Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Nun mal schön langsam. Bitte, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gerade einen Antrag auf Überweisung gehört. Dazu kommen wir dann später und dann könnt ihr ohne Ende diskutieren. - Jetzt kommt erst einmal Herr Rausch von der AfD nach vorn. Bitte. 


Tobias Rausch (AfD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Heute diskutieren wir zum einen über den Antrag zu den Krisengewinnen, zum anderen führen wir eine Aktuelle Debatte mit dem Titel „#IchbinArmutsbetroffen - Politische Entscheidungen sind geboten!“. Nun konnten wir hören, dass DIE LINKE heute in ihrer Aktuellen Debatte festgestellt hat, dass wir im Monat Mai eine Rekordinflation haben. Ja, wir haben eine Rekordinflation von 7,9 %. Den Kreis der Betroffenen bilden für DIE LINKE überwiegend Arbeitslosengeld-II-Empfänger, Obdachlose und sonstige Bezieher von Transferleistungen. Wir von der AfD sehen als Kreis der Betroffenen alle Bürger des Landes, insbesondere jedoch die Arbeiter in diesem Land, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der AfD)

Denn Sie, Kollegen von der LINKEN, vergessen einen wichtigen Aspekt. Für Sie sind immer nur diejenigen arm, die auf den Sozialstaat angewiesen sind. Da gibt es unterschiedliche Bedürftigengruppen: Leute, die ihre Situation verschuldet haben, und Leute, die unverschuldet, durch Krankheit oder wie auch immer, darauf angewiesen sind,   das ist völlig in Ordnung   durch die Sozialsysteme aufgefangen zu werden. Aber es gibt auch Beispiele, in denen der Sozialstaat einfach ausgenutzt wird; ich denke dabei an Clans in Berlin oder Sonstiges. Dagegen wird gar nicht vorgegangen. 

Der Arbeiter im Land Sachsen-Anhalt verdient im Durchschnitt zwischen 1 400 € und 1 700 € netto, muss seine Wohnung selbst bezahlen, muss sein Auto selbst finanzieren, muss seinen Sprit selbst bezahlen, muss seine Energiekosten selbst bezahlen, muss die Teuerungsraten, die Sie durch Ihre Entscheidungen herbeigeführt haben, mit übernehmen. 

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!)

Doch mittlerweile hat er unterm Strich, weil die Spritkosten sich verdoppelt haben, weil die Nahrungsmittel um beinahe 50 % bis 60 % angestiegen sind   wir haben das Beispiel mit der Butter gehört, das sind ja fast 100 % mehr  , wenn er im Niedriglohnland Sachsen-Anhalt einer normalen Arbeit nachgeht und einen Stundenlohn zwischen 10 € und 15 € hat, nach allen Abgaben bei 40 oder 35 Stunden Arbeit in der Woche genau so viel Geld wie ein Sozialhilfeempfänger. Das kann noch nicht sein. Dieses Problem ignorieren Sie völlig.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt zu dem Thema Ungleichbehandlung. Sie wollen immer alles international machen. Wir können doch froh sein, dass wir in Deutschland den Sozialstaat haben. Vergleichen wir uns doch einmal mit Ländern wie der Türkei, den USA oder afrikanischen oder asiatischen Staaten. Dort gibt es so etwas wie eine soziale Hängematte nicht. Das heißt, in Deutschland muss niemand auf der Straße wohnen, niemand muss hungern, niemand muss frieren. Dazu tragen die 18 Millionen Erwerbstätigen nämlich bei. Doch Sie verkennen das einfach und tun so, als ob hier gar nichts passiert. Das ist doch eine Frechheit den Arbeitnehmern und den Unternehmern gegenüber. 

(Beifall bei der AfD)

Für Sie ist der Grund schnell gefunden: Die Ölkonzerne sind schuld. Doch wir müssen erst einmal abwarten, was die Kartellbehörden jetzt genau ermitteln. Das Verfahren ist noch gar nicht beendet. Man muss erst einmal gucken, was passiert. 

