen, um die es geht, die teuer bezahlt sind und die am Ende Sendeminuten produzieren lassen, die man gar nicht an einem Tag abhören oder ansehen kann  , dann muss da etwas passieren.

Aus unserer Sicht müssen dabei auch die Länder mitmachen. Na klar tun sich die Länder, in denen kleine Anstalten sind, schwer, aber es gab ja schon Fusionen. Wenn wir im mitteldeutschen Raum eine Anstalt haben, die für drei Länder da ist, warum sollte das im Süden und Norden unserer Bundesrepublik nicht auch gelingen, ohne dass man die Regionalität verliert?

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen es den Bremern und Saarländern nicht vorschreiben, aber die Politik und die Intendanten sind gefragt. Wie gesagt, wenn die ARD eine Zukunft haben möchte, dann muss jetzt hier etwas passieren. Das erwartet der Beitragszahler von uns. und deshalb wollen wir versuchen, heute mit der Debatte auch wieder ein wenig dabei mitzuhelfen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfit zu gestalten.

Es geht aber am Ende nicht nur um die Struktur und um den Umgang mit dem Geld. Angefangen mit dem RBB, dem NDR, dem MDR, dem Bayrischen Rundfunk - überall tauchen jetzt die verschiedensten Dinge auf, bei denen einem die Haare zu Berge stehen. Ich meine, Fehler kann jeder machen   zeige mir den, der keine Fehler macht  , aber hierbei geht es ja nicht um strukturelle oder um menschliche Fehler, hierbei geht es ja an vielen Stellen um Gier und am Ende auch um Macht.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein Unternehmen, das sein Geld selbst erwirtschaftet und das selbst entscheiden kann, wie es seine Führungsstrukturen bezahlt. Nein, er bekommt das Geld von uns Beitragszahlern. Deshalb, glaube ich, ist es an der Zeit, dass man bei den Intendanten und den Direktoren einmal genauer hinschaut und diese sich dann auch an Gehaltsstrukturen orientieren, die in Deutschland üblich sind.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich will nicht alle Zahlen vorlesen; wir kennen die Gehaltsstrukturen. Aber wozu braucht z. B. eine Technische Direktorin in Bayern zwei Fahrer? Ich meine, Bayern ist das größte Bundesland, aber trotzdem kenne ich keinen, der unbedingt zwei Fahrer benötigt - aber das geht natürlich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So könnte man die verschiedensten Dinge vortragen, die aber auch in Zeitungen nachzulesen sowie in Funk und Fernsehen zu hören bzw. zu sehen waren. Da muss etwas passieren.

Die Kontrollmöglichkeiten der Gremien werden ja gestärkt mit dem neuen Staatsvertrag, aber ob das ausreicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, das weiß ich nicht. Da müssen wir genau hinsehen. Vielleicht gelingt es uns bei der Befassung der Parlamente mit dem Medienstaatsvertrag, an der einen oder anderen Stelle noch einmal etwas nachzubessern.

Wir wissen, dass sich Ende September die Mitglieder der Rundfunkkommission und die Minister noch einmal treffen und darüber beraten wollen. Es gibt ja, wie gesagt, momentan viele Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, dazu, wie man am Ende das ganze System vielleicht noch retten kann; denn die Akzeptanz - ich will es noch einmal sagen - erhöht sich eben nicht, sondern sie geht in Richtung null.

Wenn es um die Strukturen geht und wenn es um die Frage geht, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgebaut ist, geht es am Ende bei Auftrag und Struktur auch um das Programm. Wenn wir uns das Programm anschauen, dann wird deutlich, dass das Programm sicherlich auch ein Stück weit ein Indikator für die geringe Akzeptanz, die wir mittlerweile für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, ist.

Da gibt es halt viele Dinge, die einem manchmal gefallen oder auch nicht, die aber schon vom Grundauftrag gedeckt sein müssen. Es ist an vielerlei Stellen eben auch fraglich, ob die Neutralität immer beachtet wird. Die Masse Deutschlands lehnt zum Beispiel das Gendern ab. Aber es wird in den einzelnen Anstalten frei weiter gegendert.

