Ulrich Thomas (CDU):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Dieses Land befindet sich in der schwersten Krise der Nachkriegsgeschichte. Ich habe manchmal bei einigen Akteuren den Eindruck, dass das alles nur aus dem Fernsehen erlebbar ist und uns persönlich das gar nicht so sehr betreffen wird. Das merkt man auch an Äußerungen und an Handlungen.

Meine Damen und Herren! Deswegen will ich trotzdem einmal beschreiben, in welcher Situation wir uns nach zwei Jahren Corona gerade befinden. Wir haben nach wie vor unterbrochene Lieferketten. Wir haben nach wie vor hohe Rohstoffkosten. Wir haben einen Fachkräftemangel, der uns auch weiter begleiten wird. Und wir haben rückläufige Konsumausgaben.

Meine Damen und Herren! Dazu kommt der Ukrainekonflikt mit den damit verbundenen Sanktionen, die dazu geführt haben, dass bei uns die Energiepreise, insbesondere für Gas, Öl und Strom, explodieren. Das kommt jetzt bei den Menschen an und wir haben die ersten Reaktionen. Da gibt es die junge Familie, die sich in den letzten zwei Jahren ein Eigenheim gebaut hat und die jetzt die ersten Energierechnungen bekommt. Die sagen: Wir müssen das Haus abbezahlen, wir können es nicht mehr, wir müssen wieder ausziehen. Dann klingen solche Ratschläge von den GRÜNEN wie „Dreht das Thermostat etwas runter.“ wie blanker Hohn in den Ohren dieser jungen Menschen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es gibt auch die Rentner, die in Neubaublöcken wohnen, die mit Fernwärme versorgt werden, die oft keine Alternative haben zu ihrer Fernwärme, bei denen die Rente nicht ausreicht und die auf einmal Abschläge von 200 € pro Monat bezahlen müssen, statt 50 €. Dann klingen grüne Ratschläge wie „Nimm doch den Waschlappen und spar das Duschen ein.“ wie blanker Hohn in den Ohren dieser Menschen. Das kann man doch nicht schönreden.

(Zustimmung bei der CDU)

Damit bin ich bei den Leistungsträgern dieser Gesellschaft, also auch bei den Pendlern, den Fachkräften, die jeden Tag weite Wege gehen. Denen kann ich doch nicht sagen, nimm das Fahrrad, wenn die mit dem Auto jeden Tag viele Kilometer fahren müssen. Das klingt doch wie blanker Hohn. Wenn dann noch ein Tempolimit hier in die Argumentation eingebracht wird, dann hören bei mir der Glaube und das Verständnis auf. Aber das passt ja in die Qualität der grünen Politik, gerade aus Berlin, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde.

Meine Damen und Herren! Was im privaten Bereich passiert, das passiert natürlich auch in der Wirtschaft. Freie Berufe, Mittelständler und auch das Handwerk sind von der Explosion der Energiepreise stark betroffen. Es sind eben Bäckermeister, die jetzt aufgeben müssen, weil sie die Energiepreise auf ihre Produkte nicht umlegen können. Das bezahlt ihnen keiner mehr. Es sind Inhaber von Friseursalons, die sagen: Mit Angestellten lohnt sich das nicht mehr für mich. Ich mache zu, weil ich eher zuzahlen muss, als dass ich etwas bekomme.

Diese Liste könnte man noch fortsetzen mit und und und und und. Und wir stellen uns hier mit einer gewissen Moral hin und sagen, das müssen wir eben aushalten. Meine Damen und Herren! Das müssen wir den Leuten erklären und wir müssen den Leuten auch eine Perspektive eröffnen, wie wir von dieser Notsituation wieder wegkommen. Dazu habe ich bisher wenig gehört.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Zu den größeren Sorgenkindern, den größeren Unternehmen, bspw. SKW Piesteritz. Sie kennen das Unternehmen. AdBlue ist wichtig für die Lkw-Motoren, damit die Lkw überhaupt fahren können. Die sagen eben nicht, dass sie aufhören, aber die sagen, dass sie die Produktion unterbrechen werden. Dann schauen wir einmal, wie sich das weiter auswirken wird in den nachfolgenden Industriebranchen.