Für Sie und andere ist auch noch Putin schuld, mit seinem Krieg in der Ukraine. Wir konnten gestern hören: Wegen moralischer Aspekte muss man bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen. 

Was machen Sie denn? - Sie bzw. die Außenministerin der Grünen haben den größten Lieferanten für Öl und Gas gesagt: Wir wollen uns von euch völlig abkoppeln. Das heißt, ein Lieferant ist weggebrochen und wir bedienen uns jetzt bei anderen Lieferanten, z. B. bei Indien, wohin wir noch Fördermittel in Höhe von 10 Milliarden € schicken, die das Öl von Russland kaufen und es dann an uns weiterverkaufen. Das bleibt unterm Strich trotzdem russisches Öl. Was ist denn das für eine Doppelmoral, was für ein Doppelstandard? 

(Beifall bei der AfD)

Und ich sage Ihnen auch eines: Die Verantwortung für diese Entwicklung tragen einzig und allein die politischen Entscheidungsträger, und zwar im Land, beim Bund und bei der EU. Meine Damen und Herren! Das Ölembargo, das Vorgehen beim Gas, aber auch die Zinspolitik der letzten Jahre haben doch dazu beigetragen, dass die Inflation so gekommen ist, wie sie kam. 

Und was haben Sie völlig vergessen? - Die Coronapolitik. Na klar, es war eine Notsituation, es sollte geholfen werden. Aber was haben wir gemacht? - Die EZB und die EU haben unwahrscheinliche Geldmengen in den Markt gepumpt. Das sorgt doch automatisch dafür, dass zu viel Geld für zu wenig Ware da ist. Woran sieht man, dass das eine Fehlentwicklung ist, die sich stetig fortgesetzt hat? - Am Wechselkurs Euro zu Dollar. Der aktuelle Kurs Euro zu Dollar ist mit Stand von heute 1 € gleich 1,06 $. Vor zehn, zwölf Jahren war der Stand noch: 1 € gleich 1,44 $. 

Nun muss man wissen: Öl und Gas usw. werden in Petrodollar abgerechnet. Das heißt, unsere Kaufkraft hat durch diesen Kursverlust unwahrscheinlich gelitten. Dadurch wird bei uns alles teurer. Auf diese Aspekte geht jedoch niemand ein.

(Beifall bei und Zurufe von der AfD - Siegfried Borgwardt, CDU: Wo kann das Land Sachsen-Anhalt da was ändern?) 

Nun zu dem Antrag. Der Minister hat völlig zu Recht darauf hingewiesen     

(Siegfried Borgwardt, CDU: Was soll denn Sachsen-Anhalt da machen? - Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

- Ja, das Land Sachsen-Anhalt kann da nichts machen. Herr Borgwardt, Sie sind Fraktionsvorsitzender der größten Fraktion hier. 

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ja, na klar! - Cornelia Lüddemann, GRÜNE, lacht) 

Sie haben 16 Jahre lang die Kanzlerin gestellt 

(Zurufe)

und Sie haben wesentlich zum Schaden beigetragen. 

(Beifall bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl!)

Das ist so. 

Minister Herr Willingmann hat völlig recht, wenn er sagt, eine Redezeit von zehn Minuten reicht nicht aus. Zehn Minuten reichen nicht aus, um die sozialen Aspekte genauer zu betrachten   Wer hat es verschuldet, wer hat es nicht verschuldet? Wie läuft das zusammen?   und den Themenkomplex Übergewinnsteuer abzuhandeln. Eine halbe Stunde oder eine Stunde wäre sinnvoll gewesen. Daran hätten wir uns stark beteiligt, wenn sich der Ältestenrat dafür ausgesprochen hätte. Wir hätten noch sehr viel mehr zu sagen. 

Aber die Antwort der LINKEN auf die Problematik ist der Griff in die Mottenkiste: Krisengewinnsteuer abschöpfen, Übergewinnsteuer einführen. Und dann fordern Sie so etwas wie die befristete Einführung einer Übergewinnsteuer auf krisenbedingte Mehrgewinne von Unternehmen, insbesondere aus dem Energiesektor usw. 

Da frage ich Sie: Mit welcher Geisteskraft haben Sie diesen Antrag geschrieben? - Ich kann unter dem Strich feststellen, mit keiner. Mir ist keine Gesellschaft in der Welt bekannt, die durch sozialistische Umverteilung jemals auf Dauer zum Wohlstand der Mehrheitsbevölkerung beigetragen hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn man sich ernsthaft mit der Thematik beschäftigt, wird man nicht umhin kommen festzustellen, dass viele Kontrapunkte vorhanden sind, die noch gar nicht aufgeworfen worden. Wie das z. B. ausgestaltet ist, wurde überhaupt nicht erwähnt, darauf ist nicht eingegangen worden. Ab wann entsteht überhaupt ein Übergewinn? - Das ist überhaupt nicht definiert. Wer bewertet, ob ein Übergewinn vorhanden ist? Wer schätzt ein, wann ein Unternehmen oder ein Konzern überhaupt eine Notlage ausnutzt? Dazu muss auch erstmal ein Rahmen geschaffen werden, wann wird was wie ausgenutzt? Was ist überhaupt ein exorbitanter Gewinn?

Hat man denn völlig vergessen, dass Unternehmen auch Rückstellungen und Investitionsvorbehalte vielleicht einmal geltend machen wollen? Aber stellen wir das Gedankenspiel einmal an und bewegen wird uns jetzt darin. Dann müssen diese Fragen geklärt werden.

Und in Ihrem Antrag ist keine einzelne Maßnahme, Beschreibung oder gar Darlegung enthalten, in welcher Form oder Ausgestaltung die Übergewinnsteuer erhoben werden soll, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN. Kurz gesagt: Es handelt sich einfach um einen Schaufensterantrag, mit dem Sie den Bürgern wieder Sand in die Augen streuen und sagen wollen: Ja, die bösen Kapitalisten, alle bereichern sich an euerm Untergang und die sind alle schuld. Sie schieben die Schuld einfach von sich weg. Sie sind Teil des Problems, liebe Kollegen!

(Beifall bei der AfD) 

Unter dem Strich kann man nur sagen: Sie sind Opfer Ihrer eigenen Entscheidung. Wenn ich an die Coronamaßnahmen denke, die durch die koalitionstragenden Fraktionen umgesetzt worden sind, dann waren das doch immer Ihre Forderungen, dass das nicht weitgehend genug ist; das sollte alles noch mehr sein. Das heißt, wir hätten uns durch Ihr Verhalten noch mehr geschadet.

Thema: Syndrom. Vielleicht haben Sie das Stockholm-Syndrom. Ich weiß es nicht, keine Ahnung. Aber mit Kontraargumenten geht es weiter. Erstens, die fehlgeleitete Aktionspolitik zulasten der Bevölkerung soll nun mit populistischen Maßnahmen einhergehen.

Zweitens, die zentrale Frage, wer zahlt ab wann. - Das können Sie gar nicht definieren. Hoher Gewinn ist tatsächlich die Folge der Krisensituation. - Das können Sie auch nicht definieren. 

Drittens, verfassungsrechtliche Probleme. Darauf, dass es verfassungsrechtliche Probleme gibt, ist bis auf einen kurzen Halbsatz hier keiner eingegangen. Den Fairnessfaktor, den verlieren Sie völlig. Ideologisch ist es jetzt richtig, es geht gegen die E-Konzerne. Denn damit verbinden Sie das Auto und Verbrennungsmotoren und die wollen Sie sowieso für den Individualverkehr abschaffen. Aber Sie vergessen: Wie war es denn in der Coronakrise? Wer waren denn da die Profiteure? - BioNTech, Pfizer, Amazon. 

Wenn Sie jetzt die Diskussion schon aufmachen, wieso diskutieren Sie nicht darüber? Oder, wie war es denn 2015? Welche Hoteliers haben sich damals bereichert? Darüber wird auch nicht diskutiert. Wenn Sie die Diskussion führen, müssten Sie diese einmal voll umfänglich machen und nicht nur aus Ihrer rosaroten Brille.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl!) 

Dann ist es doch so, dass Deutschland bereits mit die Höchststeuersätze hat. Viele müssen ihr Einkommen teilweise mit 45 % versteuern. Wie kann denn das sein, dass auf Einkommen mehr Steuern gezahlt werden müssen in Deutschland als auf Kapitalerträge oder Dividendenhandel? Das kann doch gar nicht sein.

Das nächste Problem ist, wenn Sie wirklich die kleinen Beschäftigungsgruppen entlasten wollten, dann hätten Sie einmal einen Antrag eingebracht zur Steuerbefreiung; der Steuerfreibetrag liegt bei der Einkommenssteuer bei 9 900 €. Er ist jetzt ein bisschen angehoben worden. Aber hätten Sie einmal gesagt, 1 500 bis 2 000 € im Monat steuerfrei - das wäre eine gute Sache geworden. Das hätte jedem geholfen. Aber auf die Idee kommen Sie gar nicht, weil Steuererleichterungen ja ein völliges Tabu sind; immer nur mehr und mehr und mehr, bis nichts mehr da ist, was verteilt werden kann.

Und über den Verwaltungsaufwand ist auch keine Einigung erzielt worden. Wir kennen die Debatten noch zur Vermögenssteuer, die Sie einführen wollen. Auf den Hinweis aller Beteiligten hier im Haus und der Landesregierung   damals durch Finanzminister Richter, der auf die Bürokratiehemmnisse hingewiesen hat und auf die Frage, wie man das überhaupt bewerten will; vielleicht sagt Ihnen die allgemeine Vermögensfeststellung vom Finanzamt irgend etwas, wahrscheinlich aber auch nicht   ist keiner eingegangen.

(Zuruf von Dr. Falko Grube, SPD)

Unter dem Strich bleibt nur festzustellen, dass Sie auf ganzer Linie versagt haben und dass wir Ihren Antrag ablehnen und auch nicht überweisen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Danke, Herr Rausch. - Es gibt eine Nachfrage von Herrn Ruland.


Stefan Ruland (CDU):

Sehr geehrter Herr Kollege Rausch, Sie hatten auch ein paar Minuten mehr Redezeit für Ihren Gesamtkontext. Deswegen konnten wir auch nicht alles unterbringen. Aber ich wollte Ihnen noch einen Tipp geben. Das habe ich auch an die Kollegen der Antragsteller gemacht. Sie müssen unbedingt einmal mit Ihrem Steuerberater sprechen. Meines Erachtens ist der Spitzensteuersatz in Deutschland 42 %. Und wenn Sie 45 % zahlen, dann hat der vielleicht auch irgendwo einen Übergewinn.


Tobias Rausch (AfD): 

Gut, vielen Dank. Ich bedanke mich ausdrücklich für Ihre Fragestellung und stelle fest, dass sie leider Nachholebedarf im Steuerrecht haben, denn ab 55 700 € sind Sie im Spitzensteuersatz von 42 %. Ab einem Einkommen von 249 000 € müssen Sie 45 % bezahlen. Sie können ja noch einmal nachfragen, wie sich das so verhält.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Aha!)

Sie brauchen gar nicht „aha“ sagen. Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN steht hier, hat ein Haushaltseinkommen von ca. 25 000 € brutto und erklärt etwas über Armut. Das ist auch sehr scheinheilig.

(Beifall und Heiterkeit bei der AfD) 

Da brauchen Sie gar nicht „aha“ zu sagen. Insofern will ich nur noch eines sagen: Wenn wir die Diskussion hier wirklich führen wollen, wäre ich sehr dafür. Aber wir müssen auch immer bei der politischen Entscheidung im Auge haben, dass die Mehrheitsinteressen vertreten werden. Und die Mehrheitsinteressen, die das System am Laufen halten, sind nun einmal die Arbeitnehmer und Unternehmer. Dafür stehen wir ein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Zuruf von der AfD: Jawohl! - Unruhe)