(Zustimmung)

Manchmal geht es um Wahrheiten, die einfach nicht akzeptiert werden und die einfach weggelassen werden. Man könnte mehrere Beispiele aufzählen, bei denen es die „Tagesschau“ am Ende nicht für relevant hielt, es als deutschlandweites Thema zu bringen, sondern meinte, es muss regional abgestuft sein. Das geht nicht. Es geht manchmal auch um Arbeitsverweigerung. Da sind die Privaten an vorderster Front, und die anderen sagen, wir dürfen da nicht rein, obwohl sie eine ganz andere finanzielle Struktur als die Privaten haben.

Dann geht es um die Printmedien. Es ist ganz klar geregelt, dass Telemedienangebote nicht presseähnlich sein dürfen. Wenn wir aber mal hineinschauen, was uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk alles anbietet, dann stellen wir fest, dass das eine Menge ist. Da wissen wir, dass das für die Mitbewerber, also für die Printmedien, eben relativ schwierig wird. Da wird der Wettbewerb verzerrt. Auch das darf es zukünftig in dem Maß nicht mehr geben. Auch da müssen die Kontrollinstanzen besser und näher hinschauen.

Die Unterhaltung ist immer ein Stichwort, bei dem man sagt, muss es so viel Unterhaltung sein? Oder können das nicht vielleicht auch Private? Ich weiß, dass der „Tatort“ sehr beliebt ist. Aber man muss sich überlegen, was ein „Tatort“ kostet. Auch über diese Zahlen haben wir schon gesprochen. Aber ich habe mal ein neues Zahlenbeispiel mitgebracht. Die Produktion einer Minute „Tatort“ - wir reden jetzt nicht über den „Polizeiruf“, sondern über den „Tatort“ - kostet 20 000 €.

(Guido Kosmehl, FDP: Bei welchem Sender?)

- 20 000 €. Wenn wir uns dann mal die Intendantengehälter anschauen, dann haben wir im Grunde genommen schon nach 20 Minuten das Gehalt von Intendant Buhrow für den „Tatort“ verballert, im wahrsten Sinne des Wortes. Für unsere Frau Wille würde es nur 15 Minuten dauern. Ihr Gehalt ist dann weg.

Ob man sich das so in der Größenordnung leisten muss oder kann, weiß ich nicht. Darüber muss gesprochen werden. Das will man natürlich den Gremien überlassen, die das dürfen. Aber es muss möglich sein, dass wir hier im Parlament in der Debatte über Auftrag und Struktur auch über die Programminhalte reden, weil das auch hierhin gehört.

(Zustimmung bei der CDU)

Und wenn der Bürger sagt, uns fallen viele Inhalt schwer     Dazu könnte ich noch aus dem Jugendangebot „Funk“ zitieren. Aber es wäre zu schwerer Tobak, wenn man die Dinge hier vorlesen würde. Das, was dort gebracht wird, ist zum Teil jugendgefährdet. Also, der Inhalt ist an der einen oder anderen Stelle sehr schwierig geworden. Manche reden auch von einem Linksdrall beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich glaube, wir müssen etwas tun. Wenn er unabhängig berichten soll, dann muss es auch am Ende unabhängiges Personal sein.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Kurze, das ist sozusagen ein weiteres Thema, was Sie leider nicht mehr verfolgen können, weil Ihre Redezeit seit 23 Sekunden abgelaufen ist.

(Zurufe: Oh!)


Markus Kurze (CDU):

Ja. Kann ich den Satz noch zu Ende bringen?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wir kriegen es noch hin, dass Sie den Satz zu Ende bringen, wenn er nicht zu viele Kommata enthält.