Meine Damen und Herren! Wenn man das alles einmal komplex sieht, dann stellt sich für mich wirklich die Frage, wie das weitergehen soll. Es stellen sich natürlich auch die Fragen zur Sinnhaftigkeit von Sanktionen, wenn das diese Auswirkungen hat. Man kann das international machen, aber man muss auch schauen, wen diese Auswirkungen am stärksten treffen. Wir gehören nun einmal dazu. Dagegen müssen wir uns wehren. Dafür müssen wir Lösungen finden, damit wir hier entlastet werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Ich will an drei Punkten festmachen, was dabei wichtig für uns ist. Das ist die Versorgungssicherheit. Die steht bei uns an erster Stelle. Es kann nicht sein, dass Spitzenpolitiker aus Berlin regelrecht mit Engpässen, mit Ausfällen drohen. Das kennen wir selbst aus den finstersten DDR-Zeiten nicht. Damals wurde uns erklärt: Dann geht Armee ins Braunkohlegebiet und kloppt die Kohle ab. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich das noch einmal höre.

Das ist die Preisstabilität. Mir müssen doch irgendwie auch einmal dazu kommen, die Preise stabil zu halten und auch die Rolle rückwärts zu machen und nicht immer diesen steigenden Energiepreis zu erklären, anstatt etwas dagegen zu tun, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Sandra Hietel-Heuer, CDU, und von Markus Kurze, CDU)

Wir haben auch immer die größere Unabhängigkeit von Energieimporten gefordert. Auch darin, meine Damen und Herren, sind wir kein Ruhmesblatt, zumindest nicht bei dem, was die Ampel dort veranstaltet. Ich bin ganz bei unserem Umweltminister, dass der grüne Wirtschaftsminister durchaus den Eindruck hinterlässt, dass er die Lage nicht im Griff hat.

Fangen wir an mit der Versorgungssicherheit, meine Damen und Herren. Wenn wir kein Gas haben, dann müssen wir Gaskraftwerke für die Stromerzeugung ersetzen. Dafür gibt es Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke. Es ist doch ein Skandal, dass erst zwei Kohlekraftwerke aus der Reserve wieder zurückgeholt worden sind, obwohl wir sehenden Auges wissen, dass wir zu wenig Gas für die Heizung in diesem Land haben, meine Damen und Herren. Man kann nur auffordern, mehr Kraftwerke aus eigenen Ressourcen an das Netz zu bringen, damit hier die Versorgungssicherheit gegeben ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das steht auch vor dem Hintergrund, dass wir zukünftig mehr Strom brauchen werden. Dann kann ich kann nicht vom Energiesparen sprechen. Ich kann nicht sagen: Kauft euch ein Elektroauto und spart gleichzeitig den Strom, also lasst es besser stehen. Diese Logik ist mir noch nicht erklärt worden.

Nun, meine Damen und Herren, zur Preisstabilität. Die Maßnahmen aus Berlin haben keine dauerhafte Wirkung gezeigt. Fahren Sie an einer Tankstelle vorbei. Die Preise sind wieder dort angelangt, wo sie schon einmal waren, und die Leute sehen nicht, wie etwas gelindert wird. Man kann natürlich immer von Entlastungspaketen erzählen, erzählen und erzählen, aber es kommt beim Bürger nichts an. Wenn etwas ankommt, dann ist es ein Tropfen auf den heißen Stein und ändert die Ursache nicht, meine Damen und Herren. So viele Medikamente können wir bald gar nicht mehr verteilen, wie diese Krankheit bei uns verursacht.

Drittens, meine Damen und Herren, die Unabhängigkeit bei Energieimporten. Ich staune immer, dass wir bei der Energieversorgung international sind. Wenn der Atomstrom so schlimm ist, dann doch aber nur bei uns. Jetzt wird das AKW Emsland abgeschaltet wegen des Wahlkampfes dort, das darf ja nicht am Netz bleiben, in Bayern schon. Wenn der Atomstrom aber aus Tschechien kommt oder aus Frankreich, dann nehmen wir ihn gerne, das ist sauberer Strom und der ist bei uns wohlgelitten, wenn wir ihn auch bezahlen. Diese Logik, meine Damen und Herren, versteht hier keiner.

(Zustimmung bei der CDU, bei der AfD und bei der FDP)

Man muss in dieser Krisensituation doch überlegen, ich will es nur einmal sagen, eigene Ressourcen voranzubringen, weil sonst eines passieren wird   das sage ich mit voller Überzeugung  : Dann wird aus dieser Krise eine Katastrophe und dann werden alle die Schuld haben, die gerade in Berlin - man muss es mittlerweile so sagen - versuchen, dieses Land zu regieren. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Thomas. Der Abg. Herr Gallert hat eine Frage. Wollen Sie diese beantworten?


Ulrich Thomas (CDU):

Sehr gerne.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert, bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Herr Thomas, mich irritierte die Äußerung, dass wir Atomstrom von Frankreich importieren. Können Sie mir bitte einmal die Energieexport-/-importbilanz zwischen Deutschland und Frankreich in diesem Jahr in Terawattstunden erklären.

(Markus Kurze, CDU: Dem Problem gegenüber ist das wirklich    )

Können Sie mir sagen, warum ausgerechnet Frankreich gerade das Land mit den höchsten Energiepreisen ist, die in dieser Situation eskalieren und die ohne deutsche Stromexporte völlig implodieren würden.

(Tobias Rausch, AfD: Wir verschenken doch den Strom, der überflüssig ist von den Windrädern! - Zurufe)


Ulrich Thomas (CDU):

Herr Gallert, ich werde Ihnen die Frage heute deswegen     

(Zurufe - Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Jetzt hat Herr Thomas das Wort, der steht am Rednerpult. - Bitte, Herr Thomas.


Ulrich Thomas (CDU):

Ich werde Ihnen diese Frage heute deswegen nicht beantworten, weil das in diesem Land eine besondere Situation ist. Auf der einen Seite gibt es diese Wasserknappheit in Frankreich, aber auch bei uns diese    

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Die gab es vor zwei Jahren auch schon!)

- Herr Lange, wenn Sie einmal zuhören würden, ich will meinen Satz noch zu Ende bringen. Das wird auch Sie interessieren. - Wir hatten in diesem Jahr auch 200 Sonnenstunden mehr, sodass unsere Solaranlagen mehr produzieren konnten. Wenn man aber den kommenden Winter sieht, über den reden wir ja, wenn Sie dann graue, dunkle, windstille Tage haben, dann gucken wir uns einmal an, wo die Grundlast dieses Landes produziert wird und von wo sie versorgt wird. Dann werden Sie ganz schnell erleben, wie Frankreich uns da helfen wird, denn das ist ja schon jetzt verabredet. Ich zitiere: Wir helfen jetzt den Franzosen, damit die uns im Winter auch wieder helfen können. Damit ist doch die Sache ganz klar.

Ich finde das auch nicht schlimm. Ich finde bloß die Begründung immer sehr verwunderlich: Kommt es von außen, ist es gut, wie Frackinggas, was bei uns ja - um Gottes Willen! - plötzlich doch genehm ist. Und der Atomstrom aus anderen Ländern ist auch genehm. Aber wenn das bei uns gemacht wird, ist das ganz schlimm. Diese Doppelmoral verstehen die Bürger nicht und das treibt sie auch auf die Straße, das treibt sie auch zu den Reaktionen, die wir in Briefen und dergleichen wahrnehmen müssen. Ich wünsche mir, dass die Ampelkoalition in Berlin darauf endlich so reagiert, wie die Lage es erfordert. Bis dato tut sie das leider nicht.

(Zustimmung von Markus Kurze, CDU)

Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Thomas. - Es folgt als nächster Redner Herr Gallert von der Fraktion DIE LINKE.

(Zurufe von der AfD: Halt! - Unruhe)

Oh, Herr Scharfenort hat eine Intervention. - Bitte, Herr Scharfenort.

Jan Scharfenort (AfD):

Vielen Dank für die Rede. Inhaltlich können wir die, denke ich, unterstreichen.

(Hendrik Lange, DIE LINKE, lacht)

Nur möchte ich kurz daran erinnern: Wer war denn verantwortlich für das jetzige Desaster? Wer hat denn die Energiepolitik in den letzten 16 Jahren gemacht? Wer hat also den Grundstein für dieses Desaster gelegt? Wie wurde diese Energiewendesimulation, wie wir sie bis jetzt hatten, überhaupt möglich? Es war nur möglich mit diesem billigen Gas aus Russland. Der Anteil - man kann das genau nachschauen - stieg von Jahr zu Jahr, damit überhaupt die Grundlast abgedeckt werden konnte, weil eben - Sie haben es ja auch inhaltlich richtig wiedergegeben - der Ausstieg aus Kohle und Kernkraft erfolgte. Dies nur kurz zur Erinnerung.

Zweitens. Sie haben viele Dinge richtig angesprochen. Ich höre bei Ihnen die Kritik an der Sanktionspolitik - das unterstreichen wir natürlich ausdrücklich. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrer Resolution, die Sie vor kurzer Zeit auf Ihrer Klausurtagung verabschiedet haben, in der viele richtige, wichtige Punkte stehen, auch zwei der wichtigsten Punkte mit aufgenommen hätten, die ich leider nicht finden kann: Nord Stream 2 öffnen und Sanktionspolitik beenden. - Danke.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Thomas, möchten Sie antworten?


Ulrich Thomas (CDU):

Sehr gerne. - Ich möchte Ihnen das zum wiederholten Male sagen. Sie können von der CDU-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt alle Reden der letzten 15 Jahre zum Thema Energiepolitik nehmen. Darin haben wir immer von Versorgungssicherheit, Preisstabilität und mehr Unabhängigkeit von Energieimporten gesprochen. Und wir haben das immer kritisch bewertet. Insofern sprechen Sie jetzt hier die Falschen an. Das ist vielleicht ähnlich wie bei der GEZ, so wie Sie das wahrnehmen. Auch dort sind wir unterschiedlicher Meinung. Aber wir als CDU haben das von Anfang an gefordert und es letztendlich auch durchgesetzt.

(Tobias Rausch, AfD: Was haben Sie durchgesetzt? - Zuruf von Markus Kurze, CDU - Tobias Rausch, AfD, lacht)

Zu den Sanktionen. Ich will das noch einmal verdeutlichen. Ich habe drei Punkte beschrieben und habe gesagt, wenn es für diese drei Punkte keine nachvollziehbaren Lösungen gibt, dann müssen wir über die Sanktionen reden.

(Zurufe von der AfD)

Denn dann wirken die Sanktionen bei uns schlimmer als bei dem, den wir eigentlich sanktionieren wollen.

(Unruhe)

Aber noch besteht ja die Chance, diese drei Punkte erst einmal zu erfüllen. Wenn Sie die Stolberger Erklärung lesen     Ich glaube, wenn man diese Punkte alle umsetzt, wäre das schon eine spürbare Entlastung für die Bürger, von Steuersenkungen über Entlastungen bis zu einem Preisdeckel in dieser Krisensituation. Ich denke, das sind alles umsetzbare Maßnahmen, die sofort wirken würden.

Wir haben doch vor zwei Jahren zum Coronabeginn bewiesen, wie schnell wir die Mehrwertsteuer von 19 % auf 7 % gesenkt haben, auch auf Energie, Strom, Dieselkraftstoffe, Gas und Öl, und wie das dazu geführt hat, dass wir durch die Coronageschichte relativ problemlos durchgekommen sind.

(Zuruf)

- An internationalen Lieferketten sind wir nur begrenzt beteiligt.

Wir verstehen nicht, warum man das jetzt nicht auch gleich wieder macht vor dem Hintergrund dieser Preisexplosion: einfach die Steuern runternimmt und sagt, das ist das erste Entlastungspaket, das ist wichtiger als 60 Milliarden €. Wobei man sagen muss, davon soll ja die Hälfte von den Ländern kommen und da weiß ich schon, da müssen im Haushaltsausschuss des Landes wir einmal gucken, wo wir unser Geld für das hernehmen sollen, was der Bund verordnet. Nach wie vor besteht ja die Regel: Wer bestellt, bezahlt. Ich glaube nicht, dass der Landtag von Sachsen-Anhalt, der Finanzausschuss, Sachen aus Berlin sang- und klanglos mit durchwinkt, ohne vorher gefragt zu werden. Wir werden es überprüfen, wir werden es sehen, aber na ja, ich habe da so meine Erfahrungen.