Markus Kurze (CDU):

Nein, er hat keine Kommas. - Dann muss man darüber reden können. Das ist auch wichtig, weil wir die Akzeptanz und das Vertrauen nur dann wiederkriegen,

(Zuruf: Da war ein Komma!)

wenn wir bei Struktur und Inhalten etwas tun. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Nun haben Sie aber noch die Chance, Ihre Redezeit zu verlängern, wenn Sie eine Frage beantworten, und zwar eine Frage von Frau Frederking. Wollen Sie das? - Er will das.


Markus Kurze (CDU):

Ja, bitte schön.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Frederking hat die Chance, sie zu stellen.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Der Dritte Medienänderungsstaatsvertrag ist von den Ministerpräsidentinnen bereits unterzeichnet worden. Sie haben gerade ausgeführt, dass die sich Ende September noch einmal zusammensetzen und darüber beraten wollen, ob der noch einmal aufgemacht wird. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Zustandekommen eines solchen Staatsvertrages immer sehr lange dauert. 16 Bundesländer müssen sich dabei abstimmen.

Meine Frage ist, ob es nicht sinnvoller sein könnte, diesen Staatsvertrag jetzt zu ratifizieren - er enthält auch schon Reformschritte  , um dann in einem weiteren Schritt - und das tatsächlich ganz schnell und bundesweit organisiert - einen weiteren Staatsvertrag anzugehen.


Markus Kurze (CDU):

Ja, es ist die gute Frage, wie man es jetzt am besten macht. Man braucht am Ende für alles Mehrheiten. Wir kennen auch das Einstimmigkeitsgebot, das in diesem Fall auf der Tagesordnung liegt. Das macht die Sache natürlich nicht einfacher.

Die Wünsche und die Forderungen im öffentlichen Raum sind momentan riesengroß. Da gibt es wirklich etwas wie eine Art Überbietungswettbewerb. Es liegt wirklich an allen, ob es gelingt, etwas nachzubessern. Wenn man es ehrlich meint mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk - wir meinen es ehrlich  , dann muss man sagen, wir brauchen ihn, aber nicht in dieser Größe.

Wir könnten es uns auch vorstellen, ihn zu halbieren; das könnte auch ausreichen. Das ist ganz klar. Das haben wir nicht erfunden. Aber es berichten alle möglichen Medien auch schon darüber. Warum sollte man das nicht machen? Kriegt man das mit einem ARD-Staatsvertrag hin? Ich weiß es nicht.

Wir wollen nicht die dritten Programme der Länder abschaffen. Aber brauchen wir zwei Bundessender? Brauchen wir das Erste als Vollprogramm und das Zweite daneben? Da reicht doch eigentlich das Zweite. Wenn man wirklich tiefgehend reingehen würde,

(Unruhe bei der CDU - Zurufe von Dr. Katja Pähle, SPD)

könnte man auch beim Beitrag etwas machen. Dann könnte man was machen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn es uns nicht gelingt, dann ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Gefahr. Schaffen wir keine strukturellen Reformen, dann könnte das gesamte System untergehen. Ich glaube, das brauchen wir nicht. Wir schätzen die Privaten. Aber wir brauchen einen unabhängigen und neutralen Berichterstatter, der eben nicht abhängig ist, weil er sich aus einem Beitrag speist.

Daran wollen wir gemeinsam arbeiten, Frau Frederking. Wir sind da offen. Schauen wir mal, wie die Diskussion weitergeht. Wir als Parlament könnten vielleicht einen Entschließungsantrag gemeinsam verabschieden, den wir dann dem Medienstaatsvertrag mitgeben. Das wäre eine Option. Ob wir ihn aufknüpfen können? Das liegt an den Teilnehmern hier.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht)

Die sitzen ja hier unruhig schon in der ersten oder in der zweiten Reihe. Der eine schüttelt mit dem Kopf und der andere nickt. Das ist eben die Schwierigkeit bei dieser Problematik. Ich bin trotzdem frohen Mutes, dass wir weiterhin einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben werden. Es ist nur die Frage, wie groß und wie teuer er sein wird. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU)